Spekulation um Preiskampf
Von Jörg KronauerFiebrige Spekulationen haben sich in den vergangenen Tagen in Teilen der transatlantischen Medienwelt breit gemacht. Der Grund: Saudi-Arabien plant, das berichtete Ende September die Financial Times, seine Erdölproduktion zu erhöhen. Das könnte den Ölpreis ein Stück weit senken. Nun weiß man aber: Russland ist, um seine Staatseinnahmen stabil zu halten und seine Kriegführung gegen die Ukraine zu finanzieren, in hohem Maß auf die Erlöse aus seinem Ölexport angewiesen. Falle aber der Ölpreis spürbar, dann könne Moskau womöglich das Geld für den Ukraine-Krieg ausgehen; zumindest aber sei es »ein Schlag für Putins Kriegsmaschinerie«, geiferte das US-Magazin Newsweek, während die Frankfurter Rundschau zufrieden mutmaßte, Saudi-Arabien verliere endlich die »Geduld« mit Russland. Das Springer-Onlinemagazin Politico fand vergangene Woche sogar eine Expertin, die das russische Bruttoinlandsprodukt unter Umständen um ein ganzes Prozent einbrechen sah. Welche Perspektive!
Wie so oft, wenn transatlantische Medien wieder einmal verkünden, man habe Putin jetzt endlich am Angelhaken: Es lohnt, ein wenig genauer hinzusehen. Eins trifft fraglos zu: Riad ist über die Entwicklung auf dem Ölmarkt unzufrieden. Es hat ehrgeizige Entwicklungsprojekte begonnen, die das Land auf die Zeit nach der Erdölära vorbereiten sollen – Industrialisierungsvorhaben etwa, Solarenergieprojekte, den Bau einer immensen Zukunftsstadt namens Neom. Sie kosten viel Geld, weshalb die saudische Regierung eigentlich auf einen Ölpreis von rund 100 US-Dollar pro Barrel setzt. Die Referenzmarke Brent lag seit Ende 2022 meist deutlich darunter. Die OPEC plus-Staaten hatten, um den Preis nach oben zu treiben, seit Ende 2022 mehrmals Produktionssenkungen beschlossen, und Saudi-Arabien hatte, um mit gutem Beispiel voranzugehen, einen größeren Teil davon geschultert, laut Branchenangaben rund ein Drittel.
Der gewünschte Erfolg blieb allerdings aus. Dafür gab es verschiedene Ursachen. Eine bestand in der schwächelnden Ölnachfrage in China. Ein zweiter: Die US-Ölindustrie hatte ihren Ausstoß erheblich gesteigert; im Jahr 2023 lag sie mit einer Fördermenge von 12,9 Millionen Barrel pro Tag an der Weltspitze, weit vor Russland und Saudi-Arabien. Es kam hinzu, dass nicht alle OPEC plus-Mitglieder sich an die vereinbarten Produktionssenkungen hielten; allen voran Irak und Kasachstan pumpten deutlich mehr Öl aus dem Boden als zugesagt. Auch Russland hatte zuviel gefördert, allerdings im August versprochen, das mit starken Kürzungen im September und im Oktober wieder wettzumachen. Erste Zahlen für September, die vergangene Woche bekanntwurden, deuteten darauf hin, dass Moskau die Ankündigung tatsächlich umsetzte. Ob die anderen OPEC plus-Mitglieder ebenfalls Folge leisteten, war nicht klar.
Das war der Hintergrund dafür, dass Saudi-Arabien ankündigte, seinerseits die Produktion aufzustocken – um 83.000 Barrel pro Tag ab Dezember, so dass seine Ölförderung von 8,9 Millionen Barrel pro Tag auf rund zehn Millionen Barrel pro Tag Ende 2025 steigen werde. Warum solle man sich an Absprachen halten, die ansonsten niemand wirklich befolge, so lautete sinngemäß die Begründung. Wie es nun weitergeht, hängt von vielen Faktoren ab – unter anderem davon, ob etwa Irak und Kasachstan ihre Förderung doch noch reduzieren, aber auch davon, wie sich die globale Nachfrage entwickelt, sowie davon, ob der eskalierende Krieg in Nah- und Mittelost zu Einbrüchen etwa in Irans Ölförderung führt.
Darauf, dass Saudi-Arabien seine Ölproduktion vor allem mit dem Ziel ausweitet, Russland eins auszuwischen, deutet zur Zeit allerdings nichts hin. So wird der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman etwa in Kürze zum BRICS-Gipfel im russischen Kasan erwartet. Garantien aber gibt es in der internationalen Politik selten und in der multipolar werdenden Welt noch weniger. So hat Saudi-Arabien den formellen Beitritt, den die BRICS ihm zum 1. Januar angeboten hatten, immer noch nicht abschließend ratifiziert – wie zu hören ist – weil es auf Hightech-Rüstungsgüter aus den USA hofft. Dass es Russland empfindlich treffen würde, wenn der Ölpreis tatsächlich kollabierte, stimmt. Allerdings läge dies auch nicht recht im saudischen Interesse.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (8. Oktober 2024 um 10:21 Uhr)Warum das Öl nicht billiger wird – Ein geheimer Dialog Ort: Eine luxuriöse Konferenzhalle irgendwo tief unter der Wüste, ein saudischer Scheich und ein amerikanischer Öl-Mogul lehnen sich entspannt zurück, während ein russischer Oligarch Wodka einschenkt. Scheich: »Gut, Leute, die Welt fragt sich, warum wir das Öl nicht billiger machen. Ich meine, wir könnten es doch einfach sprudeln lassen!« Oligarch (lacht): »Ja, klar! Ich schalte nur den Hahn auf und Putin ruft mich sofort an: ›Was machst du da? Wir haben noch Rechnungen zu bezahlen!‹ Das wärs doch! Aber ernsthaft, ich muss den Kram ja auch fördern, nicht nur zusehen, wie er sprudelt.« Mogul (schlürft Kaffee): »Und bei uns? Wir könnten Öl für alle umsonst rausgeben, aber dann würde keiner meine 50-Dollar-Cappuccino auf dem Firmenjet bezahlen. Wo bleibt der Spaß? Außerdem, unsere Bohrungen sind teurer als ein Oscar-Kleid, das müssen wir wettmachen.« Scheich: »Ah, ich verstehe schon. Außerdem habe ich diese nette kleine Stadt in der Wüste geplant – Neom. Weißt du, wie teuer ein schwebender Wolkenkratzer ist? Und die Solarpanels, die niemand sieht, weil die Sonne ohnehin immer scheint? Das Öl muss fließen, aber günstig verschenken? Wo bleibt dann der Reiz?« Oligarch: »Also einigen wir uns: Mehr fördern? Vielleicht. Aber billig? Nur, wenn die Welt einfriert und wir Heizung verkaufen können.« Mogul (nickt zustimmend): »Und selbst dann nur mit Premium-Service.«
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