Das wird anstrengend
Von Henning von StoltzenbergDer Erfolg der Bundespartei scheint auch die baden-württembergische AfD vorläufig zu pazifizieren. Der Landesverband von Koparteichefin Alice Weidel war bislang für strikte Lagerbildung und Schlammschlachten bei Parteitagen bekannt. Am Wochenende in Ulm blieb bei der sogenannten Aufstellungsversammlung für die Landesliste zur Bundestagswahl großer Krawall allerdings aus. Weidel wurde mit großer Mehrheit als Spitzenkandidatin des Landesverbands bestimmt. Sie erhielt fast 87 Prozent der abgegebenen Stimmen. Der Kovorsitzende des Landesverbands, Markus Frohnmaier, folgt auf dem zweiten Platz. Er ist ebenfalls bereits Bundestagsabgeordneter. Insgesamt sollten 25 Listenplätze vergeben werden.
Ganz reibungslos verlief die Veranstaltung trotzdem nicht. Der frühere Landeschef und Weidel-Widersacher Dirk Spaniel kündigte nach der Wahl von Weidel an, aus der AfD austreten zu wollen. »Jede Partei kriegt die Politiker, die sie verdient«, sagte er dem Portal T-online. Er sei erleichtert, »die parteiinternen Schweinereien gegen mich« nun nicht mehr hinnehmen zu müssen. Spaniel ist ebenfalls Bundestagsabgeordneter.
Mehrere tausend Menschen haben am Sonnabend gegen die Veranstaltung in Ulm protestiert. »Es ging darum, breit und kraftvoll klare Kante gegen rechts zu zeigen«, sagte Marina Müller, Sprecherin der Organisatoren. Ein Bündnis hatte zu einem Demonstrationszug durch die Stadt hin zum Veranstaltungsort des AfD-Treffens aufgerufen, das in der Messe stattfand. Zu dem Bündnis gehören unter anderem die lokale Greenpeace-Gruppe und die Ulmer Linkspartei. Laut Müller beteiligten sich mehr als 1.000 Menschen an dem Demonstrationszug. Bei der anschließenden Kundgebung vor der Halle sollen es laut dem veranstaltenden Bündnis für Demokratie und Vielfalt insgesamt knapp 4.000 Menschen gewesen sein. Die Polizei sprach dagegen von einigen hundert Teilnehmern bei dem Demonstrationszug und von insgesamt rund 2.000 Menschen bei der Veranstaltung vor der Halle.
Im großen und ganzen sei es ruhig geblieben, sagte eine Polizeisprecherin im Nachgang der Protestaktionen. Man habe die Personalien eines Journalisten aufgenommen. Laut Teilnehmern des Demonstrationszuges soll es sich um einen rechten Medienaktivisten gehandelt haben. Dieser soll die Teilnehmer aus nächster Nähe gefilmt haben.
Unterdessen macht sich die AfD in Thüringen Gedanken über ein mögliches Verbotsverfahren gegen die rechte Partei. Sie rechnet im Falle eines solchen Verfahrens mit der Bindung erheblicher personeller und finanzieller Ressourcen. »Sollte es ein solches Verfahren geben, wird es für die Partei anstrengend«, zitierte am Sonntag die Nachrichtenagentur dpa ein Mitglied des Landesverbands. Ein Verbotsverfahren könne womöglich Jahre dauern und am Ende beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte landen, erklärte ein ungenannter Thüringer AfD-Funktionär der Agentur – und vermutete, dass die Bindung von Ressourcen das eigentliche Ziel derjenigen sein könne, die ein Verbotsverfahren auf den Weg bringen wollen: »Sie hoffen, dass man die Partei genug damit beschäftigt, dass sie sich politische Arbeit an anderer Stelle nicht leisten kann.« Die Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren war nach den Auseinandersetzungen während der konstituierenden Sitzung des am 1. September gewählten Thüringer Landtages neu entbrannt. Thüringens geschäftsführender Innenminister Georg Maier (SPD) erklärte, die Ereignisse hätten gezeigt, dass die AfD aggressiv-kämpferisch gegen den Parlamentarismus vorgehe. Er denke, »dass damit die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren gegeben sind«, hatte Maier nach der Landtagssitzung auf der Plattform X geäußert.
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