Racheakt nach Partisanenangriffen
Von Gerhard FeldbauerIn ihrem Kampf gegen Widerstandsgruppen begingen Wehrmacht und SS in Italien schlimmste Greueltaten. Eine davon war das Massaker von Marzabotto, das sich in wenigen Tagen zum 80. Mal jährt. Jene Rachemorde an der Zivilbevölkerung zählen zu den bestialischsten Verbrechen des Besatzungsregimes der Hitlerwehrmacht. Am 28. September war die Aufklärungsabteilung der 16. SS-Panzergrenadier-Division »Reichsführer SS« unter dem Kommando von Obersturmbannführer Walter Reder mit Wehrmachtseinheiten und ihren Mussolini-treuen Handlangern in die Gemeinde in der Toskana eingefallen. Bis zum 5. Oktober brachten sie 1.836 Einwohner um – allesamt Zivilisten, darunter viele Kinder und alte Menschen.
Wie die wenigen Überlebenden später berichteten, wurden auf dem Friedhof 147 Personen, darunter 50 Kinder, zusammengetrieben und mit Maschinengewehren niedergemacht. Im Ortsteil Casaglia wurde eine Menschenmenge beim Gottesdienst mit fünf Priestern in der Kirche umgebracht. Die SS-Mörder warfen, wie die Historiker Roberto Battaglia und Giuseppe Garritano 1964 in »Breve Storia della Resistenza italiana« schrieben, »Kinder lebend ins Feuer«, brachten »Säuglinge an der Brust ihrer Mütter« um, wurden »Frauen, Greise und Kinder wie Spatzen abgeschossen«. In Marzabotto befand sich kein einziger Partisan. Das Massaker war ein Racheakt nach Angriffen der Brigade »Stella Rossa« (Roter Stern), die in dem Gebiet der Wehrmacht schwere Verluste zufügte. Sie war vom September 1943 bis Mai 1945 aktiv.
Seit Jahresbeginn 1944 mussten die faschistischen Besatzer 15 Divisionen gegen die Partisanen einsetzen. Ein »Sicherheitsbericht« der Wehrmacht gab im Juni 1944 an, dass im Mai des Jahres 2.035 und im Juni ungefähr 2.200 Aktionen von Partisanen erfolgten. Dabei wurden demnach 17 Munitionsdepots und 24 Kasernen von den Widerstandsgruppen angegriffen. Im Juli/August 1944 bildeten Partisanen in der Emilia-Romagna um die Ortschaft Montefiorino auf dem 800 Meter hohen Apennin eine befreite Zone, die einen Keil in die deutsche Verteidigungsstellung, die sogenannte Gotenlinie, trieb. Es gelang den Besatzungstruppen nie, die freie Zone zurückzuerobern. Insgesamt entstanden im Ergebnis des Befreiungskrieges 20 befreite Gebiete bzw. Partisanenrepubliken.
Gegen den italienischen Widerstand führte die Besatzungsmacht einen grausamen und erbarmungslosen Vernichtungskrieg. Der westdeutsche Historiker Gerhard Schreiber schrieb 1996, dass im statistischen Mittel – ohne die im Kampf getöteten Partisanen und regulären Soldaten einzubeziehen – täglich 165 Kinder, Frauen und Männer jeden Alters umgebracht wurden. Zu den zahlreichen Massakern gehörte am 12. August 1944 der Überfall der Abteilung von Reder in Sant’Anna di Stazzema in der Toskana, bei dem 560 Einwohner auf dieselbe Weise bestialisch ermordet wurden. Zwei Tage später wurde Irma Bandiera, Kurier einer Gruppe örtlicher Partisanen, jener Gruppi d’Azione Patriottica, grausam ermordet. Nach ihrer Gefangennahme wurde sie gefoltert und, als sie den Stützpunkt ihrer Brigade nicht preisgab, geblendet und dann auf offener Straße erschossen. Unvergessen sind die sieben Brüder der Familie Cervi, die alle im bewaffneten Kampf den Tod fanden.
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