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Aus: Ausgabe vom 26.09.2024, Seite 8 / Ansichten

NATO-Aufklärer des Tages: WDR, NDR & SZ

Von Marc Bebenroth
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Wen die russische Marine so auf dem Radarschirm hat? Aufnahme aus dem Schnellboot »Dmitry Shishkov« (Kaliningrad, 21.6.2011)

Alles finden sie heraus: Mit »vermeintlichen« Forschungsschiffen, die »wie aus dem Nichts in Nord- und Ostsee« auftauchen, werden »systematisch Daten- und Energiekabel, militärische Infrastruktur und Windparks« ausspioniert. Das berichteten die öffentlich-rechtlichen Sender WDR und NDR sowie die Süddeutsche Zeitung am Mittwoch exklusiv. Sie waren demnach beteiligt am internationalen Rechercheprojekt »Russian Spy Ships« – ganz sicher keine Front von NATO-Militärs, Geheimdiensten oder Regierungen.

Demnach wurden 72 Forschungsschiffe mit mehr als 400 Fahrten ausgewertet, die seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022 erfolgt sein sollen. So sei die Bundespolizei im Oktober 2023 per Radar auf das russische Schiff »Gorigledzhan« im Windpark »Arcadis Ost 1« aufmerksam geworden, das seinen Transponder deaktiviert habe. Die Topjournalisten fanden heraus, dass dieses Schiff zum »streng geheimen« Tiefseeforschungsprogramm der russischen Streitkräfte gehören soll.

Gemeint ist die Hauptverwaltung Tiefseeforschung mit der netten Abkürzung GUGI. Diese ist so streng geheim, dass die englischsprachige Wikipedia erst am 1. Oktober 2022 über ihre Existenz informieren durfte. Demnach handelt es sich um die Abteilung für die Tiefsee-U-Boot-Flotte, deren Aufgabe es ist, Informationen zu gewinnen und »Anlagen auf dem Meeresboden« zu operieren.

Klingt alles nach klassischer Militäraufklärung. Ist es auch. So sollten hier nicht die mutmaßlichen Aktivitäten russischer Erkundungsschiffe bitter aufstoßen – wer ehrlich überrascht war, hebe die Hand –, sondern wer das Publikum mit der Nase darauf stoßen will. Eine Propagandakampagne, auf der nicht »westliche Geheimdienste« draufsteht, wo westliche Geheimdienste, Militärs und Regierungen drin sind, bleibt eine Propagandakampagne.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (25. September 2024 um 22:16 Uhr)
    Es ist die Pflicht dieser selbsternannten (!) Qualitätsmedien, ihre Recherchefähigkeiten zur Kontrolle der Regierenden des eigenen Landes und der EU zu verwenden und die Öffentlichkeit über deren Verfehlungen und fragwürdigen Vorhaben zu informieren. Stattdessen betätigen sich Journalisten dieser Medien schon seit Jahren als deren Verteidiger und Quasi-Pressesprecher, wie man derzeit besonders wieder in der Berichterstattung über die Grünen und deren gescheitertes Spitzenpersonal erleben kann. Anmaßung, Selbstüberschätzung und wohl auch persönlicher Geltungsdrang treiben einige dieser Journalisten inzwischen sogar dazu, die Funktion von Geheimdiensten und Polizei zu übernehmen und Staatsfeinde aufzuspüren, echte und solche, die sie dafür halten, wie im Fall der drei RAF-Mitglieder Klette, Garweg und Staub.

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