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Aus: Ausgabe vom 10.10.2024, Seite 8 / Ansichten

Machtfaktor Straße

Kolumbien
Von Frederic Schnatterer
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Gustavo Pedro schaffte es bislang immer, seine Unterstützer zu mobilisieren, wenn es für ihn eng zu werden drohte (Bogota, 19.9.2024)

Nicht zum ersten Mal warnt der kolumbianische Präsident vor einem Putsch gegen sich oder seine Regierung. Das bedeutet aber nicht, dass an dem Vorwurf nichts dran wäre. Was auch die linksliberale spanische Tageszeitung El País am Mittwoch einräumte: mit Erinnerung daran, dass Gustavo Petro schon einmal nach richterlichen Anschuldigungen aus einem politischen Amt entfernt worden war. 2013 gelang es der Generalstaatsanwaltschaft, den damaligen Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá seines Amtes zu entheben. Später wurde das Urteil für ungültig erklärt.

In fast prophetischer Weise erklärte Petro seinerzeit: »Sollte ich Präsident von Kolumbien werden, wird es einen Staatsstreich geben.« Heute, bald elf Jahre später, ist er Präsident, 2022 als erster Linker in der Geschichte des südamerikanischen Landes in den Präsidentenpalast gewählt. Den Erfolg verdankte er der Unterstützung verarmter und marginalisierter Teile der Bevölkerung, die sich ein Ende der Gewalt und der brutalen Ausbeutung wünschten. Auch die Gewerkschaftsbewegung und die indigene, afrokolumbianische und kleinbäuerliche Landbewegung hatten großen Anteil an seinem Wahlsieg.

Wie es um die Prophezeiung von 2013 steht, wird sich zeigen. Die Anklage durch den Wahlrat CNE gegen Petro und sein Wahlkampfteam ist höchstwahrscheinlich wahrheits- und zudem verfassungswidrig. Das ist dramatisch. Auch wenn es für sich genommen keinen Putschversuch darstellt, beweist das Manöver, dass die alten Eliten des Landes nichts unversucht lassen, Petro das Regieren unmöglich zu machen.

Wieder einmal, denn neu ist das Vorgehen nicht. Das »Projekt des Wandels«, das Petro mit seiner Regierung verfolgt, ist zwar keineswegs radikal. Da die Wirtschaftseliten aber nicht einmal kleinste Reformen zugestehen, sah es sich von Tag eins an heftigen Attacken ausgesetzt. Justizapparat und staatliche Behörden, die die alten Machthaber ohnehin nie aus der Hand gegeben haben, legten Petro Steine in den Weg, wo es nur ging. Flankiert wurden die Attacken von Schmutzkampagnen, mit denen die Bevölkerung gegen den ehemaligen Guerillero aufgebracht werden sollte.

Bislang ohne Erfolg – obwohl Petros seichter Reformkurs durchaus vermehrt zu Kritik auch in den eigenen Reihen führt. Trotzdem gelang es dem Staatschef bislang immer, seine Unterstützer zu mobilisieren, wenn es für ihn eng zu werden drohte. Darum wird es auch jetzt wieder gehen – und das weiß er. Daher Aussagen wie die, nun sei »die Zeit des Volkes«. Daher die Warnung vor einem Putsch. Daher der Ruf nach Demonstrationen und Alarmbereitschaft. Petro setzt damit alles auf eine Karte. Sein Kalkül: Er schafft es, seine Unterstützung auf den Straßen des Landes sichtbar zu machen. Das gäbe ihm und seiner Regierung wieder etwas Luft zum Atmen.

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