»Mit Antifaschismus hat das überhaupt nichts zu tun«
Interview: Henning von StoltzenbergRecht kurzfristig hat sich ein Bündnis gegründet, das für den Sonntag zu einer Palästina-Demonstration in Köln aufgerufen hatte. Was war der konkrete Anlass?
Wir gehen bereits seit Jahren und insbesondere seit Oktober 2023 regelmäßig für Palästina auf die Straßen. Der andauernde Genozid mit über 41.500 getöteten Palästinenserinnen und Palästinensern, die jüngste Aggression Israels gegen das libanesische Volk und die ganzen ultrarechten Äußerungen aus der israelischen Regierung und dem Parlament können wir nicht unkommentiert lassen. Im September haben sich elf proisraelische Organisationen aus Nordrhein-Westfalen zusammengeschlossen und einen Aufruf für eine Demonstration am 6. Oktober in Köln veröffentlicht. Hinter diesem Aufruf stehen sogenannte Antideutsche. Wir haben uns zügig als Bündnis zusammengefunden und beschlossen, dass wir am 6. Oktober in Köln eine Demonstration gegen den Genozid, gegen die deutsche Mittäterschaft und gegen Netanjahus Fans machen werden.
Wann gab es zuletzt eine nennenswerte Versammlung der sogenannten Antideutschen in Köln?
Wenn man kleinere Störaktionen, Infostände und Kundgebungen außer Acht lässt, liegt ihre letzte nennenswerte Versammlung, soweit mir bekannt ist, schon ein Jahrzehnt zurück: Im Zuge des israelischen Krieges gegen Gaza 2014 demonstrierten sie gegen einen ausgedachten »antisemitischen Konsens« unter der Losung, es gebe »kein Menschenrecht auf Israel-Kritik«.
Laut Ihrer Einschätzung handelt es sich um rechte Akteure mit rassistischen Argumentationen – die allerdings unter dem Motto »Antifa heißt Israel-Solidarität« demonstrieren. Wie geht das zusammen?
Der Aufruf von 2014 war durchsetzt mit antimuslimischem Rassismus. Im aktuellen Aufruf wird behauptet, es brauche »einen verteidigungsfähigen jüdischen Schutzraum«. Damit wird Israel einerseits so dargestellt, als befinde es sich politisch und militärisch in einer Verteidigungssituation. Andererseits meinen sie mit »verteidigungsfähig«, dass Israel bewaffnet sein und handeln muss. Das ist letztlich also einfach eine Legitimierung des Vorgehens der israelischen Regierung und eine Legitimierung des Genozids. Es handelt sich eindeutig um Rechte und um Rassisten, die sich aber als Antifaschisten darstellen und behaupten, dass die »Israel-Solidarität« ihre Lehre aus dem Holocaust sei. Israel und der Zionismus werden wie selbstverständlich mit dem Judentum identifiziert. Jede Handlung zum »Schutz« Israels wird grundsätzlich als antifaschistisch ausgegeben. Mit tatsächlichem Antifaschismus hat das überhaupt nichts zu tun.
Sie sagen allerdings auch, diese ziemlich überschaubaren Gruppen seien nicht Ihr eigentlicher Gegner. Wer ist es dann?
Mit unserer Demonstration wollten wir uns nicht an diesen Gruppierungen abarbeiten. Die israelische Regierung begeht den Genozid in Palästina, und die Bundesregierung ist einer der wichtigsten Mittäter. Daher sind unsere Gegner in erster Linie die deutsche Regierung und deutsche Unternehmen, die diesen Genozid mit ermöglichen. Und die Waffenproduzenten, die Verbreiter der israelischen Kriegspropaganda und die Politiker aller etablierten Parteien.
Wen wollten Sie mit Ihrer Demonstration erreichen und ansprechen?
Wir wollten die Menschen in Köln mit Redebeiträgen und Flyern über unsere Inhalte informieren. Diese Informationen und die Mobilisierung gegen den Genozid sind uns wichtiger als das Stören der proisraelischen Aktion.
Wird es in Köln kurzfristig weitere Aktionen gegen den Krieg in Gaza geben?
Bereits seit einigen Wochen organisiert das Palästina-Bündnis NRW eine Demo für den 12. Oktober in Köln. Diese wird um 15 Uhr am Ebertplatz starten, und wir sind auch mit dabei. Bereits bei unserer Demo wollen wir dazu aufrufen, an der großen Demo ebenfalls teilzunehmen. Der Kampf für ein freies Palästina wird auch danach noch weitergehen. In vielen Städten gibt es lokale Strukturen, an denen man sich beteiligen kann.
Kai Weber ist Sprecher des Palästina-Bündnisses Köln
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