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Aus: Ausgabe vom 01.10.2024, Seite 11 / Feuilleton
Nachruf

Was durch die Nacht hilft

Zum Tod des Songwriters und Schauspielers Kris Kristofferson
Von Thomas Grossman
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»A Star Is Born«: Kris Kristofferson (1976)

Es ist eine der berühmten Storys der Popgeschichte: Nachdem der noch unbekannte Musiker und Songwriter Kris Kristofferson ein Tape mit seinen Songs an Johnny Cash geschickt und lange nichts von diesem gehört hatte, landete er einfach mit einem Hubschrauber auf Cashs Anwesen. »Eine Art Invasion ins Private«, wie er später kritisch einräumte. Ob Kristofferson nun stilecht mit einem Bier in der einen Hand und einem Haufen Songs in der anderen vor seiner Tür stand, wie Cash sich erinnerte, oder nicht, der Man in Black mochte »Sunday Mornin’ Comin’ Down« jedenfalls und erreichte mit dem Song 1970 die Spitze der Country Charts. Für Kristofferson war es der Durchbruch.

Nun ist Kristofferson am Sonnabend im Alter von 88 Jahren auf seinem Anwesen in Maui, Hawaii gestorben. Er hinterlässt seine Witwe Lisa Meyers, acht Kinder und sieben Enkelkinder. Stellvertretend für die Würdigungen der Musikwelt können Dolly Partons Abschiedsworte stehen: »Was für ein großer Verlust. Was für ein großer Songwriter. Was für ein großer Schauspieler. Was für ein großer Freund.«

Aufregend war dieses Leben allerdings: Kristofferson wurde 1936 in Brownsville, Texas, als Sohn eines schwedischstämmigen Einwandererpaars geboren. Der Vater war bei der Air Force, zuletzt Major General. Da er Schriftsteller werden wollte, studierte Kristofferson Literatur am Pomona College in Claremont, Kalifornien, dann mit einem Stipendium an der englischen Eliteuni Oxford. Statt Kurzgeschichten schrieb er nun Songs, nahm die ersten auf. In der US-Army ließ er sich zum Hubschrauberpiloten ausbilden, für die Ölindustrie flog Kristofferson später zu Fördertürmen im Golf von Mexiko. Im Countrymekka Nashville arbeitete er als Hausmeister in den Columbia Recording Studios und schrieb Songs für Jerry Lee Lewis und andere, nur die ersten von Hunderten illustren Interpreten seiner Lieder. Die eigene Solokarriere aber stockte – bis eben Johnny Cash »Sunday Mornin’ Comin’ Down« vergoldete. Und bis »Me and Bobby McGee« in der Version seiner Ex Janis Joplin nach deren Drogentod im Oktober 1970 die Spitze der USA-Charts erklomm. Nun begannen sich auch Kristoffersons eigene Aufnahmen zu verkaufen. Da gab es schließlich so tolle Songs wie »Help Me Make It Through the Night« zu entdecken. Ab 1970 erschienen 18 Soloalben, er kollaborierte mit seiner zweiten Frau Rita Coolidge und Barbra Streisand, formte schließlich 1985 mit Johnny Cash, Waylon Jennings und Willie Nelson die Country-Supergroup The Highwaymen.

Der vielfältig talentierte und nicht zuletzt gutaussehende Kristofferson startete 1971 zudem eine Schauspielkarriere. »The Last Movie« (1971) von Dennis Hopper, »Pat Garrett and Billy the Kid« (1973) von Sam Peckinpah, »Alice Doesn’t Live Here Anymore« (1974) von Martin Scorsese und »A Star is Born« (1976) von Frank Pierson sind nur ein paar der eindrücklichsten seiner gut 50 Auftritte vor der Filmkamera.

Die privaten Kosten: Das Verhältnis zur Familie war zerrüttet, als Kristofferson, statt an der Militärakademie West Point Literatur zu unterrichten, lieber in Nashville Böden wischte. Die erste Ehe scheiterte wegen Kristoffersons Alkoholismus. Die zweite hielt auch nicht. Seine politische Urteilskraft aber blieb intakt: Schon der erste kleine von ihm geschriebene Hit hieß »Viet Nam Blues« (1966), und in den 80ern kritisierte Kristofferson harsch die Einmischung der USA in Nicaragua (das er auch besuchte) und El Salvador, u. a. mit seinem politischen Album »Repossessed« (1986), bei Auftritten für UNICEF und bei den Grammys 1981.

2021 beendete Kristofferson seine Karriere, da litt er bereits an Alzheimer. Wenn er schon nicht mehr auf der Bühne stehen konnte, blieb ihm wenigstens der Garten. »Das ist meine Therapie«, sagte er einmal dem US-Radiosender NPR. »Auf meinem Rasentraktor kann mir keiner was.«

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