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Aus: Ausgabe vom 26.09.2024, Seite 5 / Inland
Chemieindustrie

BASF schrumpft Stammsitz

Produktion in Ludwigshafen wird weiter heruntergefahren. Energiepreise zwingen zur Umstellung auf Forschung
Von Alexander Reich
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Auch auf dem Weg in den Süden: Störche am BASF-Sitz in Ludwigshafen am Rhein (10.9.2024)

Es geht bergab für die deutsche Industrie, auch für die großen Monopole. VW ist ein Beispiel, BASF noch eins. An diesem Donnerstag wird der weltgrößte Chemiekonzern mit neuen Kahlschlagplänen um das Vertrauen von Investoren buhlen. Es ist Kapitalmarkttag am Stammsitz, der aus Ludwigshafen nicht wegzudenken ist, aber seit zwei Jahren Verluste schreibt. Eine unmittelbare Folge des Wirtschaftskriegs gegen Russland. Durch die gestiegenen Energiepreise sind die Exportprodukte vom Rheinufer nicht länger konkurrenzfähig, ob die Ampelkoalition in Berlin das nun hören will oder nicht.

Im Februar 2023 erklärte die Konzernspitze die Streichung von 1.800 Stellen in Ludwigshafen für unerlässlich und meinte, das werde wohl nicht reichen. An diesem Donnerstag will BASF-Chef Markus Kamieth den geladenen Anlegern nun erklären, worauf es am derzeit noch weltgrößten Chemiekomplex mittelfristig hinauslaufen soll. Er wird wohl eine Neuausrichtung verkünden, weg von der Produktion, hin zu Forschung und Entwicklung.

Dafür spricht eine Äußerung der Landeswirtschaftsministerin von Rheinland-Pfalz, die dpa am Mittwoch verbreitete. »Die Landesregierung steht in sehr engem Austausch mit den energieintensiven Unternehmen des Landes, selbstverständlich auch mit der BASF«, versicherte Daniela Schmitt (FDP) da. »In meinen Gesprächen mit der BASF wird immer wieder deutlich, dass der Standort Ludwigshafen im Konzern seine bedeutende Rolle erhalten wird und gerade im Bereich der Forschung, die Grundlage jeder industriellen Weiterentwicklung ist, noch stärker werden will.«

Durch die Blume hat die Betriebswirtin damit gesagt, dass der zentrale Produktionsstandort zum bedeutenden Forschungszentrum schrumpfen wird. Ergänzend teilte das Manager-Magazin am Mittwoch nach einem Blick in »interne Unterlagen« zum Kapitalmarkttag mit: »Bis spätestens Ende 2028 könnte rund ein Siebtel der Anlagen in Ludwigshafens stillgelegt werden.«

Wichtig ist dabei nicht nur das »spätestens«; das Siebtel kann sich nur auf die Anlagen beziehen, die noch laufen. Teile der Ammoniakproduktion in Ludwigshafen hat BASF bereits aufgegeben. Und auch die Schließung dreier Anlagen zur Herstellung von Zwischenprodukten für Kunst- und Klebstoffe sowie Pflanzenschutzmittel wurde schon Ende August verkündet – für das laufende Jahr. Weil betriebsbedingte Kündigungen in Ludwigshafen bis Ende 2025 bislang ausgeschlossen sind, müssten die 180 betroffenen Mitarbeiter versetzt werden, hieß es.

Die Unterauslastung vieler Anlagen am Stammsitz des Chemieriesen hat auch mit den enormen Kapazitäten zu tun, die in den vergangenen zehn Jahren in China aufgebaut wurden. Der dortige Markt ist mit Abstand der größte für Chemieprodukte, aber sein Wachstum hat sich zuletzt verlangsamt. Auch hier sind viele Fabriken nicht mehr ausgelastet, es wird mehr exportiert, das drückt die Weltmarktpreise.

Noch vor Ablauf des Jahres wird BASF die Produktion von Pflanzenschutzmitteln an Standorten in Frankfurt am Main und Knapsack bei Köln herunterfahren. 300 Beschäftigte verlieren ihre Jobs. Die Vereinbarung zur Sicherung des Standorts Ludwigshafen gilt für sie nicht.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (25. September 2024 um 21:30 Uhr)
    Nachdem Ludwigshafen sich endlich von seinem Image als verschlafenes »Nest« mit der Entwicklung moderner Wohnsiedlungen und Einkaufszentren verabschiedet hatte, trifft die Region nun ein geopolitischer Schlag, dessen Folgen vor allem die Belegschaft tragen muss. Die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Region hängt maßgeblich vom BASF-Werk ab, dessen Bedeutung als Produktionsstandort nun schwindet. Es ist zwar positiv, dass das Unternehmen plant, zumindest den Bereich Forschung und Entwicklung zu stärken und am Standort zu halten. Dies könnte kurzfristig eine gewisse Stabilität bieten, allerdings bleibt fraglich, ob diese Ausrichtung mittelfristig ausreicht, um die tiefgreifenden strukturellen Probleme zu bewältigen. Auch wenn der Erhalt des Know-hows ein lobenswertes Ziel ist, scheint es unwahrscheinlich, dass dies auf lange Sicht den Verlust des Produktionssektors und die damit verbundenen Arbeitsplätze kompensieren kann. Die gesamte Region wird sich neuen Herausforderungen stellen müssen, und es bleibt abzuwarten, ob sie diese bewältigen kann.

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