Wir nehmen euch alles weg!
Von Friedemann LietzDas 2. International Antifascist Black Metal Gathering stand unter keinem guten Stern. Und doch konnte es am 21. September im Berner Kulturzentrum Reitschule stattfinden. Im Opening Panel wurde unter der Moderation von Christina Wenig die Frage diskutiert, wie praktischer Antifaschismus im Black Metal aussehen könnte. Einleitend erzählte Veranstalter Luca Piazzalonga vom schwierigen Vorlauf. Zunächst war die Band Afsky als Headliner vorgestellt worden, was vor allem online zu viel Kritik geführt hatte. Dabei war es hauptsächlich um Israel und die als zionistisch beanstandete Haltung der Bandmitglieder gegangen. Am Ende war niemand zufrieden und die Band ausgeladen, seitdem kursieren verschiedene Darstellungen der Geschichte. Klar war nur: Das gesamte antifaschistische Spektrum im Black Metal zu versammeln hatte sich als unmöglich erwiesen. Das Treffen galt nun sowohl als zionistisch als auch als antisemitisch oder zumindest als inkonsequent und prinzipienlos.
Diskutiert wurde dann aber trotzdem, etwa mit Flo Springer von Rattenburcht, Arni Thorlakur Gudnason von Norn sowie den Herausgebern der queeren Text- und Materialsammlung »Black Metal Rainbows« Stanimir Panayotov und Daniel Lukes. Die Problematik der Vereinbarkeit von Antifaschismus und Black Metal war schließlich anhand der Veranstaltung selbst beispielhaft veranschaulicht worden. Das Panel präsentierte nun die Perspektiven verschiedenster Personen aus der Szene, die, ob queer, ob weiß oder PoC, ob männlich oder nicht, zumindest zwei Dinge einten: die Tätigkeit im Kontext von Black Metal und eine antifaschistische Haltung. Betont wurde neben allen Differenzen das Interesse an Austausch und Dialog der antifaschistischen Kräfte angesichts einer Szene, die seit ihrer stilprägenden norwegischen Phase ein Tummelplatz für Rechte geblieben ist, aller Mainstreamisierung zum Trotz. Zwar ist die finstere Hui-Buh-Ästhetik aus ihrem feuchten Kellerloch gekrochen und erfreut sich größter Beliebtheit. Die Nazis hat das aber nicht vertrieben. Entweder machen sie in ihren eigenen Kreisen einfach NSBM (»Nationalsozialistischer Black Metal«) oder stehen auf denselben Bühnen wie alle anderen Popstars und erklären Hakenkreuze zum genrespezifischen Stilmittel. Gerne wird auch der Joker Meinungsfreiheit gezogen, man kennt den Quatsch aus Kommentarspalten und von Familienfeiern.
Dazu kommt noch der stets begründete Verdacht, bei jedem Projekt, jeder Band und jedem Label irgendwann auf Faschismus zu stoßen. Meist reicht oberflächliches Kratzen, manchmal muss tiefer gegraben werden. Daher gibt es Recherchenetzwerke und Datenbanken. Wenn ein Konzert nicht in einem linksradikalen Laden stattfindet, steht mit Sicherheit nicht nur eine Person mit Merch bekannter Nazibands im Publikum. Die waren halt wichtig, die Musik ist gut, ein Mord ist schnell passiert, Werk und Künstler trennen, blabla: Die Edgelords und -ladys wissen immer eine Rechtfertigung und kommen damit meist durch – sofern überhaupt reagiert wird. Gleichgültigkeit gehört dazu.
Die Notwendigkeit antifaschistischer Szenearbeit ist also offensichtlich. Es geht um Grundsatzfragen, die die Linke überall prägen und oft lähmen. Das erste Panel zeigte, dass wohlwollende Koexistenz unterschiedlicher Ansätze grundsätzlich möglich ist. Könnten diese kombiniert werden, um sowohl linksradikale Nischen zu erhalten und zu vergrößern als auch im vorgeblich unpolitischen, kommerzielleren Teil der Szene die faschistische Präsenz zu minimieren, wäre das keine Revolution, aber doch eine spürbare Verbesserung.
Denn, das zeigte sich während der anschließenden Konzerte, es ist sehr viel angenehmer, Black-Metal-Shows ansehen zu können, ohne die Befürchtung, gerade umringt von Nazis vor einer Bühne voller Nazis einem Naziveranstalter und seinen Nazifreunden ihren Nazikram zu finanzieren. Was übrigens eine Situation ist, in die sich zu begeben gefahrlos vielen ohnehin nicht möglich ist. Morbyda stellten ihr erstes Album vor und spielten im Grunde angeblackten Speed Metal, der gut zum Reinkommen geeignet war. Die Band sah in ihren dunklen 80er-Thrash-Metal-Outfits plus Corpsepaint lieb böse und verwegen drollig aus. Anschließend beeindruckten Völva mit musikalisch wohltuend klassischem Black Metal und dem gelungenen Versuch, Queerfeminismus ein düsteres, ungefälliges und doch saucooles Erscheinungsbild zu verpassen.
Auf der kleinen Bühne stöhnte, hauchte, schrie, kreischte und verstummte geradezu hörbar Curse All Kings (einköpfig) über einer Art Very Dark Ambient Black Metal. Wieder oben auf der großen Bühne spielten dann barfüßig und energetisch Norn, laut T-Shirt Icelandic Antifaschist Blackmetal Bastards, bis man dank unablässigem Dauerblitzdonnern und zweistimmigem Keifen in Trance fiel. Der wahrscheinlich bekannteste Act Yellow Eyes zeigte sich in all seiner stacheligen Monotonie mindestens ebenbürtig. Wer dachte, die letzte Band Rattenburcht würde auf der kleinen Bühne das Niveau nicht halten können, irrte sich: Spitze Schreie, boxende Bassläufe und eine sehr punkige Interpretation bekannter Motive sorgten für ein spätes Highlight.
Wurde dem Faschismus ein empfindlicher Schlag versetzt? Nein. Doch konnten sich einige hundert Menschen ohne die Bedrohung durch extreme Rechte versammeln und Konzerte von Bands angucken, die ebendiese Musik spielen, die den Faschisten umfassend und dauerhaft weggenommen werden sollte – wie auch alles andere, das sie besetzen.
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