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Aus: Ausgabe vom 07.10.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Mehr als gedacht

Zu jW vom 4.10.: »Zehntausende für Frieden«

Es war eine großartige Friedensdemo. Viele Menschen unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Herkunft haben ein großes Ziel: die Beendigung aller Kriege auf der Welt und den Einsatz von Diplomatie zur Lösung inner- und zwischenstaatlicher Konflikte. Dass die Mainstreammedien den Protest kleinreden wollen, war vorherzusehen. Ich war als Leiter des Zuges vom Gleisdreieck im ständigen Kontakt mit der Polizei und war und bin sehr froh, dass es dieses Mal keinerlei Provokationen und Übergriffe wie zum Beispiel bei der Liebknecht-Luxemburg-Demo im Januar dieses Jahres gab.

Es war eine sehr gute Zusammenarbeit, dafür habe ich unserem Verbindungsbeamten ausdrücklich gedankt. Es hätte auch anders kommen können, da wir einen sehr großen Block palästinensischer Menschen bei uns hatten. Den einzigen Dissens gab es bei der Teilnehmerzahl. Zuerst sprach die Polizei für unseren Block von unter 8.000 Teilnehmern. Doch als die Nachricht kam, dass die letzten Teilnehmer den Platz am Gleisdreieck verlassen haben und die Spitze des Zuges schon an der Potsdamer Straße war, wurde deutlich nach oben korrigiert – 30.000 bis 35.000 Teilnehmer allein in diesem Zug. Wahrscheinlich haben die Veranstalter am Großen Stern unseren Zug noch gar nicht eingerechnet.

Als wir ankamen, war es nahezu unmöglich, auf den Großen Stern zu kommen. Die Menschen standen dicht an dicht und das trotz des zeitweisen Regens. Also sollte man diese Teilnehmer hinzurechnen. Auch die Hubschrauberbilder des RBB sprechen eine andere Sprache.

Persönlich fand ich unschön, dass der mutige Ralf Stegner von der SPD ausgebuht wurde. Auch ich lehne seine Äußerungen größtenteils ab, bewundere aber seinen Mut, sich dem zu stellen. Wir sollten uns das endlich angewöhnen – die Friedensbewegung hat viele Facetten, und wir können nur weiter Erfolg haben, wenn wir das akzeptieren. Auf zur nächsten Großdemonstration – die Welt hat sie nötig.

Andreas Eichner, Schönefeld

Marode DDR, von wegen!

Zu jW vom 2./3.10.: »Eine Geschichte der Widersprüche«

Das Gebiet der DDR, von Kriegszerstörungen in wesentlich größerem Ausmaß als das der BRD betroffen, war wirtschaftlich ein Torso. Die Grundstoffindustrie, die schwerindustrieelle Basis mit 120 leistungsfähigen Hochöfen, befand sich im Ruhrrevier. Die DDR verfügte über vier veraltete Hochöfen. Von der Vorkriegsproduktion Deutschlands entfielen bei Roheisen nur 1,3 Prozent auf das Gebiet der DDR. Bei Steinkohle waren es zwei Prozent, bei Stahl sieben Prozent. Was Bodenschätze betraf, so verfügte der andere deutsche Staat lediglich über Braunkohle und Kalisalze. Während die BRD durch Marschallplan und günstigste Kredite vehement unterstützt wurde, ist in der DDR fast auf allen Hauptstrecken der Eisenbahn das zweite Gleis abgebaut worden. Es sind 2.000 Betriebe demontiert und bis 1955 ein nicht geringer Teil der Produktion vor allem an die UdSSR kostenlos geliefert worden.

Nach der sogenannten Wende 1989/1990 hatten westdeutsche Unternehmen nicht das geringste Interesse an einer konkurrenzfähigen Ostwirtschaft; der Privatisierungswahn der Treuhand zerschlug bewusst hochleistungsfähige Betriebe. Drei Beispiele: Die DDR war der zweitgrößte Kaliexporteur der Welt mit Kalisalztypen von höchster Qualität. Letztlich triumphierte die BASF, Eigentümerin von Kali-West. Das VEB Bergwerk Kali-Ost in Bischofferode wurde mit Lauge geflutet, 178 Millionen Tonnen Kalisalz im Wert von 3,5 Milliarden Euro, die die Region und alle Kalikumpel noch 50 Jahre ernährt hätten, wurden einfach unbrauchbar gemacht. Die VEB Werkzeugmaschinenfabrik Berlin war Weltmarktführerin auf dem Gebiet der Innenrundschleifmaschinen. Der Produktionsstandort wurde von der Treuhand zum Schleuderpreis an die Knorr-Bremse AG verhökert. Noch dreister ging man mit der Forschungsabteilung des renommierten Werkzeugmaschinenbaukombinates »Fritz Heckert« um. Nur drei Beispiele des Verramschens, Abwickelns und Niedermachens.

Eine Frau der DDR ließ sich nicht abwickeln, die ihren Arbeiterstaat so schätzte. Professorin Dr. Inge Rapoport war 102 Jahre alt, als sie ihre Doktorarbeit als weltweit anerkannte Kinderärztin nach 77 Jahren – 1937 erhielt sie als Jüdin keine Zulassung für die Doktorprüfung – vor drei Uniprofessoren in Hamburg verteidigte.

Gerd-Rolf Rosenberger, Bremen

Alles Käse

Zu jW vom 1.10.: »Durchlaufender Posten«

Mit Interesse las ich den Beitrag zur Wohnungsmietmisere, auch weil meine Frau und ich persönlich betroffen sind. Soeben erhielten wir die viermal im Jahr erscheinende Informationsbroschur »Wir« von unserer Wohnungsbaugenossenschaft. Wir haben eine vergleichsweise humane Situation, aber ein Blick in das Heft verrät nur eitel Sonnenschein. In der vorigen Ausgabe war von bis zu 25 (T-)Euro Mieterhöhung ab Januar nächsten Jahres die Rede. Ein anderes Problem, das die Genossenschaft nicht direkt tangiert, erlebten wir mit dem Widerspruch zu unserem Wohngeldbescheid im März vorigen Jahres. Nach dem Wohngeldrechner Berlin war ein Zuschuss von 272 Euro errechnet worden. 150 Euro weniger wurden gewährt. Nach wiederholten Rückfragen erfolgte jüngst nach 18 Monaten ein Bescheid der zuständigen Bezirksrätin, worin behauptet wurde, dass wir die Summe auf keinen Fall nach dem Online-Wohngeldrechner – ich hatte ihn in Kopie ausgefüllt sogar beigefügt – ermittelt hätten. (…) Als DDR-Bürger kannte ich kein Wohngeld. Für die Ein-Zimmer-Altbauwohnung bezahlte ich 1980 23 Mark der DDR, im Neubau später für drei Zimmer mit Balkon und Bad 116,50 Mark. Die Kosten heute für dieselbe Wohnung liegen neuneinhalbmal höher, wenn ich für Euro die Mark beibehalte. Im übrigen, der Euro kaschiert seit seiner Einführung die inflationäre Entwicklung. In einem Käsegeschäft stand damals richtigerweise auf einem Aushang: »Euro gleich Mark.« (…)

E. Rasmus, per E-Mail

Nach 1989/1990 hatten westdeutsche Unternehmen nicht das geringste Interesse an einer konkurrenzfähigen Ostwirtschaft; der Privatisierungswahn der Treuhand zerschlug bewusst hochleistungsfähige Betriebe.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!