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Aus: Ausgabe vom 08.10.2024, Seite 11 / Feuilleton
Militarismus

Kirchliche Mobilmachung

Die Bundeswehr, die Seelsorge und der Operationsplan
Von Christian Stappenbeck
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Feldgottesdienst in Münster unter der Leitung des evangelischen Militärbischofs Bernhard Felmberg (18.4.2024)

Unweit vom Berliner Bahnhof Zoo, in der Jebensstraße, gibt es ein evangelisches Militärbischofsamt. Dort geht man mit der Zeit(enwende). Man schmiedet Pläne, ganz staatsnah, unter Beachtung der Erwartung des Geldgebers (die Seelsorge der Bundeswehr bezahlt komplett der Staat). Man arbeitet, so wurde jüngst publik, an einem »geistlichen Operationsplan«. Geistlich also, nicht geistig; nur ein Schelm denkt da an Böses. Aber wieso denn »Operation«? Woher dies technokratische, völlig ungeistliche Wort (das auch eine Truppenbewegung bezeichnen kann)?

Wer jetzt unwillkürlich an den »Operationsplan Deutschland« der Bundeswehr denkt, liegt völlig richtig. Dieser der Öffentlichkeit durchaus zugängliche Plan (Fachkürzel Oplan Deu) hat »die zivil-militärische Interaktion« im Frieden und im Krieg als Kernstück. Wozu wohl? Um unter anderem den ungehinderten »Aufmarsch der alliierten Streitkräfte durch Deutschland an die NATO-Ostflanke sicherzustellen« (ebd.). Alle Züge stopp, alle Autobahnen frei, Panzer haben Vorfahrt.

Der evangelische Militärbischof will da nicht zurückstehen. Bischof Felmberg weiß oder ahnt es: Seit der Gründungsphase der NATO wurde die Religion als wichtiger moralischer Kitt erkannt. Sein Amt sagt jetzt: Die vorhandenen gut 100 Feldgeistlichen – wie die Militärpfarrer früher genannt wurden – sind erstens zuwenig und zweitens gar nicht richtig gerüstet für den Ernstfall. (Tip: Vielleicht mal für drei Wochen in den Schützengraben legen.) Angedachte Handlungsfelder für die Seelsorger: Finde das passende Gebet für die Sekunde des Sterbens an der Front und dann die richtigen Worte an die Hinterbliebenen.

Unlängst wurde der Potsdamer Garnisonkirchturm wieder eingeweiht, glorreichen Angedenkens. Im Kuratorium selbstverständlich: der Militärbischof (»wir sind froh, dass wir den Turm hochgezogen haben«). Dass unterm Kirchturm hier 1943 eine der letzten Feierstunden »zu Ehren unserer Stoßtruppkämpfer« am Brückenkopf nahe der Krim gehalten wurde, gegen Russland, ist ihm wahrscheinlich nicht mehr im Gedächtnis – er hätte daran sonst aktuell anknüpfen können. Denn Feldpropst Felmberg ist voll auf der Linie Kampf bis zum Siegfrieden. Ob er das Motto des Erbauers der Garnisonkirche, des frömmelnden preußischen Soldatenkönigs, am Hut der »Langen Kerls« kennt? Jenes Motto – Semper talis (frei übersetzt: immer so weiter) – wird heute auch vom Wachbataillon der Bundeswehr wieder verwendet.

Selbst die staats- und lammfromme Berliner Kirchenzeitung Die Kirche regt sich vorsichtig auf: Kirche soll doch nicht auf »kriegstüchtig« pochen, sondern Friedensinitiativen starten, Hoffnung verbreiten (Die Kirche vom 29.9.2024, S. 2). Die Autorin steht zwar grundsätzlich fest auf dem Boden (mit Kotau bzw. Kniefall) »unserer Werte«, zollt den Militärpfarrern Respekt, die »im Auslandseinsatz ihr Leben riskieren« und die Soldaten »für den Einsatz stärken« (nicht etwa »das Gewissen schärfen«?). Aber das Kirchenamt für die Bundeswehr sollte doch, so heißt es höflich, besser nicht in das Kriegsvokabular einstimmen. Nun ja, schön und gut – aber nicht mit Feldpropst Felmberg und seinem neu ernannten Militärgeneraldekan. Denn bis 2029 – solange wartet der Russe zum Glück – muss hier alles kriegstüchtig sein, auch die Militärseelsorge.

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  • Leserbrief von Joachim Fischer aus Bremen (10. Oktober 2024 um 21:23 Uhr)
    Kirche und Militär – das ist bis heute eine unselige Verknüpfung. Jesus Christus lehrte und lebte die Gewaltlosigkeit. Trotzdem unterstützen evangelische und katholische Kirche mit der Militärseelsorge die Bundeswehr, also eine Organisation, die dem Führen von Kriegen und damit dem Verstoß gegen das 5. Gebot (»Du sollst nicht töten«) dienen soll und ja auch schon gedient hat und dient. Durch die Bereitstellung von Militärpfarrern, die von der Bundeswehr bezahlt werden, tragen die Kirchen auch die zunehmende Militarisierung der deutschen Innen- und Außenpolitik mit, statt sie um des Friedens willen zu deutlich kritisieren. Ich fühle mich da an das Sprichwort »Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe« erinnert. Alle Friedensappelle der Kirchen sind unglaubwürdig, solange sie die Bundeswehr durch die Militärseelsorge unterstützen, statt Soldaten wie allen anderen Menschen Seelsorge im Heimatort durch ortsansässige Gemeindepfarrer und -pastoren anzubieten.

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