Ausnahmezustand erweitert
Von Volker HermsdorfEcuadors Präsident Daniel Noboa hat am Donnerstag einen neuen 60tägigen Ausnahmezustand verhängt, der die Hauptstadt Quito und sechs der 24 Provinzen des Landes sowie eine Gemeinde in einer siebten Provinz umfasst. In mindestens 20 Orten gilt eine Ausgangssperre von zehn Uhr am Abend bis fünf Uhr morgens. Die Maßnahme soll das Vorgehen der Streitkräfte und der Polizei »gegen kriminelle Banden« erleichtern, erklärte der rechte Staatschef zur Begründung. Während der Ausnahmezustand in einigen Provinzen bereits seit Monaten in Kraft ist, gilt er jetzt auch erstmals für die rund 2,8 Millionen Einwohner der Hauptstadt.
Anfang des Jahres hatte Noboa den Kampf gegen das organisierte Verbrechen zu einem »internen bewaffneten Konflikt« erklärt und die Drogengangs als »terroristische Gruppen und kriegerische nichtstaatliche Akteure« eingestuft. Seit dem 8. Januar begründet der Bananenunternehmer damit regelmäßig die Anordnung des Ausnahmezustandes per Dekret, teilweise über das gesamte Land. Am Donnerstag ergriff er zum achten Mal in diesem Jahr die Möglichkeit, damit auch die Rechte der Bürger einzuschränken. In den betroffenen Gebieten werden im aktuellen Fall für 60 Tage die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Brief- und Postgeheimnis sowie die Versammlungsfreiheit ausgesetzt. Militär und Polizei können mit der Begründung, nach versteckten Verdächtigen zu suchen, ohne richterliche Anordnung in Wohnräume eindringen. Der erneute Angriff auf Bürgerrechte wird vermutlich abermals vom Verfassungsgericht überprüft werden. In den vergangenen Monaten hatte das Gericht den Ausnahmezustand bereits zweimal mit der Begründung aufgehoben, dass die Ausrufung eines »internen bewaffneten Konflikts« kein ausreichender Grund für diese Maßnahmen sei.
Unter dem von 2007 bis 2017 regierenden linken Präsidenten Rafael Correa galt Ecuador noch als sicherstes Land Lateinamerikas. Unter seinen rechten Nachfolgern Lenín Moreno und Guillermo Lasso wurde das rund 18 Millionen Einwohner zählende Land als Folge der durch deren neoliberale Maßnahmen verursachten Armut, Arbeitslosigkeit und sozialen Ungleichheit jedoch zur Region mit der höchsten Mordrate auf dem Kontinent. Mit 47,2 Tötungsdelikten pro 100.000 Einwohner war die Zahl im Jahr 2023 achtmal höher als 2016. Nahezu jede Stunde stirbt dort heute ein Mensch durch kriminelle Gewalt. Dies sei auch auf den zunehmenden Einfluss von Banden zurückzuführen, die hauptsächlich im Drogenhandel tätig sind, aber auch im illegalen Bergbau Fuß fassen, so die spanische Agentur Efe am Mittwoch.
Noboa setzt vier Monate vor den für den 9. Februar 2025 angesetzten Präsidentschaftswahlen offenbar darauf, dass das Bedürfnis nach Sicherheit mittlerweile höher im Kurs steht als das nach Bürgerrechten und Unabhängigkeit von ausländischen Mächten. Mitte September kündigte er eine Verfassungsreform an, um die seit 2009 verbotene Errichtung ausländischer Militärbasen wieder zu ermöglichen. Als »Reaktion auf die Bedrohung durch die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität«, behauptet er. Sein Regierungsminister Arturo Félix begründete den neuen Ausnahmezustand auf einer Pressekonferenz zunächst damit, dass »der Oktober, historisch gesehen, der gewalttätigste Monat des Jahres« sei. Dann habe er jedoch hinzugefügt, dass das Land kurz vor den Präsidentschaftswahlen stehe und die Regierung es nicht zulassen könne, dass kriminelle Gruppen »inmitten des Wahlkampfes die Straßen aufheizen«, berichtete das örtliche Nachrichtenportal Primicias.
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