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Aus: Ausgabe vom 10.10.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Chile

Studieren ohne die Banken

1,2 Millionen Chilenen sind nach ihrem Studium dauerhaft verschuldet. Präsident Boric möchte das ändern
Von Carmela Negrete
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Am 3. Oktober 2024 demonstrieren Studenten der Universität von San Sebastian gegen Studienkredite

Es war ein Herzensanliegen des ehemaligen Studentenführers und heutigen Präsidenten Chiles, Gabriel Boric. Am Dienstag präsentierte das jüngste Staatsoberhaupt in der Geschichte des südamerikanischen Landes, das von der reformistischen Koalition Apruebo Dignidad regiert wird, seinen Plan zur Abschaffung von Studienkrediten und zur Einführung eines neuen Finanzierungssystems für die Hochschulbildung. Schon in seiner Wahlkampagne 2022 hatte Boric versprochen, das Problem, das als »gescheiterter sozialer Aufstieg« bezeichnet wird, zu lösen. Denn viele Menschen in Chile können ihre Studienkredite später nicht zurückzahlen. Die Abschaffung der Studienschulden war bereits 2011 während der großen Studentenproteste ein Thema.

In einer Ansprache verkündete Boric, dass das Problem des 2005 eingeführten, staatlich garantierten Studienkreditsystems bald der Vergangenheit angehören wird: »Die Mehrheit derjenigen, die heute zuhören, kennt jemanden, der verschuldet ist, weil er mit dem staatlich garantierten Kredit studiert hat.« Dies sei eine Belastung für die Studierenden und ihre Familien. Betroffen sind nach Angaben des Bildungsministeriums derzeit rund 1,2 Millionen Menschen mit insgesamt 11,7 Milliarden US-Dollar Schulden. Fast 70 Prozent der Verschuldeten verdienen monatlich lediglich rund 750.000 Pesos (etwa 825 US-Dollar), was die Rückzahlung unmöglich macht. Zudem haben 73 Prozent der Betroffenen ihr Studium nicht abschließen können.

Ein vollständiger Schuldenerlass, wie im Wahlkampf versprochen, bleibt jedoch aus. Die vielen Details im Kleingedruckten bedeuten letztendlich, dass den bereits Verschuldeten nur ein Teil erlassen wird. Dies soll auf der Grundlage von »Gerechtigkeits- und Leistungsprinzipien« geschehen. Entscheidend wird sein, ob das Studium abgeschlossen wurde und ob bereits Zahlungen geleistet wurden. Der Gesetzentwurf des chilenischen Präsidenten wurde am Dienstag dem Parlament vorgelegt, wo die Regierungskoalition allerdings keine Mehrheit hat. Sollte der Entwurf jedoch angenommen werden, würde das gescheiterte Modell durch ein neues »Öffentliches Finanzierungsmodell für die Hochschulbildung« ersetzt.

Damit könnten einkommensschwache Schichten ohne Studiengebühren und Schulden studieren, während Spitzenverdiener eine Ausgleichszahlung leisten müssten, ähnlich dem Vorschlag der ehemaligen Präsidentin Michelle Bachelet. Kostenfrei wird das Studium allerdings nicht sein; es soll durch eine Progressivsteuer finanziert werden, die nach dem Studium vom Lohn abgezogen wird, jedoch nicht mehr als acht Prozent des Einkommens betragen soll.

Die rechte Opposition kritisierte, dass dies angeblich enorme Kosten für den Staat verursachen würde. Boric entgegnete bereits in seiner Ankündigung, dass »dies deutlich geringere Ausgaben für den Staat bedeuten wird als die derzeitigen Kosten«. Das bisherige System koste den chilenischen Staat rund neun Milliarden Dollar pro Jahr, da viele Kredite nicht zurückgezahlt würden, so Boric. Was allerdings ebenfalls wegfallen wird – zum Ärger der Opposition – ist die private Bereicherung an einem öffentlichen Gut wie der Hochschulbildung sowie die Angst, lebenslang verschuldet zu sein, wenn man nur über begrenzte Ressourcen verfügt. »Die Banken werden an diesem neuen Finanzierungsinstrument nicht beteiligt sein«, betonte der Präsident. So werde es »keinen Raum für Spekulationen, Missbrauch oder Gewinnstreben geben, sondern eine gerechte Gegenleistung für die erhaltene Ausbildung«.

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