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Aus: Ausgabe vom 26.09.2024, Seite 4 / Inland
Rücktritt von Lang und Nouripour

Grüne ziehen Konsequenzen

Parteivorsitzende Lang und Nouripour kündigen Rücktritt an. Opposition fordert Neuwahlen
Von Karim Natour
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Machen Platz: Die Grünen-Koparteivorsitzenden Omid Nouripour (l.) und Ricarda Lang am Mittwoch in Berlin

Dass die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg bundespolitische Konsequenzen haben, ist wohl keine Überraschung. Nachdem bei der FDP im Anschluss an das desolate Ergebnis bei den Wahlen in Brandenburg am Sonntag eine Debatte um den Verbleib in der Ampelkoalition losgebrochen ist, ziehen jetzt auch Bündnis 90/Die Grünen Schlüsse aus den schlechten Ergebnissen bei den Wahlen. Die Parteivorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang kündigten am Mittwoch überraschend den Rücktritt des gesamten Bundesvorstands an. Auf dem Parteitag in Wiesbaden im November soll ein neuer Vorstand gewählt werden. »Es braucht einen Neustart«, sagte Nouripour in Berlin. Es sei »Zeit, die Geschicke dieser großartigen Partei in neue Hände zu legen«.

Die Grünen hatten bei den Landtagswahlen desaströse Ergebnisse erzielt. In Thüringen und Brandenburg erreichte die Partei weniger als fünf Prozent und verpasste damit den Einzug ins Parlament. In Sachsen gelang der Wiedereinzug mit 5,1 Prozent nur knapp. Bei der Wahl zum EU-Parlament im Juni hatte die Partei 11,9 Prozent der Stimmen erhalten – ein Rückgang um mehr als acht Prozentpunkte. In einer am Montag veröffentlichten Umfrage von INSA wurde die Partei erstmals seit sieben Jahren bundesweit unter zehn Prozent gesehen.

Es brauche »neue Gesichter, um die Partei aus dieser Krise zu führen«, sagte Lang. Die Entscheidung sei »ein Baustein« für eine »strategische Neuaufstellung«. Innerhalb der Grünen rief die Ankündigung positive Reaktionen hervor. So würdigte Wirtschaftsminister Robert Habeck den Entschluss als »großen Dienst an der Partei«. Lob für den Schritt kam auch von den Koalitionspartnern SPD und FDP. »Trotz mancher inhaltlicher Unterschiede war diese Partnerschaft sehr angenehm, weil sie auch menschlich belastbar war«, erklärten die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil gegenüber Rheinische Post (Donnerstag). FDP-Chef Christian Lindner lobte die Zusammenarbeit als »menschlich immer fair«.

Der Opposition ging die Ankündigung nicht weit genug. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), forderte Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock zum Rücktritt auf. Es könnten kaum »diejenigen Vertreter im Amt bleiben, die zum Symbol der verkorksten Wirtschafts- und Migrationspolitik wurden – Baerbock und Habeck«, so Frei gegenüber der Rheinischen Post. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das vorzeitige Ende der Ampelkoalition. An Neuwahlen führe »kein Weg vorbei«. In die gleiche Kerbe schlug CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der gegenüber merkur.de äußerte, das Problem seien nicht die Grünen an der Parteispitze, sondern in der Bundesregierung.

Vorgezogene Bundestagswahlen forderte auch die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht. Sie erklärte der Rheinischen Post, sie hoffe, der Schritt ermuntere die Bundesminister der Grünen, »politische Verantwortung für schlechtes Regieren zu übernehmen und den Weg für notwendige Neuwahlen freizumachen«. AfD-Chefin Alice Weidel bezeichnete die Entscheidung beim Kurznachrichtendienst X als »Anfang vom Ende der  Ampel« und forderte SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz auf, die Vertrauensfrage zu stellen.

Dieser bemühte sich, Forderungen nach dem Ende der Ampelkoalition den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sein Sprecher Steffen Hebestreit erklärte mit Blick auf die Ankündigung, Scholz habe mit den Parteivorsitzenden »eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet« und bedaure deren Rückzug. Auf die Koalition habe die Entscheidung jedoch »keinerlei Auswirkungen«.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (25. September 2024 um 21:08 Uhr)
    Grüne ziehen Konsequenzen? Könnte man so sehen. Man könnte aber auch meinen, dass die Falschen zurückgetreten sind. Wer also glaubt, dass der konsequente Absturz der Grünen, der an den Wahlurnen vollzogen wurde, mit den beiden Zurückgetretenen zu tun hat, akzeptiert nur die halbe Wahrheit. Nicht die Partei, der die beiden vorstanden, hat die direkte Verantwortung für die Regierungsentscheidungen, zum Beispiel in der Außen- und Wirtschaftspolitik. Es sind Habeck und Baerbock, die ihre Hüte nehmen und qualifizierten Fachleuten Platz machen sollten. Ob man diese in der grünen Partei findet, steht auf einem anderen Blatt Papier.

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