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Aus: Ausgabe vom 08.10.2024, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Hirnforschung

Kleines Universum

Forscher erstellen erstmals vollständige Gehirnkarte – einer Fruchtfliege
Von Felix Bartels
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Bereits Funny van Dannen stellte fest: »Sie sind überall, auf dem Klo und im Bad, sie putzen sich auf Kiwis, und sie ficken im Salat« – was sie ohne Gehirn nicht könnten

Das unentdeckte Land ist nicht nur da draußen. Es liegt auch, mehr oder weniger, zwischen unseren Ohren. Bis heute steht eine vollständige Kartierung des menschlichen Gehirns aus. Paradoxerweise jenes Organs also, das uns in die Lage versetzt, eben so was zu tun. Natürlich sind die großen Areale des Hirns identifiziert, Cerebrum, Cerebellum, Hirnstamm, Limbisches System usw. Zellbiologisch sieht es etwas anders aus. Man kennt nicht alle Varianten von Neuronen, jenen elementaren Bauteilen des Organs, die über Synapsen miteinander zu jenem komplexen Ganzen verbunden sind, das unsere vegetativen bis intelligenten Funktionen erfüllt. Die genaue Architektur dieser Verschaltungen, eine exakte neuronale Karte der Feinstruktur, ist ein langfristiges Ziel.

Auf dem Weg dorthin probieren Hirnforscher gewissermaßen an kleineren Objekten. Namentlich Fadenwürmern (Caenorhabditis elegans) und Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster). Das Gehirn der Fruchtfliege ist sehr viel kleiner als das des Menschen, es enthält ein Millionstel an Neuronen verglichen mit unseren Denkorganen. Bemerkenswert aber: Die Drosophila hat dennoch eine Reihe von Eigenschaften, die komplexe Hirnstrukturen erfordern: Sie kann riechen, hören und sehen, fliegen und navigieren, und sie scheint mittels Gesang mit Artgenossen zu interagieren. Kleiner heißt nicht zwingend simpel, denn es liegt weniger an der Größe eines Gehirns, welche Funktionen es leistet, sondern vor allem an seiner Struktur (die natürlich auch eine gewisse Ausdehnung braucht). Ein weiterer Grund für die Forschung, sich an der Fruchtfliege zu versuchen, ist die Übereinstimmung der DNA. Etwa 60 Prozent ihrer Erbsubstanz stimmen mit der menschlichen überein. So treten zum Beispiel drei von vier genetisch bedingten Krankheiten des Menschen desgleichen bei Fruchtfliegen auf. Auch das Gehirn der Fruchtfliege allerdings war bislang nicht vollständig kartiert.

Eine Gruppe des Flywire Consortiums um Sven Dorkenwald von der Princeton University hat nun zum ersten Mal eine vollständige Erfassung des Gehirns einer erwachsenen Fruchtfliege veröffentlicht. Das Ergebnis wurde in der naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature publiziert. Die Wissenschaftler zerschnitten demnach das Hirnorgan eines weiblichen Exemplars in 7.000 Scheiben. Vermittels Elektronenmikroskopen erstellte man 21 Millionen hochauflösende Bilder der Scheiben. Auf Basis dieses Materials sowie unter Anwendung eines KI-Programms kartierte die Gruppe Positionen und Verbindungen aller Gehirnzellen. Schließlich prüften die Wissenschaftler die 3D-Karte. Der Konnektom genannte Schaltplan des Fruchtfliegenhirns verzeichnet 139.255 Neuronen und 54,5 Millionen Synapsen. Die bis dahin größte Karte erfasst nur ein Siebentel der Neuronen und ein Viertel der synaptischen Verbindungen. Großen Aufwand betrieb man auch mit der Beschriftung und dem Apparat der Anmerkungen. Mehr als 8.400 Zelltypen wurden in neun Übergruppen systematisiert, 4.581 dieser Zelltypen waren bislang nicht bekannt.

Auch, welchen Wert die Karte als Instrument weiterer Forschungen haben kann, deutet sich bei ihrer Erstellung bereits an. Nebenprodukt des Projektes war unter anderem die Untersuchung, welche der synaptischen Schaltkreisläufe für welche Verhaltensweisen der Fruchtliege zuständig sind. Die meisten Hirnzellen scheinen in Abläufe integriert, die mit dem Sehen zu tun haben. Das Team konnte aber auch drei spezielle Neuronen ermitteln, die dafür sorgen, dass die kleinen Tiere Bewegungen unterbrechen können, diese Zellen tauften die Forscher »Foxglove«, »Bluebell« und sinnigerweise »Brake«.

Erkenntnisse brachte zudem der Abgleich der neuen Karte mit den früheren Karten von Fruchtfliegengehirnen. Da nicht mehr als 0,5 Prozent der in älteren Karten verzeichneten Neuronen anders verknüpft sind als die entsprechenden Zellen in der neuen Karte, zogen die Forscher die Schlussfolgerung, dass die Gehirne der Tiere sehr ähnlich aufgebaut und individuelle Gepräge kaum vorhanden sind.

Wie weit der Weg zu einer vollständigen Karte des menschlichen Gehirns ist, lässt sich nach wie vor nicht sagen. Überzeugt zeigen die Forscher sich allerdings davon, dass die Kartierung des Fruchtfliegenhirns eine Grundlage für die Kartierung auch deutlich größerer Hirnorgane sein kann, das menschliche eingeschlossen. Einstweilen noch strebt man kleinere Schritte an, die Kartierung des Hirns männlicher Fruchtfliegen sowie eines von Mäusen.

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