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Aus: Ausgabe vom 07.10.2024, Seite 7 / Ausland
Naher und Mittlerer Osten

Schlag auf Schlag

Israelische Luftangriffe gegen Iran werden zeitnah erwartet. Ziele laut Spekulationen: Öl- und Gaswirtschaft – aber auch Nuklearanlagen
Von Knut Mellenthin
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Mögliches Angriffsziel: Iranische Ölförderplattform im Persischen Golf (25.7.2005)

Der Nahe Osten steht kurz vor der nächsten Eskalationsstufe des Krieges, mit dem Israels Regierung eine Neuordnung der Region für die nächsten 50 Jahre erzwingen will. Genau so hatten es Premierminister Benjamin Netanjahu und sein Verteidigungsminister Joaw Gallant nach dem Überfall aus dem Gazastreifen vom 7. Oktober 2023 angekündigt. Netanjahu verband das mit der Forderung, die übrige Welt habe nun die Aufgabe, die israelischen »Operationen« zu unterstützen und Israels »Aktionseinheit zu erhalten«. Wörtlich völlig ernst genommen haben das bisher nur die USA.

Gegenwärtig wartet die Welt überwiegend sorgenvoll auf den israelischen »Gegenschlag«, nachdem Iran in der Nacht zum Dienstag rund 200 ballistische Raketen auf Ziele abgeschossen hatte, die über einen großen Teil Israels verteilt waren. Eine unmittelbare Folge war, dass überall im Land die Alarmsirenen ertönten und mehrere Millionen Israelis in die Bunker flüchten mussten.

Die Washington Post berichtete am Freitag aufgrund umfangreicher Untersuchungen, dass mindestens zwei Dutzend Raketen die von den USA, Großbritannien und Jordanien unterstützte israelische Luftabwehr durchbrochen hätten und in der Nähe des Mossad-Hauptquartiers und zweier Militärstützpunkte explodiert seien. 20 Raketen hätten das Gebiet der Luftwaffenbasis Nevatim im südlichen Negev getroffen und zwei den Stützpunkt Tel Nof in Zentralisrael. Es sind aber keine Fakten bekannt, die der offiziellen Darstellung der israelischen Luftwaffe widersprechen, dass keine Flugzeuge getroffen worden seien und der militärische Flugbetrieb – also die Angriffe auf den Libanon und den Gazastreifen – nicht gestört worden sei. Nachhaltige Schäden oder getötete und verwundete Soldaten würden sich in Israel erfahrungsgemäß nicht lange geheimhalten lassen.

Das von der Washington Post berichtete Ergebnis wäre zwar immer noch weit von der offiziellen Angabe der für den Angriff verantwortlichen Revolutionsgarden entfernt, dass 90 Prozent der Raketen ihre Ziele erreicht hätten. Offenbar war die Operation »Erfülltes Versprechen II« aber erfolgreicher als ihr Vorgänger im April, bei dem nur sieben von über 300 Geschossen durchkamen und keine nennenswerte Wirkung erzielten. Iran hatte damals hauptsächlich Drohnen eingesetzt, die vergleichsweise leicht von Abwehrsystemen erfasst und zerstört werden können. Diesmal überwogen Raketen, darunter einige mit Überschallgeschwindigkeit.

Israel hatte sofort Vergeltung angekündigt, die »ernsthaft und bedeutend« ausfallen werde. Einzelheiten der Planung sind aber bisher nicht bekannt. Israelische Medien spekulieren über heftige Luftangriffe auf Irans Infrastruktur, insbesondere für die Förderung und Verarbeitung von Erdöl und Erdgas. Die Atomanlagen der Islamischen Republik wären ein weiteres plausibles Ziel, denn mit ihrer Zerstörung droht Israel schon seit über 20 Jahren immer wieder. Auch »gezielte Tötungen« sind im Gespräch.

Die US-Regierung hat aktive Beteiligung versprochen: »Wir haben klargemacht, dass es Konsequenzen für diesen Angriff geben wird«, hatte der Nationale Sicherheitsberater des Präsidenten, Jacob Sullivan, am Dienstag Irans »Vergeltungsschlag« kommentiert. »Wir werden mit Israel zusammenarbeiten, damit das der Fall sein wird.« Diese »Koordination« schließt ein, dass die US-Regierung nicht nur hinter den Kulissen, sondern auch öffentlich sowohl von Angriffen auf die Öl- und Gaswirtschaft als auch auf Einrichtungen des Nuklearprogramms abrät. Am Sonntag traf nach Angaben der Times of Israel der Kommandeur der US-Truppen im Nahen Osten, General Michael Erik Kurilla, in Israel ein, um sich während der Vorbereitungen mit Vertretern des Militärs zu beraten.

Die maßgeblichen Politiker und Militärs des Iran versichern, dass sie auf den angekündigten israelischen »Gegenschlag« ihrerseits mit noch größerer Härte und Kraft antworten würden. Der stellvertretende Chef der Revolutionsgarden, General Ali Fadavi, erklärte dem libanesischen Fernsehsender Al-Majadin am Freitag, wenn Israel »einen Fehler machen« sollte, »nehmen wir alle ihre Energieressourcen, Kraftwerke, Raffinerien und Erdgasfelder ins Visier«. Ob Iran dazu in der Lage ist, steht zu bezweifeln. Dass es einen weiteren israelischen »Gegenschlag« geben wird, scheint jedoch sicher.

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