Für Israel und die Polizei
Von Kristian StemmlerVor dem Hintergrund einer noch mal verstärkten rhetorischen Aufrüstung von Vertretern des Staatsapparates haben am Wochenende die ersten Veranstaltungen zum ersten Jahrestag des Angriffs der Hamas auf Israel stattgefunden. In mehreren deutschen Städten kam es zu Kundgebungen sowohl von propalästinensischen als auch von proisraelischen Gruppen. Dabei hielt sich der Zulauf in Grenzen, etwa im Vergleich zur propalästinensischen Demo in London mit mehreren zehntausend Teilnehmern. Teilweise kläglich fielen trotz des in diesem Fall heftigen politischen und medialen Rückenwindes insbesondere die proisraelischen Kundgebungen aus.
Die von Politik, Behörden und Polizeigewerkschaften beschworenen Ausschreitungen palästinasolidarischer Demonstranten blieben am Wochenende aus. Ein Polizeisprecher bezeichnete den Verlauf der Demos am Samstag als »weitestgehend störungsarm«. Das Verwaltungsgericht in Frankfurt am Main hatte zuvor mit Verweis auf die Bedeutung der Versammlungsfreiheit das Verbot der für diesen Montag geplanten palästinasolidarischen Demo in der Mainmetropole als rechtswidrig aufgehoben.
Am Sonntag nachmittag zogen in Berlin mehr als 1.000 Demonstranten unter der Losung »Gegen den Genozid in Gaza« vom Kottbusser Tor in Kreuzberg zur Sonnenallee in Neukölln. Laut Polizei waren rund 270 Polizisten im Einsatz. Bis jW-Redaktionsschluss kam es zu keinen nennenswerten Vorfällen, wie Rechtsanwalt Alexander Gorski, der die Demo beobachtete, gegenüber jW berichtete. Gorski kritisierte, dass Politiker und Medien Ausschreitungen bei palästinasolidarischen Demos »geradezu herbeireden«. »Die Demos sind laut, weil die Leute ihre Wut und Trauer herausschreien, aber das ist auch richtig und von der Versammlungsfreiheit gedeckt«, so der Anwalt.
Bereits am Samstag nachmittag war ein propalästinensischer Protestzug unter dem Motto »Ein Jahr Genozid – und die Welt schaut zu. Gegen Polizeigewalt« von Tempelhof nach Kreuzberg gezogen. In der Spitze nahmen mehr als 1.000 Menschen teil, wie ein Polizeisprecher sagte. Nach Angaben der Polizei skandierten Teilnehmer »verbotene« Parolen, andere zeigten verbotene Symbole. Sechs Demonstranten seien deswegen kurzzeitig festgenommen worden. Auch in Hamburg protestierten am Samstag Hunderte gegen das Vorgehen Israels in Gaza und dem Libanon.
Vor der Berliner Humboldt-Universität versammelten sich am Samstag nachmittag etwa 650 Menschen zu einer Kundgebung unter dem Motto »Wir stehen an der Seite Israels und der Polizei«. Laut Polizei versuchte eine Gruppe palästinasolidarischer Demonstranten, in den Protestzug einzudringen. Polizisten seien eingeschritten, es sei zu Rangeleien gekommen. Bereits am Freitag war die Polizei am Berliner Alexanderplatz wegen »israelfeindlicher Ausrufe und Aktionen« eingeschritten. Zehn Personen seien vorübergehend festgenommen worden.
Mit Blick auf die Kundgebungen zum Gazakrieg rief die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, unterdessen zur Differenzierung auf. Es dürfe keinen Generalverdacht gegen Palästinenser geben, sagte die SPD-Politikerin im ARD-Hörfunk. Es müsse auch Raum für Menschen geben, die auf das Leid der Bewohner in Gaza oder anderen Teilen der Region hinweisen wollten.
Am Montag sind diverse Gedenkveranstaltungen und Proteste geplant. Laut Polizei sind dann rund 2.000 Beamte im Einsatz. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) kündigte bei »antisemitischen Äußerungen« ein hartes Durchgreifen an. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellte der Polizei einen Persilschein aus. »Wenn wir erneut widerwärtigen Judenhass, Aufrufe zur Vernichtung Israels, islamistische Terrorpropaganda oder Angriffe auf Einsatzkräfte erleben müssen«, schrieb sie bei X, dann müsse die Polizei »schnell und hart einschreiten«. Die Polizei habe dafür »volle Rückendeckung«.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte aus Anlass des Jahrestages am Wochenende in seinem Podcast die Solidarität mit den jüdischen Bürgern in der BRD. Es dürfe nicht sein, dass Bürger jüdischen Glaubens in Deutschland »in Angst und Schrecken« leben müssten, dass Juden sich nicht mehr trauten, mit Kippa aus dem Haus zu gehen. »Antisemitismus und blinden Israel-Hass werden wir niemals hinnehmen«, so Scholz, der damit erneut routiniert Antisemitismus mit der Ablehnung der Politik der israelischen Regierung verknüpfte.
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