75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Sa. / So., 23. / 24. November 2024, Nr. 274
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 26.09.2024, Seite 4 / Inland
Rücktritt von Lang und Nouripour

Grüne ziehen Konsequenzen

Parteivorsitzende Lang und Nouripour kündigen Rücktritt an. Opposition fordert Neuwahlen
Von Karim Natour
4.jpg
Machen Platz: Die Grünen-Koparteivorsitzenden Omid Nouripour (l.) und Ricarda Lang am Mittwoch in Berlin

Dass die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg bundespolitische Konsequenzen haben, ist wohl keine Überraschung. Nachdem bei der FDP im Anschluss an das desolate Ergebnis bei den Wahlen in Brandenburg am Sonntag eine Debatte um den Verbleib in der Ampelkoalition losgebrochen ist, ziehen jetzt auch Bündnis 90/Die Grünen Schlüsse aus den schlechten Ergebnissen bei den Wahlen. Die Parteivorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang kündigten am Mittwoch überraschend den Rücktritt des gesamten Bundesvorstands an. Auf dem Parteitag in Wiesbaden im November soll ein neuer Vorstand gewählt werden. »Es braucht einen Neustart«, sagte Nouripour in Berlin. Es sei »Zeit, die Geschicke dieser großartigen Partei in neue Hände zu legen«.

Die Grünen hatten bei den Landtagswahlen desaströse Ergebnisse erzielt. In Thüringen und Brandenburg erreichte die Partei weniger als fünf Prozent und verpasste damit den Einzug ins Parlament. In Sachsen gelang der Wiedereinzug mit 5,1 Prozent nur knapp. Bei der Wahl zum EU-Parlament im Juni hatte die Partei 11,9 Prozent der Stimmen erhalten – ein Rückgang um mehr als acht Prozentpunkte. In einer am Montag veröffentlichten Umfrage von INSA wurde die Partei erstmals seit sieben Jahren bundesweit unter zehn Prozent gesehen.

Es brauche »neue Gesichter, um die Partei aus dieser Krise zu führen«, sagte Lang. Die Entscheidung sei »ein Baustein« für eine »strategische Neuaufstellung«. Innerhalb der Grünen rief die Ankündigung positive Reaktionen hervor. So würdigte Wirtschaftsminister Robert Habeck den Entschluss als »großen Dienst an der Partei«. Lob für den Schritt kam auch von den Koalitionspartnern SPD und FDP. »Trotz mancher inhaltlicher Unterschiede war diese Partnerschaft sehr angenehm, weil sie auch menschlich belastbar war«, erklärten die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil gegenüber Rheinische Post (Donnerstag). FDP-Chef Christian Lindner lobte die Zusammenarbeit als »menschlich immer fair«.

Der Opposition ging die Ankündigung nicht weit genug. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), forderte Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock zum Rücktritt auf. Es könnten kaum »diejenigen Vertreter im Amt bleiben, die zum Symbol der verkorksten Wirtschafts- und Migrationspolitik wurden – Baerbock und Habeck«, so Frei gegenüber der Rheinischen Post. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das vorzeitige Ende der Ampelkoalition. An Neuwahlen führe »kein Weg vorbei«. In die gleiche Kerbe schlug CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der gegenüber merkur.de äußerte, das Problem seien nicht die Grünen an der Parteispitze, sondern in der Bundesregierung.

Vorgezogene Bundestagswahlen forderte auch die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht. Sie erklärte der Rheinischen Post, sie hoffe, der Schritt ermuntere die Bundesminister der Grünen, »politische Verantwortung für schlechtes Regieren zu übernehmen und den Weg für notwendige Neuwahlen freizumachen«. AfD-Chefin Alice Weidel bezeichnete die Entscheidung beim Kurznachrichtendienst X als »Anfang vom Ende der  Ampel« und forderte SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz auf, die Vertrauensfrage zu stellen.

Dieser bemühte sich, Forderungen nach dem Ende der Ampelkoalition den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sein Sprecher Steffen Hebestreit erklärte mit Blick auf die Ankündigung, Scholz habe mit den Parteivorsitzenden »eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet« und bedaure deren Rückzug. Auf die Koalition habe die Entscheidung jedoch »keinerlei Auswirkungen«.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Peter Groß (26. September 2024 um 14:33 Uhr)
    Nouripour und Lang waren Parteivorsitzende ohne eigenen Gestaltungsspielraum. Ich habe sie immer als Pressesprecher der Partei wahrgenommen, die ihr Redemanuskript aus der B90/Grünen Propagandaabteilung erhielten, nachdem es in Regierungskreisen abgesegnet war. So kommt es mir vor, dass diese gesamte heutige Lobhudelei des Wirtschaftsministers Habeck vom »großen Dienst an der Partei« oder dem »Lob für den Schritt von den Koalitionspartnern SPD und FDP. « dazu dient ihnen einen besonders hochdotierten Ruhestandssitz in einer Stiftung, der freien Wirtschaft oder einer Bundesbehörde zuzuschanzen. Bevor die Konkurrenz bald ehemaliger Grüner Bundesminister wegen dem versinken in der Bedeutungslosigkeit von B90/Grüne zu groß wird. Wir kennen es nicht nur von Joschka Fischer, Andrea Nahles (SPD) und vielen Honigsaugern am deutschen Staatsvermögen, an deren Namen wir uns nicht einmal erinnern, die aber immer noch Hunderttausende Euros jährlich heimtragen und als Millionäre ihre Zwischenbilanz ziehen. Es gibt für die Medienschaffenden im öffentlich-rechtlichen Sendebetrieb also keinen Anlass für das anhaltende Hosianna. Wie sagt Nouripour: »Es sei «Zeit, die Geschicke dieser großartigen Partei in neue Hände zu legen». Richtig, zahllose andere stehen Schlange für Erhebung in den Adelsstand der Parteiaristrokatie und nicht nur die SPD kann Demontage. Die tagesschau berichtete über Grabenkämpfe in der SPD: «Unterirdisch», «inakzeptabel» - bei vielen in der SPD ist das Entsetzen über den Umgang mit Nahles groß. Ob Krokodilstränen oder nicht: Politik ist brutal - man frage nur Martin Schulz [...]. Und die SPD kann Demontage. Mit Heide Simonis oder Andrea Ypsilanti sprangen die Genossen einst wenig zimperlich um. Frauenfeindlichkeit attestierte Karl Lauterbach seiner Partei. Und Vize-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel vermisste in der Debatte um die Person Nahles «Respekt und Solidarität». Ähnlich formuliert es Ralf Stegner. Da ist es nur sinnvoll rechtzeitig das Handtuch zu werfen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (25. September 2024 um 21:08 Uhr)
    Grüne ziehen Konsequenzen? Könnte man so sehen. Man könnte aber auch meinen, dass die Falschen zurückgetreten sind. Wer also glaubt, dass der konsequente Absturz der Grünen, der an den Wahlurnen vollzogen wurde, mit den beiden Zurückgetretenen zu tun hat, akzeptiert nur die halbe Wahrheit. Nicht die Partei, der die beiden vorstanden, hat die direkte Verantwortung für die Regierungsentscheidungen, zum Beispiel in der Außen- und Wirtschaftspolitik. Es sind Habeck und Baerbock, die ihre Hüte nehmen und qualifizierten Fachleuten Platz machen sollten. Ob man diese in der grünen Partei findet, steht auf einem anderen Blatt Papier.

Ähnliche:

  • Gibt der Ampel noch Zeit bis Weihnachten: FDP-Finanzminister Chr...
    25.09.2024

    Warnung vor dem Bruch

    SPD kritisiert Lindners Parole vom »Herbst der Entscheidungen«. CDU auf Neuwahlen vorbereitet, rechnet aber nicht damit
  • Das muss russische Einflussnahme sein: Annalena Baerbock bei der...
    24.09.2024

    Der reine Horror

    Nach Wahl in Brandenburg: Grüne wüten gegen »Handlanger« Putins. CDU-Spitze zählt Kretschmer an.
  • Wohin nach der Wahl? AfD-Fraktionschef Alexander Gauland (r.) au...
    31.08.2019

    Lackmustest Landtagswahlen

    Durchmarsch der AfD in Brandenburg und Sachsen droht. Vor allem im Freistaat wird die Regierungsbildung schwierig

Regio:

Mehr aus: Inland