Mörderische Tradition
Von Knut MellenthinSeit Montag hat Israels vierter Libanonkrieg nach 1978, 1982, 2006 und jetzt 2024 einen Namen: Als Operation »Northern Arrows« (Nördliche Pfeile) soll er in die Geschichte des Landes eingehen, das sich weigert, seine Gebietsansprüche abschließend zu definieren und die Bildung eines palästinensischen Staates zu akzeptieren. Allein am Montag wurden durch israelische Luftangriffe nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Beirut knapp 558 Menschen getötet, von denen mindestens 50 Kinder waren.
Es ist ein Krieg mit Ansage. Ihn auf die Raketen der Hisbollah zurückzuführen, die vergleichsweise nur geringen Schaden anrichten, sofern sie nicht vorher von der israelischen Luftabwehr zerstört werden, greift zu kurz. Verteidigungsminister Joaw Gallant hatte schon zwischen Juni und August vorigen Jahres mehrfach damit gedroht, Libanon »in die Steinzeit zurückzuschicken«. Der barbarische Spruch stammt aus der Zeit des Vietnamkriegs der USA und geht auf den Luftwaffengeneral Curtis LeMay zurück. Hisbollah müsse »ihre Provokationen« einstellen, forderte Gallant damals. Als solche nannte er die gewaltfreie Errichtung von zwei Zelten auf dem seit 1967 von Israel besetzten Gebiet der »Schebaa-Bauernhöfe«, Patrouillen von uniformierten Hisbollah-Kämpfern an der Grenze und den Abschuss einiger Raketen durch Palästinenser vom Boden Libanons aus.
Solche an den Haaren herbeigezogenen Kriegsgründe haben Tradition. Den Einmarsch seiner Streitkräfte in den Libanon im Juni 1982 rechtfertigte Israel mit einem Anschlag auf seinen Botschafter in London, für den die Berufskillerbande von Abu Nidal verantwortlich war und der nach israelischen Angaben im Auftrag des irakischen Geheimdienstes erfolgte. Dieselbe Bande ermordete auch mehrere hochrangige Mitglieder der PLO, die sich für Verhandlungen mit Israel eingesetzt hatten. Der damalige Krieg, als dessen Ziel die israelische Regierung die Vertreibung der Palästinenser aus dem Libanon proklamiert hatte, dauerte mehrere Monate und endete mit der Abriegelung und weitgehenden Zerstörung Beiruts durch die israelischen Streitkräfte, die zahlenmäßig und qualitativ ihren Gegnern weit überlegen waren.
Israels Minister für die außerhalb Israels lebenden jüdischen Gemeinden, Amichai Chikli, hat am Montag erklärt, die libanesische Regierung übe über den Süden ihres Landes nicht die Souveränität aus. Israel sei daher berechtigt, dort die Kontrolle zu übernehmen. Der zionistische Staat hatte nördlich seiner Grenze schon einmal, vom Februar 1985 bis zum Mai 2000, eine »Sicherheitszone« von 900 Quadratkilometern besetzt gehalten. Diesen Versuch könnte der zionistische Staat jetzt aufgrund seiner erdrückenden militärischen Überlegenheit wiederholen wollen. Der Krieg ist noch lange nicht beendet.
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