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Aus: Ausgabe vom 09.10.2024, Seite 16 / Sport
Fußballrealität

Dein Stück vom Stadion

Der FC St. Pauli gründet die erste Genossenschaft im deutschen Profifußball
Von Raphael Molter
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Für 850 Piepen gehört dir dein Steher: Der FC St. Pauli macht seinen Fans ein Angebot (Spiel gegen Hansa Rostock, 26.4.2024)

Der Kapitalismus ist bekanntlich ein Allesfresser: In ihm wird auch ein populärer Sport wie Fußball zur Ware, die Infrastruktur eines Vereins zum Vermögenswert. Doch wieviel ist ein Stadion oder ein Nachwuchsleistungszentrum wert? Diese Frage wird nicht häufig gestellt – erst recht nicht, wenn ein Verein seine Kredite tilgen und den Spielbetrieb durch Gehaltszahlungen und Verwaltungskosten aufrechterhalten kann. Wenn aber die Schulden nicht mehr bedient werden können, kommt es zu einer interessanten Anomalie: Die Vermögenswerte werden meist wertlos, allen voran das Stadion. Was tut ein betroffener Verein also, wenn der sportliche Erfolg nicht den gewünschten finanziellen Umsatz beschert: die Profiabteilung ausgliedern und Anteile an Investoren verkaufen? Oder Sponsoren für offene »Vermarktungslücken« verpflichten, damit etwa die Abtretung der Namensrechte am eigenen Stadion die gewünschten ein, zwei Millionen Euro mehr pro Jahr einbringt?

Beim Hamburger Erstligisten FC St. Pauli hatte man eine andere Idee, die aktuell für Aufsehen sorgt. Nach vielen Jahren der (öffentlichen) Überlegungen hat man nun die erste Genossenschaft für einen Fußballverein gegründet, die »Football Cooperative St. Pauli e. G.«. Bereits vor knapp fünf Jahren sprach der damalige Vereinspräsident Andreas Rettig davon, Stadionanteile in Form einer Genossenschaft auszugeben, um den Verein mit frischem Eigenkapital zu versorgen. Aufgrund der Besonderheit, dass das Stadion zwar dem Verein, der Stadt aber das Land gehört, auf dem das Stadion steht, verzögerten sich diese Pläne wegen steuerlicher Probleme.

Im September wurde das Vorhaben öffentlich vorgestellt, und bereits Mitte Oktober soll der Anteilsverkauf beginnen. Der Verein begründet den Schritt mit der notwendigen Finanzierung des Infrastrukturausbaus. Bis zu 30 Millionen Euro sollen durch die Genossenschaft eingenommen werden, die zur Tilgung von Bankkrediten gedacht sind, die für den Umbau des Stadions am Millerntor von 2006 bis 2015 aufgenommen wurden. Der FC St. Pauli will schuldenfrei werden und zugleich in die Infrastruktur investieren, etwa ein neues Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) errichten. Üblicherweise kommen in solchen Fällen die nötigen Eigenmittel entweder von Investoren oder neuen Sponsoren. Das will der Verein jedoch nicht. Weder soll der Stadionnamen verscherbelt noch durch Ausgliederung der Profiabteilung ein Großinvestor geangelt werden – statt dessen sollen sich viele kleine Anleger Anteile an der Stadions-GmbH und dem NLZ sichern können. Pro Anleihe werden 750 Euro plus 100 Euro Zeichnungs- und Verwaltungsgebühr fällig. Für viele Fans des Vereins eine hohe Summe, der Verein verspricht Möglichkeiten für ärmere Menschen in Form eines Ansparmodells. Die Summe aber bleibt dieselbe.

Die Genossenschaft des Hamburger Kiezvereins soll ausdrücklich nur die Infrastruktur des Vereins besitzen. Es geht also weder um die Profiabteilung noch um den Spielbetrieb. Damit unterscheidet sich das Modell vor allem durch den Namen von bereits bekannten Finanzierungswegen anderer Vereine, die ihre Anhängerschaft ebenfalls für notwendige Kohle angepumpt haben. Für den Ausbau der Haupttribüne verkaufte der 1. FC Union Berlin schon 2011 Stadionaktien an die eigenen Mitglieder; auch der FC St. Pauli verkaufte bereits vor über einem Jahrzehnt Anleihen für den Stadionausbau und die Modernisierung des Trainingszentrums. Für die Vereine eine gute Möglichkeit, sich mit Geld zu versorgen und dabei keine oder kaum Zinszahlungen leisten zu müssen.

Auf St. Pauli verspricht man sich viel von der Genossenschaft und redet von einem »Gegenentwurf zur Macht der Großinvestor*innen und zum Ausverkauf des Fußballs«. Denn man mache jeden Anleger zu einem Mitbestimmer und versuche so, Demokratie und Partizipation in der kalten Welt des kapitalisierten Fußballs zu leben. Jeder Anleger erhalte eine Stimme, egal wie viele Anteile er kauft. So soll ein anderer Fußball möglich sein.

Stellt sich nur die Frage, ob ein »anderer Fußball« schon damit erreicht ist, wenn andere Formen der Finanzierung gefunden sind oder ob aus St. Pauli die nächste »Mitmachfalle« der Fußballindustrie wird, um den Fans den letzten Cent aus der Tasche zu ziehen, ohne Mitbestimmung in den wirklich relevanten Bereichen zu ermöglichen.

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