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Aus: Ausgabe vom 07.10.2024, Seite 6 / Ausland
»Francophonie«

Gipfel fürs Foto

»Frankophonie«: Frankreichs Instrument der Kolonialpolitik ist abgenutzt
Von Hansgeorg Hermann
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Im »Mutterland« vereint: Macron bewirtet seine Gäste am Freitag abend im Élysée-Palast

Der 19. »Gipfel der Frankophonie« hat am Wochenende in Villers-Cotterêts nördlich von Paris an die 50 Staatschefs, Minister und Funktionäre aus 88 Ländern versammelt. Organisiert von der 1986 gegründeten »Organisation internationale de la Francophonie« (OIF), zeigte die Konferenz vor allem den in den vergangenen zehn Jahren fast bis zur Bedeutungslosigkeit gesunkenen politischen und wirtschaftlichen Einfluss der alten Kolonialmacht in Afrika und Südostasien. Die Formel »gemeinsame Sprache, gemeinsame Interessen« funktioniert nicht mehr, auch wenn Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach wie vor behauptet, die »frankophone Welt« sei »ein Ort, an dem wir gemeinsam eine Diplomatie betreiben können, die die Souveränität und territoriale Unversehrtheit überall auf dem Planeten verteidigt«. Die Abwesenheit der nicht eingeladenen Westafrikaner aus Mali, Niger und Burkina Faso hätte den »symbolischen Charakter« der Konferenz gezeigt, urteilten dagegen politische Kommentatoren in Paris.

Nahezu verzweifelt beschwor Macron »gemeinsame Interessen«, die in der Vergangenheit in erster Linie jene der früheren Kolonialherren waren. Unter dem berüchtigten Kampfbegriff »Françafrique« sorgte auch die Sprache dafür, dass das alte politisch-finanzielle, undurchsichtige und lukrative Beziehungsgeflecht zwischen Frankreich und seinen Marionetten vor Ort funktionierte. Der Präsident habe offenbar nicht begriffen, beschrieb die Pariser Tageszeitung Libération die Situation, dass die »Arroganz, die Haltung (Macrons) und die Erniedrigung amtierender (nicht eingeladener) Präsidenten, selbst wenn diese umstritten sind, böse Erinnerung in den früher unterdrückten Bevölkerungen hervorruft«.

Verräterisch schien politischen Beobachtern selbst das für diese Konferenz gewählte Motto »erschaffen, innovieren und unternehmen auf französisch«, das sich offensichtlich nicht an den von Macron ins Feld geführten »demokratischen Werten« orientierte, sondern an den Kapitalinteressen der üblichen Verdächtigen, die – wie etwa der bretonische Milliardär und Medienmogul Vincent Bolloré – der Politik der Franç­afrique aufs engste verbunden sind. Typische »französische Heuchelei«, kritisierte die NGO Oxfam das Konferenzmotto in einer vor der Veranstaltung veröffentlichten Erklärung. Die schönen Reden könnten beispielsweise nicht die drastisch reduzierte Entwicklungshilfe außer Acht lassen.

Und auch nicht den Einfluss, den inzwischen China und Russland nehmen. Macrons Hinweis auf »die Aggressoren« machte deutlich, was er immer noch hofft: Wie die in der Frankophonie wurzelnde Diplomatie die französisch-afrikanischen Beziehungen trage, so könne sie auch »den Diskurs an der Seite der heute angegriffenen Ukraine« bestimmen, »die in ihren Grenzen und ihrer territorialen Integrität durch den russischen Angriffskrieg bedroht ist«. Eine Meinung, merkten TV-Kommentatoren an, die eben nicht geteilt werde von den meisten angereisten afrikanischen Chefs, die sich vielmehr weigerten, die russische Offensive zu verurteilen.

Rund 320 Millionen Menschen weltweit sprechen gegenwärtig französisch, 100 bis 150 Millionen Schüler sind laut OIF dabei, die Sprache zu lernen, bis ins Jahr 2050 sei zu erwarten, dass sich rund 715 Millionen Menschen auf französisch unterhalten werden. Bloßes Zahlenspiel, urteilte der Schulexperte und Parlamentsabgeordnete Aurélien Taché. Der Politiker des linken Parteibündnisses Nouveau Front Populaire (NFP) erinnerte daran, dass die OIF sich für ihre nächste Konferenz Nairobi, die Hauptstadt des englischsprachigen Staates Kenia, ausgesucht habe. Taché: »Man hat uns erklärt, dass sich Frankreichs beste geschäftliche Möglichkeiten heutzutage in Ostafrika bieten. Aber dort wartet niemand auf uns.«

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