Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 07.10.2024, Seite 1 / Titel
DDR 75

»Die DDR hat niemals Krieg geführt«

Kein Märchen: Vor 75 Jahren gegründet, bestand östlich der Elbe 40 Jahre lang ein deutscher Friedensstaat, der sich an einer anderen Gesellschaftsordnung versucht hat. Das soll in Abrede gestellt werden
Von Daniel Bratanovic
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Großdemonstration zum 1. Mai in Berlin, Hauptstadt der DDR

Es war eine wohl vergebliche Bitte. Als Egon Krenz am Sonnabend im Berliner Kino Babylon zur Frage »75 Jahre DDR. Was bleibt?« referierte (ein Auszug seiner Rede findet sich auf Seite drei), räumte er ein, den Arbeiter- und Bauernstaat möglicherweise zu idealisieren. Was er aber von Wissenschaftlern, Politikern und Medienschaffenden der Bundesrepublik erwarte, das sei »ein objektives und geschichtlich gerechtes Urteil über die DDR«. Sein Plädoyer dürfte bei den Angesprochenen ungehört verhallen, auch wenn oder gerade weil sie seine Rede zur Kenntnis genommen haben sollten.

Daniel Friedrich Sturm, Leiter des Hauptstadtbüros des Berliner Tagesspiegels, wähnte sich jedenfalls in einer »Märchenstunde mit Egon Krenz« und wollte vom ehemaligen SED-Generalsekretär und Staatsratsvorsitzenden der DDR ein Lob auf Stalin gehört haben. Leute wie Sturm scheinen desinteressiert an dem, was seine eigene Zeitung immerhin zum Motto erhoben hat: Die Ursachen der Dinge erkennen.

Was waren die Gründe dafür, dass die Deutsche Demokratische Republik vor nun genau 75 Jahren in die Weltgeschichte eintrat? Was waren die Leistungen und auch Verfehlungen des anfangs antifaschistisch-demokratischen, später sozialistischen Staates? Aus den Erinnerungen Hunderttausender Bürger östlich der Elbe ließe sich etliches benennen, was aber immer noch nicht Teil des öffentlichen Gedächtnisses sein darf. Der einstweilen gescheiterte Versuch, eine andere Eigentumsordnung zu etablieren, eine andere Produktionsweise jenseits von Profit und Ausbeutung, soll in der kapitalistischen Bundesrepu­blik der Verdammnis anheimfallen.

Und noch etwas steht quer zur Politik des übriggebliebenen deutschen Staates: »Die DDR hat niemals Krieg geführt. Sie war der deutsche Friedensstaat«, wie Krenz in seiner Rede unterstrich. Angesichts einer seit 1949 nicht erlebten Aufrüstung und Kriegsrhetorik in diesem Land ist es nötig, an diese unverrückbare Tatsache zu erinnern.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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  • Leserbrief von Ulrich Sander aus Dortmund (8. Oktober 2024 um 12:25 Uhr)
    Kurt Tucholsky reimte vor über 90 Jahren: »Wahrheit breitet sich nicht aus / hast die Zeitung du im Haus.« Unsere Geschichtslehrerin, die in jenen Jahren Abitur machte, riet uns, dennoch nicht zu verzagen: Ihr müsst lernen, zwischen den Zeilen zu lesen. Also dann: Ich las in den Dortmunder Ruhrnachrichten, am 7. Oktober vor 75 Jahren sei mit der Gründung der DDR die Teilung Deutschlands vollzogen worden. Ich brauchte nicht zwischen den Zeilen zu lesen, sondern nur einige Zeilen darunter dies: Die Gründung der Bundesrepublik erfolgte im Mai 1949. Was war nun früher da und teilte das Land? Einer, der viele Zeilen schrieb und drucken ließ, war der Spiegel-Chef Rudolf Augstein. Er schrieb 1961 in »Bilanz der Bundesrepublik« ausnahmsweise ganz offen: »Die neue deutsche Armee wurde nicht gegründet, um den Bonner Staat zu schützen, sondern der neue Staat wurde gegründet, um eine Armee gegen die Sowjets ins Feld zu stellen.« Das scheint noch immer zu gelten, wenn es auch heute »Russen« statt »Sowjets« heißt. Über die Rolle dieser Bundeswehr plauderte ein anderer Eingeweihter am 24. Oktober 1964 in der FAZ aus: »Nicht Landesverteidigung darf der Programmpunkt unserer Sicherheit heißen. Der einzige militärische Auftrag, den sie zu erfüllen vermag, (sei) Zünder zu sein für die große Explosion.« So der damalige Generalinspekteur Ulrich de Maiziere, vormals bis 1945 mit Chefposten im Generalstab der Naziwehrmacht betraut.
  • Leserbrief von Roland Winkler aus Aue (8. Oktober 2024 um 12:02 Uhr)
    Frieden, erstes Menschenrecht erkämpfen, eine noch vergebliche Bitte. Was bleibt? Die unumstößliche Tatsache, auf noch so unsicherem, schwierigem, fehlerhaftem Weg in eine sozialistische gesellschaftliche Realität, sind die objektiven Bedingungen von Beginn an für eine Entwicklung, für den Erhalt und die Schaffung von Frieden real gegeben.
    Sehen wir uns im vereinten Deutschland, die sogenannte Wertegemeinschaft, um, es hat gut drei Jahrzehnte gebraucht, dass Frieden nahezu als Unwort gilt. Krieg erklären uns Märchenererzähler des Berliner Tagesspiegels als Weg zum Frieden. Was sollten wir an Friedensrealität die DDR idealisiert betrachten, im Kampf um das Menschenrecht Frieden? Wir können rückblickend wie aus Sicht heutiger Forderungen nach imperialer Kriegstüchtigkeit die objektive Möglichkeit bewiesen sehen, daß dauerhafter Frieden keine ewige Illusion sein muß unter sozialistischen gesellschaftlichen Bedingungen. »Immer doch schrieb der Sieger Die Geschichte der Besiegten. Dem Erschlagenen entstellt Der Schläger die Züge. Aus der Welt Geht der Schwächere, Und zurückbleibt Die Lüge«, lesen wir bei B. Brecht. Ist das nicht seit Jahrzehnten die Erfahrung, Erleben aller derer, die im Sozialismus, die mit der DDR eine große Hoffnung der Menschheit sahen? Diese Hoffnung bleibt, ist nicht aus der Welt, kann nicht weggelogen werden. Die Hoffnung, erster Versuch, den historischen Schritt in eine Gesellschaft ohne Ausbeutung, in eine menschengerechte Gesellschaft zu wagen, das kann nicht mehr nur Idealisiertes sein, weil es Aufgabe der Menschheit ist. Wir mögen hier und da geschönt auf die DDR zurückblicken. Wir dürfen aber nie vergessen, wozu nur eine DDR auf dem Weg vom Ich zum Wir fähig und in der Lage gewesen ist. Mit dem gesellschaftlichen Blick, gesellschaftlich vereinter Individuen sind wir an der Klassenfrage, die über die Zukunft entscheidet. »Sag mir wo du stehst« singt Hartmut König. Wissen woher man kommt, wohin man gehört, da ist nichts zu idealisieren. Ein Unding zu erwarten, Eliten und Speichellecker des Kapitals wären bereit, ein objektives, ehrliches Geschichtsbild und Urteil über die DDR wie auch die BRD zu fällen. Erinnern wir sie doch an das, was sie 1989 an Verheißungen dem Volk im Osten versprachen. Keine Feindbilder, keine Krisen, kein Machtanspruch, keine Parteiendiktatur mehr, wurde bis in die Linke als Hoffnung getragen. Wie steht es um die Realität heute und wie macht sich eine DDR nach 75 Jahren ihrer Gründung im geschichtlichen Urteil aus? Ein gewaltiges Einheitsdenkmal soll in Berlin Geschichte verkörpern? Welche und wessen Geschichte? Es kann nur ein Lügendenkmal sein.
    Keine Kriege mehr, blühende Landschaften, Demokratie und Menschenrechte, keine Mangelwirtschaft, Wohlstand, Freiheit, Recht, Meinungsfreiheit. Was ist die gesamtdeutsche tägliche Wirklichkeit nach mehr als drei Jahrzehnten, am 75. Gründungstag der DDR, wenn sich DDR-Bürger zurückerinnern? Kapitalistische Realität hat Ostdeutsche eingeholt. Regierende, Ideologen, Soziologen, Ostbeauftragte, Wissenschaftler wundern sich darüber, dass in einer nicht mehr existierenden DDR noch große Bevölkerungsteile sich betrogen fühlen, sich anders als verordnet an ihre DDR-Zeit erinnern, politische Alternativen suchen. Bewusstsein für eine bessere Gesellschaft jenseits des Kapitalismus, sozialistisch-kommunistisches Denken, Fühlen, Handeln zu entwickeln ist unvergleichlich schwerer als Antikommunismus, Hass, Angst, Dummheit, Verdummung in die Köpfe zu tragen.
    »Der Communismus als positive Aufhebung des Privateigentums als menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des menschlichen Wesens durch und für den Menschen. Dieser Kommunismus ist als vollendeter Humanismus das aufgelöste Rätsel der Geschichte und weiß sich als dessen Lösung.« Marx 1844
  • Leserbrief von Jakob A. aus Berlin (8. Oktober 2024 um 03:56 Uhr)
    Liebe Leute, bei aller Liebe, was ist das für ein kontextloser Unsinn? Was soll mir oder der Welt die Artikelüberschrift in Form des Zitates von Krenz sagen? So: die alte BRD hat auch niemals Krieg geführt. Und jetzt? Was wissen wir dadurch mehr über diese beiden Staaten? Macht das beide jetzt zu »Friedensstaaten«? Jede und jeder mit einem Minimum an Geschichtswissen weiß doch um die damalige politische Lage. Gegen wen hätte die DDR denn Krieg führen können, es aber aus Friedensliebe nicht getan? Rundherum sozialistische »Bruderstaaten« oder aber eben die NATO. Bleiben Schweden und Finnland. Wäre das gegangen? Natürlich nicht, die Flotte der DDR war überschaubar klein und für soetwas nicht geeignet. Viel wichtiger aber: Die DDR war doch überhaupt nicht frei in ihrer Außen-, und Verteidigungspolitik. Ohne Befehl oder zumindest Segen aus Moskau ging außenpolitisch wenig und verteidigungstechnisch nichts. Die NVA (Armee der DDR) war in Moskau fest eingeplant als Bollwerk gegen den Westen oder Unterstützung bei der Niederschlagung von Aufständen in Nachbarstaaten. Nicht als Offensivkraft für Kriege in z. B.: Zentralasien. Darum hat die DDR »niemals Krieg geführt«. Das ist der Grund. Mehr sagt es über die DDR nicht aus. Zu anderen Problemen mit diesem Friedensnarrativ, wie etwa der Militarisierung der DDR-Gesellschaft, will ich mich hier gar nicht äußern, das führte zu weit. Aber, wenn der Autor von (westdeutschen) Kommentatoren, zurecht übrigens, Fairness und Genauigkeit fordert (sind meine Worte, aber sinngemäß gewählt) in der Beschreibung der DDR, erwarte ich von ihm, dass er zumindest Kontext liefert, was die junge Welt ja eigentlich gut kann. Und, wenn schon Krenz’ Rede zitiert wird, darf man sie auch kritisch zitieren und kann trotzdem seinen Punkt machen. Das DDR-Friedensnarrativ ist aber so oder so nicht haltbar: ohne Kontext klingt »niemals Krieg geführt« ganz gut, mit Kontext klingt es wie eine leere Phrase, die für etwas instrumentalisiert wird.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gerhard R. H. aus Halberstadt (8. Oktober 2024 um 16:39 Uhr)
      Eine historische Tatsache als »kontextlosen Unsinn« zu diskreditieren, ist schon harter Tobak. Es ist ein unumstößlicher Fakt, dass die DDR und mit ihr die NVA, niemals fremden Boden für kriegerische Zwecke betreten hat. Und, dass es die von einer Wehrmachtsgeneralität gegründete Bundeswehr (BW) bis 1990 nicht tat- oder besser gesagt- nicht tun konnte, war einzig und allein der militärischen Stärke der Staaten des Warschauer Vertrages, deren fester Bestandteil die Nationale Volksarmee der DDR war, zu verdanken. Heute so zu tun, als sei die Bundeswehr als fester Bestandteil des Aggressors NATO ebenfalls eine »Friedensarmee«, ist schlicht lächerlich, zu Hauf in der Praxis, widerlegt worden. Kaum dass sich die Staaten des Warschauer Vertrages aufgelöst, die Deutsche Demokratische Republik in feindlicher Gesinnung vom Westen geschluckt und mit ihr die erste und einzige Friedensarmee auf deutschem Boden verschwunden war, führte die Bundeswehr, gemeinsam mit der NATO den ersten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nach dem 8. Mai 1945 in Europa. Hinzu kamen – obwohl doch die BW lt. GG eine reine »Verteidigungsarmee« sein soll – die vielfachen Einsätze der BW in fremden Ländern, wie Afghanistan, am Horn von Afrika, in der DR Kongo usw. Das ist jedoch nicht alles: Bereits vor 1990, in den Hochzeiten des Kalten Krieges, gab es von Seiten der »friedliebenden« NATO, die BW inbegriffen, Angriffspläne gegen die Deutsche Demokratische Republik, wie u. a. »DEKO 2«. Dieser perfide Plan, der unweigerlich, wie auch andere Provokationen, zum dritten Weltkrieg geführt hätte, fand Eingang in den Fernsehfilm »For Eyes only«. Ich persönlich, und man möge mich gerne widerlegen, kenne nicht einen einzigen Plan der NVA, in dem es darum ging, den, auf Weisung der USA und GB geründeten, westdeutschen Separatstaat, militärisch anzugreifen. Das ist der eindeutige Beweis dessen, dass die NVA der DDR die einzige deutsche Armee des Friedens- und zwar aller Zeiten war.
  • Leserbrief von Roland Winkler aus 08280 Aue (7. Oktober 2024 um 18:11 Uhr)
    Es erstaunt, wie selbst unter politisch denkenden, links orientierten Lesern einer jungen Welt und selbst bis in Kreise der DKP die Ansicht bzw. klare und eindeutige Lüge kursiert, die NVA der DDR sei am 22. August 1968 in die CSSR einmarschiert. Manchen GenossenInnen konnte ich überzeugend sagen, dass es nicht der Fall gewesen ist. Warum? Am 22. August 1968 stand ich selbst mit meiner Einheit der NVA an der Grenze zur CSSR für alle eventuellen Fälle. Bekanntermaßen war auch die Bundeswehr in Bereitschaft an den Grenzen zur CSSR. Einen Einmarsch der NVA hat es nie gegeben, aber unablässig wird es behauptet von Leuten, die es nie wissen konnten, oder von wem? Wer plappert was schon Jahrzehnte nach, ohne zu wissen? Im Übrigen war die DDR Mitglied in einem Miltärpakt mit allen Verpflichtungen. Wäre es gegen Völkerrecht gewesen, wenn je nach Entwicklung damals ein Bündnisfall eingetreten wäre? Wie oft redet sich eine NATO gern einen Bündnisfall herbei. Das wäre wohl immer in Ordnung, nur ein Warschauer Vertrag, für den wäre es undenkbar und Verbrechen?
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (7. Oktober 2024 um 09:36 Uhr)
    »Der einstweilen gescheiterte Versuch, eine andere Eigentumsordnung zu etablieren, eine andere Produktionsweise jenseits von Profit und Ausbeutung, soll in der kapitalistischen Bundesrepublik der Verdammnis anheimfallen«. Hier irrt Bratanovic. Eine andere Eigentumsordnung, eine andere Produktionsweise jenseits von Profit und Ausbeutung wurde etabliert und hat es in der DDR tatsächlich gegeben. Es war auch kein »Versuch«, wie gerne gesagt wird. Als Versuch könnte man noch die Pariser Commune bezeichnen. Aber schon Marx hat die Schlüsse daraus gezogen und diese wurden von Lenin und Stalin umgesetzt. Die DDR ist auch genauso wenig »gescheitert« wie die Sowjetunion. Gorbatschow »ein Verräter ohnegleichen« (Gerhard Feldbauer, 5. Oktober 2024) in seiner Rede in Ankara 1999: »Mein Lebensziel war die Zerschlagung des Kommunismus, der eine unerträgliche Diktatur über das Volk ist. (…) Ich musste die gesamte Führung der KPdSU und der UdSSR entfernen. Ich musste auch die Führung in allen sozialistischen Staaten beseitigen. Mein Ideal war der Weg der sozialdemokratischen Parteien. (…) Ich fand für die selben Ziele Mitarbeiter. Es waren vor allem Jakowlew und Schewardnadse, die gewaltige Verdienste an der Niederwerfung des Kommunismus haben.« Kurt Gossweiler in »Genosse Domenico Losurdos ›Flucht aus der Geschichte‹«: »Wer vom Revisionismus nicht reden will, soll auch über die Ursachen des Untergangs der Sowjetunion schweigen.«
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in H.-J. R. aus Berlin (8. Oktober 2024 um 01:02 Uhr)
      Herzlichen Dank, Franz! Deine prägnante Argumentation zeugt von proletarischem Klassenbewusstsein im Sinne des dialektischen und historischen Materialismus. Ich war mit Kurt Gossweiler gut bekannt und verdanke ihm wie auch Gerhard Feldbauer viele, den Horizont erweiternd geschichtlich aktuelle Zusammenhänge. In der Tat halte ich es für revisionistisch herabsetzend, von einem Versuch zu sprechen. Dahinter steckt ja neben illusionärem Besserwissertum, den Sozialismus als Wissenschaft diskreditieren zu wollen, mit dem Ziel, dass er eine Utopie sei. Natürlich hatten wir mit den Muttermalen aus der Vergangenheit zu tun, die aber in unmittelbarer Nachbarschaft politisch-ideologisch, ökonomisch, kulturell und militärisch Klassenkampf bescherten. Der Klassengegner zog alle Register, was er heute verblendend täglich im Wissen um seinen Untergang in Angst aggressiver denn je praktiziert. Der Sozialdemokrat Brandt bezeichnete als Regierender Bürgermeister von West-Berlin diesen Teil der Stadt als »Pfahl im Fleisch der DDR«. Und was später folgte, hieß »Wandel durch Annäherung« mit Egon Bahr. Das waren Konzeptionen. Eine andere übrigens ließ J. F. Kennedy bei seinem Westberlinbesuch unter seinen jubelnden Narren verkünden, als er rief: »Ich bin ein Berliner!« Das hieß nichts anderes, als dass der USA-Imperialismus die BRD mit ihrer Frontstadt als sein zu Hause betrachtet. Zuvor war es der Marshallplan sowie die in den USA gedruckte Spalterwährung D-Mark – heute beweisen dies Blackrock, Amazon, Microsoft … und natürlich die NATO beispiellos. Im »Wandel durch Annäherung« sind wir zunehmend auf den Nebel in der Sprache des Klassenfeindes durch komplizierte ökonomische Befindlichkeiten, die auch Erpressung gegen uns zum Inhalt hatten, hereingefallen und ließen ideologisch Abstriche zu. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass der Sozialismus mit sozialistischer Arbeit an genossenschaftlichem wie vor allem Volkseigentum, Alltagskultur und Kunst wahr geworden war.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (6. Oktober 2024 um 20:52 Uhr)
    Unter dem Motto »De mortuis nihil nisi bene« – über die Toten entweder nichts oder nur Gutes – feiert ihr, die einstigen Anhänger der DDR. Dazu möchte ich drei kurze Anmerkungen machen: Erstens: Die DDR-Armee marschierte 1968 in die Tschechoslowakei ein. Dass dies nicht in einen Krieg ausartete, lag nicht an der DDR oder ihren Verbündeten, sondern allein an den Einheimischen, die klugerweise entschieden, sich dem Kampf gegen die überwältigende Übermacht der »Bruderstaaten« zu entziehen. Zweitens: In der DDR herrschte eine politische Friedhofsruhe – das hatte jedoch nichts mit Demokratie oder freiheitlichem Frieden zu tun! Drittens: Eine persönliche Schlussfolgerung: In der DDR konnte ich »Bombengeschäfte« machen – in einer Mangelwirtschaft nicht allzu schwer –, und solange ich mich politisch nicht engagierte, interessierte sich das Finanzamt nicht für mich. In der BRD hingegen genieße ich politische Freiheit, aber das Finanzamt hält mich an einer sehr kurzen Leine!
    • Leserbrief von A. Katz aus Berlin (7. Oktober 2024 um 13:55 Uhr)
      »Dazu möchte ich drei kurze Anmerkungen machen: Erstens: Die DDR-Armee marschierte 1968 in die Tschechoslowakei ein …« Das ist, mit Verlaub, totaler Blödsinn, sind fake – news und schon lange widerlegt. Ein bisschen googlen könnte Ihnen da nicht schaden. Ich war übrigens damals im August 68 als knapp 10jähriger mit meinem Fußballverein, der ASV Vorwärts Leipzig, (sic!) in Bärenstein nahe der Grenze zur ČSSR im Ferien- und Trainingslager. Am 23.08. wurden wir im Morgengrauen mit zwei NVA-LKW Hals über Kopf nach Leipzig zurücktransportiert. Ich kann mich noch an die harten Bänke erinnern … kein Vergleich zur Hinfahrt, die wir im Ikarus-Mannschaftsbus unser DDR-Ligamannschaft absolvierten. Auf Ihre zwei anderen Punkte lohnt es sich nicht einzugehen.
      • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (7. Oktober 2024 um 14:47 Uhr)
        Die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 war eine Operation des Warschauer Pakts, wo auch die DDR Mitgliedsstaat war, um die Reformbewegung zu unterdrücken. Zwar nahm offiziell die DDR nicht direkt mit Truppen an diesem Einmarsch teil. Jedoch war die Nationale Volksarmee (NVA) der DDR sehr wohl in die Operation involviert, allerdings indirekt. Die DDR stellte logistische Unterstützung bereit und bereitete ihre Truppen an der Grenze vor, falls ein Einsatz erforderlich gewesen wäre. Am 21. August 1968 befanden sich Einheiten der NVA in Alarmbereitschaft, und es gab auch Grenztruppenbewegungen, aber ein tatsächlicher Einmarsch in die Tschechoslowakei erfolgte nicht.
        • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (7. Oktober 2024 um 16:01 Uhr)
          Die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 war eine Operation des Warschauer Paktes, wo auch die DDR Mitgliedsstaat war, um die Reformbewegung zu unterdrücken. »Der Warschauer Pakt vereinte eine Staatenkoalition, welche in ihrem Interesse militärisch handelte.« Na, wo gibt es denn so etwas? Wie kann man so etwas nur tun? Die Iraker werden bezeugen können, dass so etwas im demokratischen Westen ausgeschlossen ist. Von 1968 haben sich die Tschechen seelisch immer noch nicht erholt, obwohl sie ja nun glücklich mit dem Land in der NATO gegen Russland verbündet sind, von dem sowjetische Truppen sie befreiten, mit über 10.000 Toten bei der Prager Operation 1945. Nach der Oktoberrevolution waren tschechische Truppen neben deutschen Freikorpstruppen und Interventionseineinheiten aus zahlreichen westlichen Ländern in Russland zwischen 1918 und 1920 militärisch engagiert, um dem sowjetischen Frühling (!) Lenins ein Ende zu bereiten. Na, wer wird sich denn in Angelegenheiten anderer Länder militärisch einmischen? Die Tschechen hatten die Transsibirische Eisenbahn unter Kontrolle und versenkten den einzigen Eisbrecher Russlands, der noch unter dem Zaren für eine Million Goldrubel gebaut worden warn auf dem Grund des Baikalsees. Anschließend lieferten sie ihren vormaligen Verbündeten Koltschak an die Bolschewiki aus, um freies Geleit an die pazifische Küste zu erhalten. In Russland redet man davon gar nicht. Aber 1968 gab es deswegen, weil die Führung in Moskau 1918 und 1945 im Gegensatz zu den Tschechen eben nicht vergessen hatte und befürchtete, die Tschechoslowakei könnte die Seiten wechseln und erneut gegen Russland rüsten. Wie hellsichtig!
        • Leserbrief von C. Hoffmann (7. Oktober 2024 um 15:16 Uhr)
          Man könnte den Prager Frühling auch als frühe Version der heute gängigen Farb»revolutionen« interpretieren. Alarmbereitschaft ist eine Sache, Einmarsch eine andere. Sie hat niemals Krieg geführt, die kleine, mausgraue DDR, die viel bunter war, als man dem Westen glauben macht.
          • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (8. Oktober 2024 um 12:52 Uhr)
            Sehr richtig. Der demagogische Begriff vom »Prager Frühling« ist eine Erfindung des Wertewestens. Er war nichts weiter als der Versuch eines »Regime Change«, wie es ihn 1953 in der DDR, 1956 in Ungarn, in den 80er Jahren in Polen und in diesem Jahrhundert in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien und 2014 in der Ukraine gab. Das dumme Geschwätz von irgendwelchen »Farbrevolutionen« ist nur eine Verschleierung der Tatsache, dass der Westen unter Führung seines Hegemons die Welt unter seiner Kontrolle halten will.
            • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (8. Oktober 2024 um 14:31 Uhr)
              Meiner Meinung nach ist diese Auffassung nicht zutreffend. Die Tschechoslowakei war 1968 einer der fortschrittlichsten sozialistischen Staaten der Welt. Mit vollem Recht strebte die Bevölkerung nach einem humaneren Sozialismus, der sich von den starren Vorgaben des leninistischen, geschweige denn stalinistischen Dogmas abheben sollte. Der Prager Frühling war Ausdruck dieses Wunsches nach mehr Freiheit und einer Reform des Systems, das die Bedürfnisse der Menschen stärker in den Vordergrund rückte, anstatt in ideologischen Zwängen verhaftet zu bleiben. Die Reformen zielten auf eine demokratischere und offenere Gesellschaft ab, in der Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Pluralismus im Sozialismus möglich sein sollten. Der »Sozialismus mit menschlichem Antlitz«, wie ihn Alexander Dubček vorschlug, beinhaltete Reformen, die wirtschaftliche und politische Freiheiten vorsahen, ohne die Grundlagen des sozialistischen Staates aufzugeben. Das Streben nach Reformen war nicht nur ein Ausdruck der Sehnsucht nach mehr individueller Freiheit, sondern auch ein Versuch, den Sozialismus zu modernisieren und an die veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Die militärische Niederschlagung des Prager Frühlings durch die Sowjetunion zeigte, dass die führenden sozialistischen Staaten jeglichen Versuch, den Sozialismus zu reformieren, als Bedrohung für das gesamte Ostblocksystem ansahen.
              • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (9. Oktober 2024 um 13:43 Uhr)
                »Die Reformen zielten auf eine demokratischere und offenere Gesellschaft ab, in der Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Pluralismus im Sozialismus möglich sein sollten.« Das impliziert die Behauptung, dass all das in den anderen sozialistischen Ländern vor dem »Prager Frühling« pauschal nicht möglich gewesen sein soll. Also erstens war das in jedem Land anders, beispielsweise in der DDR freier als in der UdSSR, in Polen und Ungarn freier als in Rumänien, um einige Beispiele zu nennen. In Jugoslawien habe ich es erlebt, dass bei einer Generalprobe das Orchester per »Arbeiterselbstverwaltung« in eine dreistündige hitzige Diskussion darüber verfiel, was man am Abend spielen solle. Als machtloser Gastdirigent schaute ich diesem Schauspiel erweiterter Meinungsfreiheit interessiert aus dem Parkett zu. Zweitens herrscht ja immer nur die Vergleichsmöglichkeit zwischen zwei real existierenden Systemen. Wo ist die Pluralität im politischen System der USA oder in London? Warum wird bei Meinungsfreiheit junge Welt vom Verfassungsschutz beobachtet? Versuchen sie jetzt mal, im Betrieb eine Versammlung abzuhalten mit Diskussionen zu Produktionsabläufen, und ihre Vorgesetzten zu kritisieren. Die DDR war ein Meckerparadies. Und jetzt? Klappe halten, oder du bist entlassen. Die meisten machen sich laut Arbeitsvertrag strafbar, wenn sie irgendwelche innerbetrieblichen Details an Außenstehende verlauten lassen. Derartige Paragraphen oder Maulkörbe kannten wir im Sozialismus nicht. Urteilt die Justiz bei Meinungsäußerungen und Demos zu Kriegen in der Ukraine und in Gaza gleichermaßen objektiv und wendet die gleichen Maßstäbe an oder urteilt sie politisch? Warum wird sie bei Wahrnehmung der Meinungsfreiheit oder des Demonstrationsrechtes überhaupt aktiv? Zugegeben, man kann jetzt laut die Ablösung der Regierung fordern. Auch die Wahlen sind freier. Dies gilt allerdings nur solange wie sich nichts ändert und kein Allende an die Macht kommt. Sonst redet Pinochet Tacheles.
              • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (9. Oktober 2024 um 12:24 Uhr)
                Die Parole vom »Sozialismus mit menschlichem Antlitz« (was impliziert, das der Sozialismus an sich unmenschlich ist), der Sie hier entweder auf den Leim gehen oder die Sie ganz bewusst weiterverbreiten, hatte nichts anderes im Sinn, als den Kapitalismus zu restaurieren. Ota Šik, in der »Welt« vom 5. November 1990: »Wir, der Kern der ökonomischen Reformer, versuchten in Prag damals eben nicht den Kommunismus zu reformieren. Unser eigentliches Ziel war es, ihn abzuschaffen und ein neues System aufzubauen. Man hat zwar immerfort von der Reform hin zu einer sozialistischen Demokratie oder sozialistischen Marktwirtschaft sprechen müssen, weil man sonst überhaupt nicht an die Öffentlichkeit gelangt wäre.«
                • Leserbrief von Onlineabonnent/in Oliver S. aus Hundsbach (9. Oktober 2024 um 17:17 Uhr)
                  Auf den Kapitalismus mit menschlichen Antlitz warten die Menschen seit seinem Beginn so vergeblich, wie sie auch zukünftig bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf ihn warten werden. Wie sehr die »Menschen im Osten« Slogans wie »Sozialismus mit menschlichem Antlitz« auf den Leim gegangen sind, geht uns aktuell am Zustand der Welt auf. Hunger, Armut, permanenter Krieg, Erdzerstörung, wohin das Auge blickt. Der Grundfehler aller dieser Betrachtungen, dass die politische Führung der Staaten des Warschauer Vertrages Reformen hätte zustimmen sollen und dass der Kapitalismus reformierbar wäre, ist, dass wir das »eigene Gute«, unsere Empathie, und die damit verbundene Vernunft fahrlässig auf die Agenten des kapitalistischen Systems projizieren. Dass der Kapitalismus ein menschliches Antlitz tragen kann, sind Flausen. Sollte es mehr als eine rhetorische Figur sein und meinte Egon Krenz es wirklich ernst, mit der Forderung einer »objektiven und gerechten« Bewertung der Geschichte der DDR, spräche das für seine Menschlichkeit, aber auch für eine gewisse Naivität. In Anbetracht der aktuellen Kriegstüchtigkeit und der vollzogenen »Friedenseinsätze« der BW, stehen die Fürsprecher der DDR und der NVA gut da und sie müssen sich auch für die »Friedenspropaganda« der damals Verantwortlichen keinesfalls schämen. Im Gegenteil!