Rasende Zeiten
Von Gisela SonnenburgNoch schneller geht es nicht. Im Titelstück des Premierenabends »The Times Are Racing« (Die Zeiten rasen) am Hamburg Ballett vom vergangenen Sonnabend wird wortwörtlich gerast. Allerdings wird nicht nur gerannt. Sondern fast jede Sekunde ist erfüllt von komplizierten Sprüngen, Zappelbewegungen, Dehnungen und Drehungen. Am Boden wie in der Luft entfalten 20 Tänzerinnen und Tänzern stetig blitzschnell ihr Können. Zu Beginn stehen sie noch im Pulk beisammen. Dann fängt einer an, tänzerisch einen furiosen Vortrag zu halten. Der Clou: Alle tragen Turnschuhe. Als Gruppe durchleben sie eine Entwicklung, die mit völliger Erschöpfung endet. Als hätten Kinder sich ausgetobt, fallen alle zu Boden.
Choreograph Justin Peck hat mit 37 Jahren schon Preise für seine Arbeiten am Broadway erhalten. Er beherrscht sowohl die leichte Musicalmuse als auch das ernsthafte moderne Ballett. Pecks Kennzeichen: Alles ist flippig, nichts wirkt starr. »The Times Are Racing« hat er kreiert, um auf ein Grundrecht in der Demokratie hinzuweisen: Sich zusammenzurotten und seine Meinung zu sagen. Protest ist angesagt, Demonstrieren wird gefeiert. Als hätte eine Gewerkschaft dieses Werk in Auftrag gegeben. Auch die Musik von Dan Deacon – ein elektronischer Mix aus Pop, Weltmusik und Techno – stellt darauf ab: Masse ist Klasse.
Dem stürmisch gefeierten Stück gingen drei weniger eilige voran. Der erste Teil von »Adagio« von Pina Bausch zelebriert in geisterhafter Stimmung die Probleme von Paaren. Es endet mit dem scheinbar unaufhörlichen Lauf im Kreis einer einzelnen Tänzerin. Spannungen bei nur zwei Paaren bietet ein kurzes Tanzdrama von Hans van Manen. Exzellente Posen, die an Tango erinnern, wechseln mit eleganten Hebungen. Aber manchmal lässt die Frau den Mann einfach stehen und läuft davon.
Auf Paarfindungen hingegen stellt »The thing with feathers« (»Das Ding mit Federn«) des neuen Hamburger Ballettintendanten Demis Volpi ab. Zu Musik von Richard Strauss, von Vitali Alekseenok als Dirigent stark ausgelotet, laufen Menschen aufeinander zu, umarmen sich, da entspinnen sich Beziehungen. Liebe und die Sehnsucht nach Liebe bilden die Hoffnung. Es wird selbst noch getanzt, während der Vorhang fällt: Der quirlige Alessandro Frola profiliert sich als Superballerino.
Nur zwei Makel gibt es hier: belanglose Kostüme, die aussehen, als hätten Privatleute ihre Kleiderschränke entrümpelt. Und das Bühnenlicht ist durchgängig zu schwach. »Mehr Licht!« frei nach Goethe käme hier auch den Tänzern zugute.
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