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Aus: Ausgabe vom 05.10.2024, Seite 6 / Ausland
Nahostkonflikt

Gaza – Stuttgart – Gaza

Brief aus Jerusalem. Eine Reise zum »Fest der internationalen Solidarität«, das in diesem Jahr den Palästinensern gewidmet war
Von Helga Baumgarten
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Die Gewalt gegen Palästinenser wird in Deutschland geleugnet: Kundgebung in Stuttgart (31.7.2014)

Zum »Fest der internationalen Solidarität« in Stuttgart treffen sich Aktivisten aus der ganzen Stadt. Viele sind aber auch von weither angereist, um mit dabeizusein. In diesem Jahr gilt die Solidarität den Palästinensern, allen voran denen in Gaza: »Der jahrzehntelange Kampf des palästinensischen Volkes gegen Besatzung und für Selbstbestimmung ist ein gemeinsamer Kampf aller Werktätigen und progressiven Kräfte weltweit. Angesichts des anhaltenden Völkermords in diesem Land durch die zionistische Regierung in Israel müssen wir an der Seite Palästinas stehen und die Würde der Menschheit verteidigen. Denn dieser Kampf ist ein gerechter Kampf gegen Kolonialismus und Rassismus, gegen Vertreibung und Ausrottung, für das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes«, heißt es im Aufruf.

Deutsche mit türkischer und kurdischer Herkunft, Menschen, die für die Freiheit Kubas von der US-Unterdrückung kämpfen, junge und nicht so junge, die Solidarität mit Palästina üben und überall und immer wieder fordern, alle stehen an diesem Sonnabend zusammen im Clara-Zetkin-Waldheim etwas außerhalb von Stuttgart. Atiya R. aus Gaza ist mit dabei. Er kam Anfang der 80er Jahre zum Studium nach Deutschland und machte seinen Abschluss als Bauingenieur in Stuttgart. Dort war 1982 als Reaktion auf das Massaker von Sabra und Shatila das Palästinakomitee gegründet worden.

Atiya schloss sich dem Komitee an, wo er auch auf seine spätere Frau Verena traf. Damals demonstrierten Menschen aus allen Parteien für die Palästinenser. Und es waren große, eindrucksvolle Demonstrationen, bei denen Tausende mitmarschierten: Grüne, Sozialdemokraten, Linke, Deutsche, Türken, Palästinenser. Bald jedoch, so Atiya in unserem Gespräch am Rande des Festes bedauernd, begannen Richtungskämpfe. Entsprechend kleiner sind auch die Demonstrationen geworden: manchmal nur 100 oder 200 Teilnehmer, an den besten Tagen sind es 500. So viele erwartet er am 7. Oktober, dem Tag der Erinnerung an ein Jahr Völkermord in Gaza.

Mit dabei sein werden das Palästinakomitee, die Gruppe »Palästina spricht«, viele junge und ältere nicht organisierte Palästinenser, Deutsche, Türken, Syrer, Kurden und Menschen aus Lateinamerika und Afrika. Auch Annette Groth wird am 7. Oktober demonstrieren. Vorher fährt sie aber am 5. Oktober zum in Wien geplanten Palästina-Kongress, auf dem der palästinensische Arzt Ghassan Abu Sitta, der griechische Politiker Yanis Varoufakis, die israelische Journalistin Amira Hass und der israelische Historiker Ilan Pappé reden sollen.

Groth bringt ihre eigenen Erfahrungen mit. Sie wurde 2010 zunächst von Pax Christi auf das Solidaritätsschiff nach Gaza hingewiesen. Sie hielt die Aktion für wichtig und fuhr schließlich im Mai 2010 mit der »Mavi Marmara« von Zypern nach Gaza. Vielmehr versuchte sie, zusammen mit weiteren internationalen Aktivisten, darunter auch fünf Deutsche, auf diesem Schiff Hilfe nach Gaza zu bringen und die israelische Blockade Gazas zu durchbrechen. Der Versuch endete blutig: Die israelische Armee kaperte das Schiff und tötete dabei neun türkische Aktivisten. All dies ist für sie, als sei es erst gestern passiert: »Es war wie ein Krieg. Sie hatten Gewehre, schossen mit Tränengas – auf unserer Seite wurden nur einige Holzstöcke zur Verteidigung benutzt … Wenn die israelische Armee diesen Angriff als Selbstverteidigung stilisiert, dann ist das schlicht lächerlich.«

Zum Abschluss des Festes wird der Film »Not Just Your Picture« gezeigt. Er erzählt die Geschichte der Geschwister Layla und Ramsis Kilani, die in Siegen aufgewachsen sind und in Deutschland leben. Nachdem die Ehe mit der deutschen Mutter auseinandergegangen war, kehrte ihr palästinensischer Vater Ibrahim zurück nach Gaza. Im israelischen Krieg gegen Gaza 2014 wurden Ibrahim, dessen fünf in Gaza geborene Kinder und dessen zweite Frau bei der Bombardierung eines Hochhauses getötet. Im Film geht es um den Einsatz der Geschwister Layla und Ramsis für Gerechtigkeit für die Familie Kilani.

kurzlinks.de/Trailer-Kilani

Dies ist der 14. »Brief aus Jerusalem« von Helga Baumgarten. Brief 13 über den ersten Zionistenkongress in Basel erschien in der Ausgabe vom 28./29. September

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