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Aus: Ausgabe vom 08.10.2024, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Medizin

Das Prinzip der Genregulation

Der diesjährige Medizinnobelpreis geht an Victor Ambros und Gary Ruvkun für die Entdeckung der Mikro-RNA
Von Daniel Bratanovic
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Klein und wichtig: Eine Mikro-RNA, hier als Modell dargestellt

Als sie ihre Entdeckung machten, reagierte die Scientific Community mit Gleichmut. Die US-amerikanischen Mediziner Victor Ambros und Gary Ruvkun hatten Anfang/Mitte der 1990er Jahre an einem Fadenwurm der Gattung Caenorhabditis geforscht und dabei in Genen des Wurms eine sehr kurze RNA, sogenannte Mikro-RNA entdeckt, die offenbar für entscheidende Steuerungsprozesse bei der Genregulation zuständig sind, also dafür sorgen, dass eine Muskel- oder eine Nervenzelle auch nur das tut, was ihre eigentliche Aufgabe ist. Diese Ergebnisse waren interessant, man mochte dem ungewöhnlichen Mechanismus aber keine allgemeingültige Bedeutung beimessen, für komplexere Organismen sei er vermutlich irrelevant.

Die in den Chromosomen gespeicherten Informationen lassen sich mit einem Bauplan für alle Zellen in einem Organismus vergleichen. Jede Zelle enthält dieselben Erbanlagen. Die verschiedenen Zelltypen besitzen jedoch sehr unterschiedliche Eigenschaften. Aber welcher Vorgang ist nun verantwortlich, dass jede Zelle die für sie relevanten genetischen Anweisungen befolgt? Genetische Informationen fließen von DNA zu Boten-RNA (MRNA), über einen Prozess, der Transkription genannt wird, und dann weiter zu den Ribosomen, den Eiweißfabriken der Zelle. Dort werden MRNAs übersetzt, so dass Proteine nach den in der DNA gespeicherten genetischen Anweisungen hergestellt werden. In den 1960er Jahren konnte gezeigt werden, dass spezialisierte Proteine, die als Transkriptionsfaktoren bekannt sind, sich an bestimmte Regionen in der DNA binden und den Fluss genetischer Informationen kontrollieren können, indem sie bestimmen, welche MRNAs produziert werden. Seitdem wurden Tausende von Transkriptionsfaktoren identifiziert, und lange Zeit glaubte man, dass die Hauptprinzipien der Genregulation gelöst waren.

Als Ambros und Ruvkun weitere Mikro-RNA in einem weiteren Gen entdeckten, das im gesamten Tierreich vorkommt, stieg das Interesse an den Forschungen der beiden schlagartig. Inzwischen weiß man, dass auch beim Menschen mehr als tausend Gene für verschiedene Mikro-RNAs verantwortlich sind und dass die Genregulation durch Mikro-RNA bei mehrzelligen Organismen universell ist.

Die Mikro-RNAs koppeln an passende Sequenzen der Boten-RNAs. Diese Kopplung führt dazu, dass das jeweilige Protein nicht mehr hergestellt wird. Unter anderem mit Hilfe dieses Mechanismus gelingt es etwa menschlichen Muskel-, Darm- oder Nervenzellen, nur diejenigen Proteinsätze herzustellen, die sie jeweils benötigen, um ihre speziellen Funktionen im Organismus zu erfüllen. Auch stimmen sie mit diesem Prozess ihre Genaktivitäten laufend ab und können so auf wechselnde Bedingungen in unserem Körper und der Umwelt reagieren. Läuft die Genregulation aus dem Ruder, kann das zu schweren Krankheiten führen wie Krebs, Diabetes oder Autoimmunität. Daher trägt das Verständnis der Genregulation entscheidend dazu bei, Krankheiten zu bekämpfen.

Für ihre Entdeckung eines »völlig neuen Prinzips der Genregulation« erhalten Ambros, der an der University of Massachusetts Medical School arbeitet, und Ruvkun, der an der Harvard Medical School sowie am Massachusetts General Hospital tätig ist, den Medizinnobelpreis, wie das Karolinska-Institut in Stockholm am Montag mitteilte. »Es stellte sich heraus, dass dies für mehrzellige Organismen, einschließlich des Menschen, von wesentlicher Bedeutung ist«, begründete das Nobelpreiskomitee, seine Entscheidung. Mikro-RNA erweise sich als grundlegend für die Entwicklung und Funktion von Organismen. Die entdeckte Genregulierung funktioniere seit Hunderten Millionen Jahren. Dieser Mechanismus habe die Evolution von immer komplexeren Organismen ermöglicht.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (7. Oktober 2024 um 21:44 Uhr)
    Gut Ding will Weile haben. Wissenschaft braucht Zeit. Wissenschaft unter der Knute, wie in »Eingebildete Kontrolle, Über organisierte Selbsttäuschung in der Wissenschaftsförderung« (www.jungewelt.de/artikel/484434.wissenschaftsbetrieb-eingebildete-kontrolle.html) beschrieben, kann solche Ergebnisse nicht erbringen. Das vor über dreißig Jahren entdeckte »völlig neuen Prinzip(s) der Genregulation« kann so neu nicht sein, wenn es schon seit »Hunderten Millionen Jahren« funktioniert. Ein bisschen Demut und Selbstreflexion täte da der Einen oder dem Anderen ganz gut. Speziell vor dem Hintergrund, dass Eiweiße denaturieren, also ihre Funktion nicht mehr erfüllen können, wenn die Temperatur ihrer Umgebung zu hoch wird. Eine Kerntemperatur von zweiundvierzig Grad Celsius ist nicht lange mit dem menschlichen Leben vereinbar. Hoffen wir, dass die Genregulation auch die Temperaturregulation auf der Erdoberfläche unterstützt.

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