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Aus: Ausgabe vom 11.10.2024, Seite 7 / Ausland
Georgien

Klar zum Regimewechsel in Tbilissi

Georgien: EU und USA erklären bevorstehenden Urnengang zur »Schicksalswahl«
Von Reinhard Lauterbach
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Berechtigter Protest oder Versuch einer Farbenrevolution? Demonstration gegen Gesetz über ausländische Einflussnahme in Tbilissi (28.5.2024)

Zwischen Georgien und der EU hängt der Haussegen schief. Brüssel hat die Verhandlungen über einen späteren Beitritt des Landes ausgesetzt. Zumindest bis nach der auf den 26. Oktober terminierten Parlamentswahl. Denn bei der soll es nach übereinstimmender Darstellung aus Berlin, Brüssel und Washington um nicht weniger gehen als die künftige geopolitische Orientierung des Landes: »euroatlantisch« oder »postsowjetisch«. Der Westen und die von ihm ausgehaltene georgische Opposition verdächtigen die Regierungspartei »Georgischer Traum« und ihren Vorsitzenden Bidsina Iwanischwili, Georgien zurück in die Einflusssphäre Russlands steuern zu wollen. Die Prowestler dagegen führen bei ihren Straßenkundgebungen stets Unmengen von blauen EU-Bannern mit, um ihre politische Orientierung zu symbolisieren.

Auslöser für den Krach zwischen Tbilissi und dem kollektiven Westen ist ein im Sommer trotz westlicher Interventionen verabschiedetes Gesetz über »Transparenz des öffentlichen Lebens«. Es verpflichtet sogenannte Nichtregierungsorganisationen, ihre Tätigkeit beim Justizministerium anzumelden, sofern sie mehr als 20 Prozent ihrer Finanzierung aus ausländischen Quellen beziehen. Das wurde im Westen als Orientierung an dem in Russland geltenden Gesetz über »ausländische Agenten« wahrgenommen, das sich seinerseits den entsprechenden 1938 in den USA verabschiedeten »Foreign Agents Act« zum Vorbild nahm. Angeblich soll die Registrierungspflicht die Tätigkeit der »Zivilgesellschaft« gängeln. Außerdem ist in Brüssel und Washington übel aufgestoßen, dass sich der »Georgische Traum« aus dem Ukraine-Konflikt demonstrativ heraushält und mit Plakaten zerstörter ukrainischer Städte verspricht, Georgien ein solches Schicksal zu ersparen. Die ukrainische Botschaft in Tbilissi hat sich nicht entblödet, den Versuch zu machen, der Regierungspartei die Verwendung der Fotos aus Urheberrechtsgründen verbieten zu lassen.

Dass es mit der Transparenz des öffentlichen Lebens in Georgien nicht besonders weit her ist, geht aus Angaben des staatlichen Statistikamtes hervor. Wie das Portal tagesschau.de im September berichtete, sind in Georgien gut 4.000 Nichtregierungsorganisationen tätig, von denen nur 40 bis 50 – also um die ein Prozent – »öffentlich bekannt« seien. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass die überwiegende Mehrheit dieser Gruppen sich mit Dingen beschäftigt, über die eher nichts an die Öffentlichkeit dringen soll. EU und USA hatten im Vorfeld der Parlamentsentscheidung über das Transparenzgesetz starken Druck auf Georgien ausgeübt, die Vorlage in der Versenkung verschwinden zu lassen. Politiker der prowestlichen Opposition hatten mit Prügeleien im Plenarsaal versucht, die Verabschiedung zu verhindern.

Die Regierungspartei »Georgischer Traum« gilt als stärkste einzelne politische Kraft des Landes, hat aber nach den Umfragen keine absolute Mehrheit. Ihr gegenüber stehen mehrere »proeuropäische« Parteien, darunter die »Vereinigte Nationalbewegung« des einstigen Präsidenten Micheil Saakaschwili. Eine andere Oppositionspartei ist »Für Georgien« des früheren Premiers Giorgi Gacharia, eine weitere gehört dem bekanntesten Banker Georgiens, Mamuka Chasaradse, der sich am »Georgischen Traum« dafür rächen will, dass die Regierungspartei ihm eine geplante Investition in einen Tiefseehafen an der Schwarzmeerküste verwehrt haben soll. Jede der Oppositionsparteien muss fürchten, bei der anstehenden Wahl an der Fünfprozenthürde zu scheitern. Deshalb hat Staatspräsidentin Salome Surabischwili versucht, ein Bündnis der Opposition zu schmieden – mit teilweisem Erfolg, und in der Hoffnung, dass sich die Opposition nach der Wahl wenigstens darauf einigen kann, wieder auf »proeuropäischen« Kurs zu gehen und zu tun, was Brüssel von Georgien verlangt.

Wie die Wahl ausgeht, ist schwer vorauszusagen. Aber mit einem kann man sicher rechnen: dass die Opposition, wenn ihr der Machtwechsel nicht gelingen sollte, der Regierung Wahlfälschung vorwerfen wird. Das Fußvolk der Opposition rüstet sich schon zu neuen Straßenunruhen. Mit Schulungen zum Unterlaufen von Wasserwerfern und Kochsalzlösung gegen Tränengas im Rucksack.

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