Wenn Habeck »aus dem Quark« kommt
Von Arnold SchölzelEs gibt noch blühende deutsche Gewerbe: In Lübeck begann am Mittwoch ein Zauberkongress mit 600 Teilnehmern. Mehr Magisches gab’s am selben Tag aber in der Berliner Bundespressekonferenz: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) begleitete seine Vorstellung der Herbstprognose seines Hauses zum Wirtschaftswachstum mit einem Wortschwall, der jedem Profiillusionisten mit Kaninchen im Zylinder Ehre machte. Die Fakten: Das Bruttoinlandsprodukt wird um 0,2 Prozent schrumpfen, statt wie von Habeck im Frühjahr angekündigt um 0,3 Prozent zulegen. 2023 hatte es bereits ein Minus von 0,3 Prozent gegeben.
Zwei Rezessionsjahre in Folge gab es bislang nur ein Mal in der Nachkriegsgeschichte, und zwar 2002 und 2003. Dem folgte damals die »Agenda 2010«, das heißt Armut per Gesetz. Heute verlangen Friedrich Merz (CDU) und Christian Lindner (FDP) eine »Agenda 2030«. Habeck setzt mehr auf Abrakadabra und dröhnte von einem »Land voller Stärke«: Ab Anfang 2025 werde alles besser. Wegen höherer Löhne und weil »imposant« sei, was »wir« in den vergangenen zwei Jahren trotz Wegfall russischen Gases und Inflation »hinter uns gebracht haben«. Die Regierung müsse lediglich ihre sogenannte Wachstumsinitiative umsetzen und die »Schuldenbremse« lockern: »Wenn es dort mehr Spiel geben würde, würden wir als Volkswirtschaft wirklich einmal aus dem Quark kommen.« Scheint auch nötig: Seit dem Jahr 2000 ist, wie er sagte, die deutsche Wirtschaftsleistung im Durchschnitt jährlich um ein Prozent gewachsen, seit 2018 stagniert sie, Konjunkturforscher sehen nur noch 0,6 Prozent Wachstumspotential für die Zukunft. Das reicht bald für die rote Laterne unter den Industrieländern, die Habeck aber »führen« will.
Das deutsche Kapital reagierte grummelig auf den Hokuspokus. Es verlangte am Mittwoch »weitere umfassende Reformpakete« (Deutsche Industrie- und Handelskammer) sowie Senkung der Unternehmenssteuern, der Energiepreise und ein Ende des Habeck-Schweigens zur »Explosion der Lohnzusatzkosten« (Verband der Familienunternehmer). Habeck sollte sich auf dem Zauberkongress nach neuen Kaninchen umsehen.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (10. Oktober 2024 um 10:28 Uhr)In Deutschland überlagern sich konjunkturelle Faktoren mit strukturellen Schwächen, wie der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck vor den Medien erklärte. Vor allem die Industrie befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Energieintensive Branchen wie die Chemie- und Stahlindustrie müssen sich auf eine Welt ohne günstiges russisches Pipeline-Gas einstellen. Die Automobilindustrie hinkt bei der Umstellung auf Elektromobilität und digitalisierte Fahrzeuge der Konkurrenz aus den USA und China hinterher. Auf den Weltmärkten stößt der einstige Exportweltmeister auf US-Protektionismus und ein China, das zunehmend als gesättigter Absatzmarkt auftritt und selbst immer mehr Autos, Chemikalien und Maschinen produziert und exportiert, statt lediglich billige Kleidung zu liefern. Hinzu kommen der Zwang zur Dekarbonisierung und die alternde Gesellschaft. Willkommen im Tal der Tränen! Es ist klar, dass Habeck nicht allein für die wirtschaftliche Misere verantwortlich ist. Doch mit seiner erratischen, interventionistischen Politik haben er und die Grünen die Wirtschaft zusätzlich belastet. Der angeschlagene Minister denkt jedoch nicht daran, aufzugeben – im Gegenteil: Er plant, als Spitzenkandidat der Grünen und vermutlich auch als Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. Solche politische Kurzsichtigkeit müsste in einer Demokratie eigentlich strafbar sein. Oder?
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Leserbrief von Joachim Seider aus Berlin (10. Oktober 2024 um 13:06 Uhr)Es könnte natürlich auch sein, dass Wirtschaftskrisen, wie wir sie bei der Überproduktionskrise der Autoindustrie gerade erleben, nicht im Fehlverhalten einzelner Akteure wurzeln, sondern tiefere Ursachen haben. Insofern ist es nicht zielführend, auf Herrn Habeck zu zeigen und ihn aller Sünden dieser Welt zu bezichtigen. In leichter Abwandlung eines berühmten Ausspruchs könnte man sagen, dass der Kapitalismus eben die Krise in sich trägt, wie die Wolken den Regen. Warum das so sein muss, hat ein bärtiger Mann vor über 150 Jahren sehr treffend beschrieben. Vielleicht wäre es wichtig, bei ihm nachzulesen, wo die eigentlichen Krisenursachen auch heute noch liegen. Habeck allein heißen sie jedenfalls nicht.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (10. Oktober 2024 um 00:34 Uhr)Wenn Quark aus dem Habeck käme, käme ja was Brauchbares heraus. Wiedereinmal ist das Erwartbare herausgekommen.
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