Down Under: Arztbesuch wird zum Luxus
Von Thomas Berger, SydneyAuch die Menschen in Down Under sind von steigenden Lebenshaltungskosten betroffen. Zusätzlich werden die Arztbesuche immer öfter zum Problem. Das betrifft den Zugang zu Basisleistungen ebenso wie spezielle Behandlungen, wenn die medizinisch nötig werden. Zwar hat die aktuelle Labor-Regierung unter Premier Antony Albanese die staatlichen Beihilfen erhöht, um den Kostendruck etwas zu lindern. Ausreichend ist das längst nicht. Denn für manche Australier wird adäquate medizinische Versorgung zunehmend zum Luxusgut. Zudem gibt es schlicht immer weniger allgemeinmedizinische Praxen im ländlichen Raum.
Die jüngsten Anstrengungen seit der Zuschussreform vom November 2023 seien zwar ein Fortschritt, reichten aber nicht aus, ließ das Royal Australian College of General Practioners (RACGP), die führende berufsständische Dachvereinigung der Allgemeinärzte, Ende September wissen. Trotzdem seien die Kosten für die Patienten gegenüber dem Vorjahr um fast sechs Prozent gestiegen. Im Schnitt werden sie bei einer Arztvisite von 20 Minuten nun mit einem Eigenanteil von 36,86 statt 34,91 Australischen Dollar (AUD; etwa 22 Euro) zur Kasse gebeten.
Die Regierung hatte die finanziellen Anreize für Praxen, sich dem System des »Bulk billing« anzuschließen (Sammelabrechnungen für bestimmte gelistete Leistungen), verdreifacht. Das hat dazu geführt, dass landesweit, aber regional unterschiedlich, immer mehr Praxen an dem Programm teilnehmen und mit Stand März 2024 rund 77 Prozent der Arztbesuche (etwa zur schlichten Neuausstellung eines Rezepts für regelmäßige Medikamente) tatsächlich kostenlos für die Bedürftigen waren. In erster Linie profitierten davon Senioren, Kinder und Inhaber von Sozialbeihilfen.
Trotzdem sind viele Menschen mit steigenden Zuzahlungen konfrontiert, da die Praxen wiederum höhere Kosten durchreichen. »Wir sind an einem Punkt angelangt, dass wir entweder diese Mehrbelastungen an die Patienten weitergeben oder unsere Türen schließen müssen«, erklärte RACGP-Präsidentin Nicole Higgins. Der Staat, so die Forderung, müsse nach mehr als zehn Jahren weitgehender Deckelung von Erstattungen das System von Kostenübernahmen im größeren Stil reformieren – zugunsten der Überlebensfähigkeit der Praxen wie auch der finanziellen Situation derer, die dort grundlegende Leistungen in Anspruch nehmen. Das Australian Institute of Health and Welfare hat errechnet, dass im Februar 2024 nur 83 Prozent der Konsultationsgebühren von Medicare, der staatlichen Krankenversicherung, erstattet wurden – gegenüber noch 95 Prozent im April 2020.
Die Belastung für viele Patienten hört da nicht auf. Wer einen Facharzt benötigt, ist richtig arm dran. Dort erstattet Medicare im Schnitt nur noch 50 Prozent der Gebühren. Deshalb mussten die Australier allein im Finanzjahr 2022/23 bei Facharztbesuchen 2,3 Milliarden AUD aus eigener Tasche zahlen. Gesundheitsminister Mark Butler hat insbesondere Ärzte und private Versicherer aufgerufen, nach Lösungen zu suchen, um Patienten vor explodierenden Kosten zu schützen.
Bekannt ist auch, dass es vielerorts am ärztlichen Basisangebot mangelt. Die Grünen, damit bereits für 2025 voll im Wahlkampfmodus, wollen binnen vier Jahren landesweit 1.000 Basisgesundheitskliniken etablieren: Jeweils mit Allgemeinmediziner, Zahnarzt, Krankenschwestern und einem Psychologen ausgestattet. Besuche dort sollen kostenfrei sein. Aufbau und Betriebskosten für ein Jahrzehnt wurden auf 54 Milliarden AUD (33,5 Milliarden Euro) geschätzt – eine stattliche Summe, die laut den Grünen aber über eine Sondersteuer auf besonders hohe Unternehmensprofite finanzierbar wäre.
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