Beijings Warnung
Von Jörg KronauerLeichte Schläge mit einer Interkontinentalrakete erhöhen zuweilen das Denkvermögen: So oder ähnlich mag man es interpretieren, dass Beijing am Mittwoch ein solches Geschoss zum ersten Mal seit Jahrzehnten in den Pazifik gefeuert hat. Natürlich nicht, um dort einen realen Feind zu treffen; die Volksrepublik ist schließlich nicht im Krieg. Bei dem Abschuss handelte es sich um einen Test im Rahmen einer Routineübung, über den die Länder, die die Rakete überflog, vorab informiert worden waren und der ausschließlich die Leistungsfähigkeit der Waffe und des Personals überprüfen sollte; das teilte jedenfalls ein Sprecher des chinesischen Verteidigungsministeriums mit. Nun, Letzteres darf man sicherlich cum grano salis verstehen – Tests dieser Art übermitteln gewöhnlich auch eine Botschaft an einen Gegner, meist eine Warnung, es nicht allzu doll zu treiben, da sonst aus dem Schuss ins Wasser schnell ein Schuss auf härtere Ziele werden kann.
Man tut sicherlich gut daran, den chinesischen Raketentest sehr ernst zu nehmen. Der bislang letzte bekannte Test, bei dem eine chinesische Interkontinentalwaffe über den Pazifik flog, fand im Mai 1980 statt. Dann begann die Ära der Kooperation mit den USA, mit dem Westen insgesamt; Beijing honorierte das, indem es Raketen im Inland zu testen begann – China ist groß genug. Die Ära der Kooperation ist inzwischen längst in eine Phase der Konfrontation übergegangen – und die Konfrontation spitzt sich seit Monaten immer gefährlicher zu. Man kann das unter anderem daran festmachen, dass die Kollisionen zwischen China und den Philippinen im Südchinesischen Meer zunehmen und Manila immer nachdrücklicher auf sein Bündnis mit Washington verweist – oder auch daran, dass die USA im Frühjahr erstmals Mittelstreckenwaffen auf die Philippinen brachten. Nur zu Manöverzwecken, hieß es zwar in Washington; doch man weiß: Die USA würden Mittelstreckenwaffen gern dauerhaft auf der ersten Inselkette vor China stationieren. Der Abschuss der Interkontinentalrakete war ein Hinweis darauf, was auf den Abschuss einer Mittelstreckenwaffe folgen kann.
Vermutlich darf man den Hinweis, der mit dem Raketentest verbunden ist, auch noch ein wenig allgemeiner verstehen. China hat sich im vergangenen Jahr als Mittler zwischen Saudi-Arabien und Iran betätigt und ist damit im Mittleren Osten erstmals ganz offen als politische Macht aufgetreten. Es hat anschließend angeboten, auch zwischen Israel und Palästina zu vermitteln; Israel lehnte dies ab. Jetzt hat Chinas Außenminister Wang Yi am Rande der UN-Generalversammlung nicht nur Libanon, sondern auch Iran chinesische »Unterstützung« gegen »äußere Kräfte« zugesagt. Dies ist zwar kaum militärisch gemeint, sondern politisch – doch auch wer sich in Nah- und Mittelost nur politisch den USA entgegenstellt, muss sich warm anziehen können. Und im Fall der Fälle in der Lage sein, sich zu wehren.
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