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Aus: Ausgabe vom 07.10.2024, Seite 8 / Ansichten

Saat des Hasses

Ein Jahr Gazakrieg
Von Kai Köhler
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»Die israelischen Bomben haben schon heute dafür gesorgt, dass an ›Terroristen‹ in der nächsten und übernächsten Generation kein Mangel bestehen wird« (Proteste für einen Geisel-Deal, Tel Aviv, 31.8.2024)

Vor einem Jahr griffen Angehörige der Hamas israelisches Territorium an, ermordeten zahlreiche Menschen, die meisten davon Zivilisten, und nahmen Hunderte von Geiseln. Das Massaker mag durch die koloniale Situation erklärbar sein; im Gegensatz zu gängigen Behauptungen begann der Krieg nicht am 7. Oktober 2023. Es bleibt ein Verbrechen und ist nicht zu rechtfertigen. Leidtragende waren zunächst die Opfer dieses Angriffs, ihre Angehörigen und Freunde. Opfer sind seitdem vor allem die Zehntausenden, die aufgrund der rücksichtslosen israelischen Kriegführung im Gazastreifen, der Westbank und nun auch im Libanon sterben, sowie die Geiseln in israelischer »Administrativhaft«.

Gibt es Nutznießer? Die Hamas-Führung ist nicht naiv und dürfte einen harten israelischen Gegenschlag eingeplant haben; ob freilich in dieser Härte, ist ungewiss. Gewiss dagegen ist, dass ein Kalkül aufgeht: Die israelischen Bomben haben schon heute dafür gesorgt, dass an »Terroristen« in der nächsten und übernächsten Generation kein Mangel bestehen wird.

Hauptnutznießerin ist die teils faschistische israelische Regierung. Sie hat jenen Krieg bekommen, der ihr innenpolitisch das Überstehen sichert. Sie setzt in Gaza Mittel ein, die an genozidale mindestens grenzen. Vermutlich waren internationale Demonstrationen nicht nutzlos – verglichen mit den ersten Wochen sind Bombenkrieg und Hungerblockade leicht zurückgenommen worden. Doch spielt das Kriegsrecht weiterhin eine sehr geringe Rolle.

Strategisch wichtiger sind die Vorgänge in der Westbank, die allzu leicht aus dem Blickfeld verschwinden. Hier zeichnet sich ein Übergang ab von der israelischen Apartheidpolitik zu einer allmählichen ethnischen Säuberung, betrieben durch Siedlermob und israelische Armee, die kaum mehr unterscheidbar sind.

Schläge gegen die Führungen von Hamas und Hisbollah und gegen Repräsentanten des Iran verweisen allerdings auf das Hauptziel der israelischen Regierung: den Iran zu einer mehr als symbolischen Reaktion zu zwingen, damit einen Regionalkrieg zu entfesseln und eine direkte Beteiligung der USA herbeizuführen. In Washington scheint einerseits wenig Lust auf eine weitere Front zu bestehen – schon gegen Russland und China ist die Waffenproduktion ausgelastet. Andererseits gehen alle westlichen Ermahnungen, Israel möge nicht zu brutal vorgehen und sich endlich ernsthaft auf Verhandlungen einlassen, offenkundig ins Leere, solange nicht der Nachschub gestoppt wird.

Entscheidend ist nun, ob es dem Iran gelingt, zugleich das Gesicht zu wahren und die Eskalation zu begrenzen. Falls nein, besteht die weitere Gefahr, dass es nicht bei einem Regionalkrieg bleibt. Heute sind alle Konflikte, ungeachtet ihrer lokalen Ursachen, untrennbar verknüpft mit dem Versuch der USA und ihrer Verbündeten, ihre neokoloniale Hegemonie um wirklich jeden Preis zu behaupten. Mit jeder Zuspitzung an irgendeinem Ort auf der Welt steigt das Risiko, dass sich die einzelnen Kriege zu einem Weltkrieg ­verknüpfen.

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