Bumerang für Autobauer
Von Susanne KnütterFür die deutsche Automobilindustrie könnten sich die am Freitag von der EU beschlossenen Zusatzzölle auf Elektrofahrzeuge aus China als Bumerang erweisen. Lobbyisten aus Industrie und Handel reagierten entsprechend missgelaunt auf die Entscheidung. Seit 2018 produzieren deutsche Autohersteller mehr Autos in China als in Deutschland. Auch deren Elektroautos würden also durch die Zölle teurer, erklärte Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Mehr noch, die angekündigten Maßnahmen sähen vor, dass deutsche und europäische Hersteller, die aus China heraus in die EU exportieren, mit höheren Zöllen belastet werden als einzelne Wettbewerber aus China und den USA, erklärte Müller am Freitag.
Zwar könnte durch die Zölle auch die Produktion in der EU angeregt werden, doch drohen zunächst vor allem höhere Preise für Verbraucher und ein gewisser Kaufkraftverlust, mahnte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Der Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZdK) prognostizierte am Sonnabend höhere Preise für Elektroautos. Das würde die ohnehin schon zurückhaltende Kauflaune noch weiter verschlechtern, sagte ZdK-Vizepräsident Thomas Peckruhn der Augsburger Allgemeinen.
Wegen der schwachen Nachfrage nach Elektroautos hat die Branche ihre Prognose für 2024 gerade weiter gesenkt. Man rechne nur noch mit einem Jahresabsatz von 372.000 reinen Batteriewagen, 29 Prozent weniger als im Vorjahr, wie der VDA mitteilte. Bisher war der Branchenverband von einem Rückgang um 25 Prozent auf 393.000 neue E-Autos ausgegangen. In den ersten neun Monaten wurden in Deutschland den Angaben zufolge nur 276.000 reine Batteriefahrzeuge abgesetzt, 29 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Grund war vor allem der Wegfall der E-Auto-Förderung im vergangenen Jahr. Damit entfielen 13 Prozent aller Neuzulassungen auf Elektroautos.
Mit dem Votum am Freitag kann die EU-Kommission nun jederzeit entscheiden, die Zusatzzölle auf Elektroautos aus China in Höhe von bis zu 35,3 Prozent einzuführen, neben den üblichen Importzöllen von zehn Prozent. Deutschland stimmte gegen die Abgaben, zusammen mit Ungarn, der Slowakei, Slowenien und Malta – und anders als die Autonationen Frankreich und Italien.
Zwar leidet auch Frankreichs Automobilwirtschaft unter den günstigeren chinesischen Importen, sie exportiert aber nicht so viele Fahrzeuge dorthin wie die BRD. Die deutsche Autoindustrie verkauft laut VDA 100mal mehr Autos in China als umgekehrt. »Wir sind eine globale Industrie, 70 Prozent unserer Arbeitsplätze hängen daran«, erklärte Müller laut ZDF.
Unter den Ökonomen hält der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, den Widerstand gegen die Ausgleichszölle auf chinesische E-Autos für falsch. Die deutsche Wirtschaft ziele zu stark auf kurzfristige Gewinne ab, dabei müsse »die EU ihren Wirtschaftsstandort schützen«. Es wäre ein »fataler Fehler, wenn es die EU ähnlich wie in der Solarbranche« zuließe, dass chinesische Produkte die europäischen vom Markt verdrängen, so Fratzscher. Allerdings sei nicht auszuschließen, »dass die geplanten Zölle nicht ausreichen und ihr Ziel verfehlen« und »chinesische E-Auto-Hersteller trotzdem ihre Marktanteile in Europa vergrößern«. Gleichzeitig seien chinesische Sanktionen gegen deutsche Autobauer denkbar. Angesichts solcher Optionen schlägt Fratzscher vor, dass sich die EU »eng mit den USA« abstimmt und gemeinsam auf die Konkurrenz aus China reagiert. Das kapitalnahe Wirtschaftsinstitut IW in Köln sieht eine mögliche Lösung der Handelskonkurrenz in der Aufwertung des chinesischen Wechselkurses. Demnach sei die chinesische Währung um rund 25 Prozent gegenüber dem Euro unterbewertet.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (6. Oktober 2024 um 20:09 Uhr)Wo lebet der Herr Fratzscher? Das muss wohl der Wertewesten sein, wo Wechselkurse al gustaio bestimmt werden, wenn es der Markt nicht macht.
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