Ludwig, ich habe die Wirtschaft geschrumpft
Von Arnold SchölzelSelbst den Fach- und Führungskräften der »Ampel« dämmert es: Aus den im März 2023 von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verheißenen »Wachstumsraten wie zuletzt in den 50er und 60er Jahren« wird nichts. Im Gegenteil: Die amtierende Bundesregierung sorgt für eine wunde Wirtschaft statt für ein Wirtschaftswunder. An diesem Mittwoch wird Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) als zuständiger Minister die amtliche »Wachstumsprognose« vorstellen. Es wird eine Schrumpfungsvorhersage, wie er vorab die Südddeutsche Zeitung am Montag berichten ließ. Noch im Frühjahr hatte Habeck eine »konjunkturelle Aufhellung« halluziniert und einen »Zuwachs« von 0,3 Prozent aus welchem Kaffeesatz auch immer gelesen. Nun wird er einen Rückgang um 0,2 Prozent verkünden und damit das zweite Jahr hintereinander eine Rezession. Das gab es in der Geschichte der Bundesrepublik erst einmal.
Habeck kommentierte die erwartbar schlechten Nachrichten gegenüber der SZ mit: »Die wirtschaftliche Lage ist schwierig. Seit 2018 ist die deutsche Wirtschaft nicht mehr kräftig gewachsen.« Und pappte unter Hinweis auf die »Wachstumsinitiative« der Koalition das Optimismusschwänzchen an: »Die deutsche Wirtschaft kann in den kommenden zwei Jahren signifikant stärker wachsen, wenn die Maßnahmen vollständig umgesetzt werden und ihre Wirkung entfalten können.« Für 2025 phantasierte er von 1,1 Prozent Wachstum, für 2026 von 1,6 Prozent.
Am Montag kam aber zunächst die nächste signifikante Niedergangsmeldung: Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden teilte mit, dass der Auftragseingang für die deutsche Industrie im August deutlich gesunken ist. Die Zahl der Bestellungen fiel im Monatsvergleich um 5,8 Prozent. Wenn die Großaufträge herausgerechnet werden, haben die Unternehmen 3,4 Prozent weniger Bestellungen erhalten.
Am selben Tag berichtete das Münchner Ifo-Institut, die »Stimmung« im deutschen Einzelhandel habe sich im September weiter verschlechtert. Vor allem Auto- und Möbelhändler sehen ihre Geschäftslage demnach ungünstig. Ifo-Ökonom Patrick Höppner meinte, die Verbraucher seien »verunsichert, was das wirtschaftspolitische Umfeld angeht.« Das lasse für das restliche Jahr »keine dynamische Entwicklung bei den privaten Konsumausgaben mehr erwarten«. Immerhin sollen deswegen die Preise nicht mehr so rasant steigen wie in den vergangenen drei Jahren.
Der Einzelhandelsverband HDE sah das am Montag genauso: Die seit vier Monaten anhaltende Abwärtsbewegung der Verbraucherstimmung setze sich im Oktober fort, vom privaten Konsum gehe voraussichtlich kein Wachstumsimpuls aus. Zudem planten die Verbraucher, ihre Sparanstrengungen zu intensivieren. Im September hatten bereits die großen deutschen Wirtschaftsinstitute in der »Kaufzurückhaltung der privaten Haushalte« die Ursache für den Abstieg gesehen. Die »Wirtschaftsweise« Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft, sagte der FAZ vom Montag: »Wir stecken quasi fest, hohe Energiekosten und zugleich fehlende Richtungsentscheidungen in der Energiepolitik führen zu Unsicherheit und Zurückhaltung bei den Investitionen.« Die geringe Auslastung der Industrie deute auf »fehlende Wettbewerbsfähigkeit«. Die Arbeitsproduktivität gehe zurück, viele Mittelständler wanderten ins Ausland ab, immer mehr große Unternehmen bekämen Probleme, die Regierung reagiere nicht strukturiert.
Fortsetzung des Ampelmurks folgt.
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Leserbrief von N. Schreiber aus München (8. Oktober 2024 um 16:02 Uhr)Der Ludwig hätte für den Murks aber bestimmt noch einen griffigen Propagandabegriff ersonnen. So wie den der sogenannten »Sozialen Marktwirtschaft«, den er bereits in den 1940er Jahren den Nazis angedient hatte, um die Leute in der Nachkriegszeit weiter zu verarschen. Ein interessantes und passendes Zitat aus dem thematisierenden Text der antikapitalistischer Propaganda unverdächtigen bpb, für die Naivlinge, die sogar heutzutage noch meinen mögen, in der Verpackung wäre das enthalten, was drauf steht: »… Die soziale Marktwirtschaft baut auf Elementen der freien Marktwirtschaft auf, ist in der tatsächlichen Ausgestaltung jedoch durch die wirtschaftstheoretischen Vorstellungen des Neoliberalismus (siehe dort) und des Ordoliberalismus (siehe dort), vor allem vom Nationalökonomen Walter Eucken (* 1891, † 1950) und der Freiburger Schule geprägt …«
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (8. Oktober 2024 um 10:01 Uhr)Deutschland scheint sich in der Stagnation eingerichtet zu haben – und fühlt sich dabei fast schon wohl. Einst die industrielle Lokomotive Europas, steht das Land wirtschaftlich im Regen – und das nicht erst seit gestern. Die Gründe? Eine ungesunde Mischung aus politischem Zögern und unternehmerischem Versagen. Die zerstrittene Ampelkoalition, ohne klare Linie, hat die Krisen nicht im Griff: Hohe Energiepreise, fehlende Investitionen in Digitalisierung und Infrastruktur, sowie eine verschlafene Reaktion auf globale Veränderungen treiben das Land ins wirtschaftliche Abseits. Noch alarmierender ist der Beitrag der Unternehmen selbst. Managementfehler, besonders in der Automobilindustrie, haben dazu geführt, dass Deutschland den Anschluss an Schlüsseltechnologien wie die Chipforschung, Elektromobilität und Produktivität verliert. Die Gründe für die Misere sind vielfältig – und gerade deshalb schwer zu beheben. Was bleibt, ist ein Land, das in der Stagnation verharrt. Steigende Sozialausgaben und eine Bevölkerung, die nun die Zeche für jahrzehntelanges Ausruhen auf alten Lorbeeren zahlt, prägen das Bild. Während sich Länder wie Polen, Spanien und selbst Italien aus der Krise herausarbeiten, wirkt Deutschland wie erstarrt. Kurz gesagt: Die Zeiten billiger Energie und einfacher Exporterfolge sind vorbei – doch die deutsche Wirtschaft hat noch keinen Weg gefunden, den Blick in die Zukunft zu richten. Die rote Laterne der europäischen Wirtschaft rückt bedrohlich nah. Deutschland scheint sich in der Stagnation eingerichtet zu haben – und fühlt sich dabei fast schon wohl.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (8. Oktober 2024 um 08:07 Uhr)Das völlig unreflektierte pathologische Gelaber vom ewigen »Wachstum«, ich kann es nicht mehr hören! Der Planet liegt im Sterben und sendet uns einen Hilferuf nach dem nächsten zu, in immer kürzeren Abständen und zunehmender Intensität. Aber statt mal ernsthaft nach Ursachen, Wirkungen und Zusammenhängen zu fragen, wird weiter ungerührt nicht nur permanent weiter von Wachstum gelabert, sondern geisteskranker Überflusskonsum immer noch als quasi sakrosankte Bürgerpflicht propagiert. Und die medial »erfolgreich« verblödete Konsumidiotenmeute folgt geradezu schlafwandlerisch diesem vorgegebenen Muster: Mindesten einmal pro Jahr einen Ballermann-Urlaub plus mindestens einmal pro Jahr an die Ostsee und wenn der Dispo-Rahmen es noch zulässt, möglichst auch noch mal eine Fernreise (z. B. in die Dominikanische Republik) oder doch wenigstens noch eine Mittelmeer-Kreuzfahrt. So das allgemeine Verhalten im hiesigen sozialen Umfeld. Und andernorts dürfte es wohl kaum anders sein. Und ich rede hier nicht vom saturierten pensionierten Beamtenpaar, sondern von durchschnittlichen »ordinary people«, von Verkäuferinnen, Handwerkern, Krankenschwestern und Müllkutschern. – Und so entsteht das bejubelte alljährliche »Wachstum« in der Tourismus-Branche! Schöne heile TUI-Welt! Und der DAX hüpft vor lauter Begeisterung mal wieder kräftig in die Höhe. Bravo! – Dann mal weiter so! Und was erzählen uns die Politiker? Und was wiederkäuen uns die Medien unisono vor? Wir müssen schleunigst nicht nur »kriegstüchtig« werden, sondern uns auch gegen den »Klimawandel« (der natürlich nicht das Geringste mit unserer destruktiven Konsumweise zu tun hat) wappnen; ergo: quasi »extremwetterfest« werden. Aber warum alles nur so negativ sehen?! Der »Wiederaufbau« eines zerstörten Ahrtals beispielsweise schafft und erhält doch auch viele Arbeitsplätze und steigert das BIP. Und selbst Kriege sind im Ergebnis gigantische Konjunkturprogramme. Na also, ist doch alles in Ordnung; hat schon alles irgendwie seinen Sinn.