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Aus: Ausgabe vom 11.10.2024, Seite 6 / Ausland
Nahostkonflikt

Anzeige gegen Mossad

Niederlande: Israelischer Geheimdienst soll Mitarbeiter von Strafgerichtshof unter Druck gesetzt haben
Von Gerrit Hoekman
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Ziel israelischer Überwachung und Schikane: Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (o. D.)

Die niederländische Staatsanwaltschaft erwägt ein Strafverfahren gegen Israel. Hintergrund ist, der Vorwurf der Einmischung in die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag – konkret soll der israelische Geheimdienst Mossad neun Jahre lang versucht haben, Ermittlungen des Gerichts wegen begangener Kriegsverbrechen in der völkerrechtswidrig von Israel besetzten Westbank zu verhindern. Der Strafgerichtshof untersucht und verfolgt seit 2002 weltweit unter anderem Völkermord und Kriegsverbrechen.

Vergangene Woche stellte eine Gruppe von 20 Palästinensern deswegen bei der niederländischen Justiz Strafanzeige. Israel habe versucht, »Mitarbeiter des IStGH unter Druck zu setzen, zu verleumden und zu bedrohen, mit dem Ziel, die Ermittlungen zu israelischen Kriegsverbrechen zu beeinflussen«, zitierte die niederländische Tageszeitung Trouw am Montag aus einer Stellungnahme der Anwälte der überwiegend im Westjordanland lebenden Palästinenser, nur zwei von ihnen sind US-Staatsbürger. »Sie betrachten eine mögliche israelische Einmischung als direkte Verletzung ihres Zugangs zur Justiz«, sagte ihre Anwältin Barbara van Straaten gegenüber Trouw.

Als Gastland des IStGH sind die Niederlande für die Sicherheit aller Mitarbeitenden an dem Haager Gerichtshof verantwortlich und müssen garantieren, dass er »frei von Einmischung jeglicher Art« arbeiten kann. Die Anwälte der Palästinenser fordern die Staatsanwaltschaft auf, ihre Ermittlungen »als dringende Angelegenheit« zu behandeln. Ein Sprecher der niederländischen Staatsanwaltschaft bestätigte dem Guardian gegenüber am Dienstag den Eingang der Anzeige. Sie werde nun geprüft.

Die Anzeige beruht auf einer mehrere Monate zurückliegenden gemeinsamen Recherche des Guardian, der israelisch-palästinensischen Internetzeitung +972 und der hebräischsprachigen Nachrichtenseite Local Call. Sie enthüllten, wie sich der Mossad bemühte, die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs, Fatou Bensouda aus Gambia, zu beeinflussen und einzuschüchtern, nachdem sie 2015 eine vorläufige Untersuchung zur Lage in Gaza, der Westbank und im besetzten Ostjerusalem eingeleitet hatte. »Ein Schritt, der Israel dazu veranlasste, seine verdeckte Kampagne gegen das Gericht zu starten«, so The Guardian.

Der Mossad habe E-Mails zwischen Mitarbeitenden des Strafgerichtshofs und Zeugen sowie NGOs abgefangen und Telefonate abgehört. Auch der frühere Chef des Mossad, Josef Cohen, soll persönlich Druck auf Bensouda ausgeübt haben, um die Einstellung der Ermittlungen zu erreichen. Sie sei bedroht worden. Boten sollen ihr einen Brief mit Bargeld und einer israelischen Telefonnummer an die Haustür geliefert haben. Den Ermittlungen des Strafgerichtshofs seien dadurch »irreparable Schäden« zugefügt worden, begründen die 20 Palästinenser laut Trouw ihre Anzeige: »Es besteht die Befürchtung, dass sich das Gericht so unter Druck gesetzt fühlt, dass es die Ermittlungen gegen Israel einstellt.«

Bensouda machte sich als Chefanklägerin naturgemäß nicht nur in Israel mächtige Feinde. Als der IStGH im März 2020 den Weg für Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen der US-Truppen in Afghanistan freimachte, setzte Außenminister Michael Pompeo die Juristin auf die »Schwarze Liste« der USA, auf der normalerweise vermeintliche Terroristen, Diktatoren nebst Angehörigen oder Drogenbarone stehen. Im Juni 2021 wurde Bensouda vom Schotten Karim Ahmad Khan abgelöst. Er beantragte im Mai Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Joaw Gallant und die Hamas-Führer Ismail Hanija, Mohammed Deif und Jahja Sinwar wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit.

Die Richter des IStGH prüfen seither Khans Antrag. Zwei Haftbefehle sind inzwischen hinfällig: Hanija wurde am 31. Juli in Teheran getötet, Deif kam nach israelischen Angaben am 13. Juli in Khan Junis ums Leben. Sinwar ist der neue Chef der Hamas und soll sich noch im Gazastreifen aufhalten.

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