»Businessmodell« Gesundheitssystem
Von Kim NowakGehälter und Löhne in der Schweiz sind zwar deutlich höher als in der Bundesrepublik, die Lebenshaltungskosten allerdings ebenso. Und die Bevölkerung in der Alpenrepublik wird zusätzlich von steigenden Kosten nicht verschont. Seit einigen Monaten etwa wird über eine Erhöhung der Prämie der Krankenkassen diskutiert. Das Schweizer Krankenkassensystem besteht aus drei Säulen: die Franchise, der Selbsterhalt und die erwähnte Prämie. Bei der Franchise handelt es sich um einen jährlichen Fixbeitrag von mindestens 300 Franken (318,64 Euro), eine gesetzliche Grenze nach oben gibt es nicht. Je tiefer die Franchise ausfällt, desto höher wird die dritte Säule der Prämie – umgekehrt genauso. Bei der Säule des Selbsterhaltes handelt es sich um die private Übernahme von Behandlungskosten, sobald die Franchise ausgeschöpft ist. Dieser beträgt allerdings nicht mehr als 700 Franken (743,49 Euro) pro Jahr. Die dritte Säule, um die sich die Diskussion in der Schweiz dreht, ist die Prämie. Dieser Kostenfaktor dient zur Finanzierung der Grundsicherung, die von jedem gesetzlich Krankenversicherten getragen werden muss. Die Höhe dessen ist von Kanton zu Kanton sowie der Wahl der Krankenkasse teils deutlich verschieden.
Worum geht es nun? Im kommenden Jahr soll der mittlere Monatsbeitrag der Prämien um sechs Prozent steigen, das heißt etwa 21,60 Franken (22,49 Euro) mehr Selbstbeteiligung. Der Mittelwert speist sich aus der Zusammenrechnung aller Versicherten. Der Unterschied zwischen den Kantonen ist jedoch teilweise massiv: Während man in Basel-Stadt durchschnittlich 456,20 Franken (494,10 Euro) blechen muss, liegt die niedrigste Prämie in Appenzell Innerrhoden bei 257,90 Franken (273,92). Der Grund der Erhöhung? Der Erhalt und Ausbau des Gesundheitswesens werden immer teurer. Befürworterin der Kostensteigerung ist unter anderem die rechte Schweizerische Volkspartei (SVP), die die Prämienverbilligung als »Bürokratiemonster« bezeichnet. SVP-Nationalrat Rémy Wyssmann betonte in der Diskussionssendung »Arena« des SRF vom vergangenen Freitag: »Es braucht einen Systemwechsel.« So wollen die Rechten die staatliche Regulierung der Kosten auf Private verlagern.
Gegen die als »Reform« verschleierte Kostenerhöhung positionieren sich die Grünen und die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP). So schlägt Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber (Grüne) eine »Einheitskasse« vor, deren Beitrag vom monatlichen Einkommen abhängig sein soll. Die Kritik der Sozialdemokraten war deutlicher. Im Interview mit dem SRF am vergangenen Sonnabend sagte Nationalrätin Samira Marti, dass »das Gesundheitssystem vermehrt zum Businessmodell« werde. »Ein Fünftel der Leute in der Schweiz sagt, sie hätten im letzten Jahr auf eine ärztliche Untersuchung verzichtet«, so die Sozialdemokratin weiter. Der offensichtliche Grund: aus finanziellen Gründen.
Ein weiterer Vorschlag zur vermeintlichen Entlastung des Gesundheitssystems ist die einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Leistungen (EFAS). Derzeit werden ambulante und stationäre Behandlungen in Krankenkassen unterschiedlich finanziert. Unter einer ambulanten Behandlung versteht man, wenn die Patienten noch am selben Tag das Krankenhaus verlassen. Beim Leistungsanspruch einer stationären Behandlung müssen die Patienten mindestens einmal im Krankenhaus übernachten. Die einheitliche Finanzierung solle die Leistungsträger entlasten, argumentiert die SVP, die stark für die »Reform« lobbyiert. Dem stellt sich besonders die Dienstleistungsgewerkschaft VPOD entgegen. Prelicz-Huber, die ehemalige Präsidentin von VPOD ist, argumentiert, dadurch würden letztlich »Leistungen gekürzt oder Prämien erhöht«. Um die einheitliche Finanzierung der Leistungen zu verhindern, darüber werden die Wähler der Alpenrepublik am 24. November entscheiden, wird die Dienstleistungsgewerkschaft noch keine bestimmten Maßnahmen ergreifen. Es bleibt also spannend.
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