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Aus: Ausgabe vom 25.09.2024, Seite 8 / Inland
Friedensbewegung in der BRD

»Wir können von einem Kriegshaushalt sprechen«

Bundesregierung plant weitere Mehrausgaben für die Bundeswehr. Demo gegen Aufrüstung am 3. Oktober. Ein Gespräch mit Gesine Lötzsch
Interview: Milan Nowak
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Rheinmetall-Chef Armin Papperger, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen und Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD, v. l. n. r.) in Unterlüß (12.2.2024)

Für den 3. Oktober wird bundesweit zum Protest gegen Krieg und Aufrüstung mobilisiert. Sie rufen ebenfalls zur Demonstration »Nein zu Kriegen!« in Berlin auf. Was hat Sie dazu bewegt?

Ich habe Angst vor einem Krieg, wie viele Menschen in unserem Land. Die Bundesregierung lässt sich immer mehr willenlos in den Ukraine-Krieg hineinziehen. Sie reagiert nur noch stumpf auf Waffenbestellungen aus Kiew. Kanzler Scholz hat noch schnell vor der Wahl in Brandenburg (am vergangenen Sonntag, jW) erklärt, dass bei Friedensgesprächen Russland beteiligt werden sollte. Wir fordern vom Kanzler aktive diplomatische Initiativen, um zu schnellen Friedensverhandlungen zu kommen. Dafür brauchen wir eine starke Friedensbewegung. Er muss die Kriegsbesoffenen in seiner Koalition in die Schranken weisen. Deren Strategie ist offensichtlich gescheitert.

Sie sind Mitglied des Haushaltsausschusses im Bundestag. Inwieweit würden Sie bereits von einem Kriegshaushalt sprechen?

Im Bundeshaushalt für das nächste Jahr sollen die Ausgaben für die Bundeswehr weiter steigen. Nach NATO-Kriterien sollen 2025 insgesamt 89,42 Milliarden Euro dafür ausgegeben werden. Das ist ein trauriger Rekord. Gleichzeitig lässt man die Infrastruktur verrotten. Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden hat deutlich gemacht, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Es war nicht die Frage, ob eine Brücke einstürzen wird, sondern wann. Die Medien sind sehr offen, wenn Generäle über den schlechten Zustand der Bundeswehr jammern. Doch gleichzeitig könnten sie jeden Tag über den schlechten Zustand von Krankenhäusern und über kaputte Feuerwehrfahrzeuge berichten. Das tun sie aber nicht. Die Bundesregierung hat 105 Kampfpanzer »Leopard 2« bestellt. Wenn wir auf einen Panzer verzichten würden, könnten wir für das Geld sieben Freibäder bauen.

Insofern: Ja, wir können von einem Kriegshaushalt sprechen. Es wird ohne Rücksicht auf Verluste aufgerüstet. Die Bundesregierung will die Rüstungsindustrie weiter staatlich fördern. Die Ampel bezeichnet die Kriegsproduktion sogar als nachhaltig. Da müssten die Grünen im Grunde laut aufschreien, tun sie aber nicht. Führende Ökonomen gehen davon aus, dass wir einen Investitionsrückstand von 600 Milliarden Euro in unserem Land haben.

Wie werden sich die Ausgaben fürs Militär entwickeln?

Das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen der Bundeswehr wird 2027 auslaufen. Die Frage ist dann, wie das NATO-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Aufrüstung aufzuwenden, erreicht werden soll. 2028 sollen 28,1 Milliarden aus dem regulären Bundeshaushalt finanziert werden. Zum Vergleich: Für Bildung und Forschung sollen im nächsten Jahr nur 22,3 Milliarden ausgegeben werden. Für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen 7,4 Milliarden. Es müssten also ganze Politikbereiche abgewickelt werden, um die Aufrüstung weiter voranzutreiben. Die Bundesregierung muss das Zwei-Prozent-Ziel aufgeben! Es nutzt nur der Rüstungsindustrie und zerstört unsere Gesellschaft. CDU und AfD sind dabei die größten Befürworter von militärischer Aufrüstung. Das erlebe ich immer wieder im Haushaltsausschuss.

Auf der Abschlusskundgebung sprechen Vertreter von vier Parteien. Sehen Sie Perspektiven für eine längerfristige überparteiliche Friedenspolitik?

Wir brauchen unbedingt wieder eine starke Friedensbewegung. Wir brauchen die Gewerkschaften, die Kirchen und alle Menschen, die Kriege als Mittel der Politik ablehnen. Viele können sich darauf einigen, dass wir keine neuen Mittelstreckenraketen in Deutschland brauchen. Wir wollen unser Land nicht zu einer Zielscheibe machen. Der Bundeskanzler muss seine Zusage zur Stationierung der Mittelstreckenraketen zurückziehen.

Wie ließe sich Friedenspolitik in der Partei Die Linke stärken?

Die Linke steht für eine klare Friedenspolitik. Wir haben ein Parteiprogramm beschlossen, in dem wir Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete klar ablehnen. Das ist für mich immer noch eine sehr aktuelle Forderung. Ich habe ein Umdenken nach der EU-Wahl in unserer Partei festgestellt. Wir müssen als Friedenspartei ganz klar erkennbar sein.

Gesine Lötzsch ist Haushalts­politikerin und Mitglied der Gruppe Die Linke im Bundestag

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