Vor dem Endspiel?
Von Arnold SchölzelDie militärische Lage für die ukrainische Armee verschlechterte sich am Dienstag erneut. Ungeachtet dessen und trotz der Absage des Staatsbesuchs von US-Präsident Joseph Biden bereiten sich der Westen und Kiew darauf vor, beim Treffen der Ukraine-Unterstützer auf der US-Basis Ramstein in Rheinland-Pfalz am Sonnabend weitere Waffenlieferungen festzuzurren – über den 5. November, den Tag der US-Präsidentschaftswahlen hinaus. Der Krieg tritt offensichtlich in eine entscheidende Phase.
Russische Streitkräfte rückten nach Angaben des ukrainischen Militärs in die Außenbezirke der ostukrainischen Stadt Torezk vor. Ukrainische Militärexperten warnen laut Reuters, dass ein Fall von Torezk, wo noch Tausende Einwohner von einst 30.000 ausharren, wichtige Nachschubrouten der ukrainischen Streitkräfte gefährden könnte. Dem ukrainischen Generalstab zufolge tobten ebenfalls schwere Kämpfe vor allem im Frontabschnitt zwischen Pokrowsk und Kurachowe. Militärbeobachtern beider Seiten zufolge geraten die ukrainischen Truppen dort bei der Stadt Selidowe zunehmend in Bedrängnis. Bei russischen Angriffen auf die südliche ukrainische Region Cherson sei eine Person getötet und fünf weitere seien verletzt worden, teilte die Regionalverwaltung mit. Bei einem Angriff auf die Stadt Charkiw im Nordosten wurden nach Angaben der Regionalbehörden mindestens 21 Menschen verletzt.
Unterdessen laufen im politischen Berlin die Vorbereitungen auf das Treffen von Vertretern von 50 Staaten in Ramstein trotz der Biden-Absage weiter. Reuters zitierte am Dienstag »Regierungskreise«, wonach Ramstein ein »starkes Zeichen« für die weitere militärische Unterstützung Kiews bringen werde. TASS zitierte am Dienstag ebenfalls eine anonyme Quelle aus der deutschen Regierung, die erklärt habe: »Für uns ist es wichtig, Möglichkeiten zur Erreichung des Friedens auszuloten.« Aber »wir können ohne die Beteiligung Kiews nicht über einen aufgezwungenen Frieden« oder eine Lösung sprechen. Berlin sei der Ansicht, dass »Russland seine Ziele in der Ukraine nicht erreichen sollte« und »die Ukraine nicht verlieren sollte«. Wichtig sei, »zu einem langfristigen und gerechten Frieden« in der Ukraine zu gelangen: »Dieser Prozess muss weitergehen.« Zugleich habe der Gesprächspartner die Meldung der italienischen Zeitung La Repubblica vom 9. September zurückgewiesen, wonach Bundeskanzler Olaf Scholz einen »Friedensplan« entworfen habe: »So etwas gibt es nicht.«
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij, der am Ramstein-Treffen teilnimmt, rief in einer Videobotschaft vom Montag abend die Verbündeten des Landes zu deutlich mehr Waffenlieferungen auf. In Ramstein wolle er die Partner von der »dringenden Notwendigkeit einer erheblichen Verstärkung unserer Fähigkeiten und Positionen« überzeugen. Bei der Zusammenkunft solle es auch um Investitionen in die ukrainische Waffenproduktion gehen.
Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu teilte am Dienstag mit, die Ukraine werde die zugesicherten Kampfflugzeuge vom Typ »Mirage« im ersten Quartal 2025 erhalten. Derzeit würden die Jets noch mit neuer Ausrüstung ausgestattet. Ungarn kündigte am selben Tag an, einen von den G7-Staaten vereinbarten Kredit an die Ukraine im Volumen von 50 Milliarden US-Dollar bis nach der US-Wahl hinauszuzögern. Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte, er sehe keine Möglichkeit für die Ukraine, gegen Russland auf dem Schlachtfeld zu gewinnen. Nötig sei eine Feuerpause, um Leben zu retten.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (9. Oktober 2024 um 09:32 Uhr)Einen »gerechten Frieden« hatte es vor dem vom Westen gewollten, inszenierten und finanzierten Putsch in Kiew bereits gegeben. Auch nach dem Treffen im Frühjahr 2022 in Istanbul wäre Frieden möglich gewesen. Es war nur bisher nie der Wunsch des kollektiven Westens, einen gerechten Frieden zu schließen, weil man angetreten war, Russland maximal zu schwächen, eine »Regime Change« zu provozieren und das Land danach zu kolonialisieren. Alle Eroberer der Vergangenheit haben sich bisher an der Entschlossenheit der Russen die Zähne ausgebissen. Und der jetzige Marionetten-Machthaber ist auf gutem Wege, die gleiche Erfahrung zu machen.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (8. Oktober 2024 um 22:58 Uhr)Es handelt sich hier nicht um ein Spiel, daher würde ich eher von einer Endphase des Krieges sprechen, wie auch im Artikel zutreffend beschrieben wird. Nun zur Kriegslage: Der Westen, der von Anfang an ausgeschlossen hat, einen dritten Weltkrieg zu riskieren, ist nicht in der Lage, die Ukraine entscheidend auf die Siegesstraße zu führen. Je länger sich der Krieg hinzieht, desto deutlicher wird dies. Die demografischen Verluste der Ukraine sind inzwischen so gravierend, dass sie diesen Konflikt kaum anders als geschwächt und als Verlierer beenden kann. Aus diesem Grund wäre die Regierung in Kiew gut beraten, weitere Opfer junger Generationen zu vermeiden und Kompromisse in Betracht zu ziehen. Das mag nicht ideal sein, aber es ist sicherlich besser als der vollständige Niedergang. Es ist höchste Zeit, dies zu erkennen.
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Leserbrief von Joachim Seider aus Berlin (9. Oktober 2024 um 15:18 Uhr)Lieber Istvan Hidy, was stärkt Sie so in der Überzeugung, der Westen habe von Anfang an ausgeschlossen, sich in einen dritten Weltkrieg hineinziehen zu lassen? Sollte, wer eine Atommacht bis aufs Äußerste reizt, demütigt und provoziert wirklich nicht wissen, wohin das führen kann? Für die warmen Worte westlicher Politiker, keinen globalen Konflikt riskieren zu wollen, können sich weder Russland noch China etwas kaufen, wenn das tägliche Handeln der Militärs genau das Entgegengesetzte in sich birgt.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (10. Oktober 2024 um 11:43 Uhr)Lieber Joachim Seider, es gibt mehrere Gründe, die deutlich machen, dass die westlichen Länder bewusst darauf achten, eine Eskalation in einen globalen Konflikt zu vermeiden: Abschreckung durch NATO-Präsenz: Die NATO und ihre westlichen Verbündeten haben von Anfang an klargemacht, dass sie keinen direkten militärischen Konflikt mit Russland anstreben. Trotz der umfangreichen militärischen Unterstützung für die Ukraine wurde bewusst entschieden, keine eigenen Truppen ins Land zu entsenden oder direkt in den Krieg einzugreifen. Dies zeigt klar, dass der Westen eine Eskalation in einem größeren Krieg verhindern will. Kontrollierte Unterstützung: Die westliche Hilfe für die Ukraine ist zwar erheblich, aber sorgfältig dosiert, um eine Eskalation mit Russland zu vermeiden. Die gelieferten Waffensysteme sind oft auf Verteidigungszwecke ausgelegt, während hochriskante Offensivwaffen nur begrenzt bereitgestellt werden. Dies zeigt, dass der Westen seine Handlungen darauf abstimmt, keine direkte Konfrontation mit einer Atommacht zu riskieren. Es ist wichtig anzuerkennen, dass westliche Führer wie Joe Biden oder Olaf Scholz kontinuierlich betonen, dass der Konflikt nicht in einen Weltkrieg eskalieren darf. Diese Aussagen sind weit mehr als bloße Rhetorik – sie spiegeln eine sorgfältig durchdachte diplomatische und militärische Strategie wider, die darauf abzielt, den Konflikt unter Kontrolle zu halten. Zusammengefasst ist der Westen durchaus bemüht, das Risiko eines globalen Konflikts zu minimieren, auch wenn das Engagement in der Ukraine manchmal anders erscheinen mag. Die militärischen und diplomatischen Maßnahmen sind so gestaltet, dass sie eine Eskalation verhindern und dennoch die Ukraine in ihrem Kampf unterstützen. Diese Balance ist schwierig, aber entscheidend, um einen dritten Weltkrieg zu vermeiden – ein Szenario, das wohl niemand wirklich will.
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