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Aus: Ausgabe vom 11.10.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Handelskrieg von USA und EU

China steigert Kapitalexport

Volksrepublik umgeht Sanktionen durch Produktionsverlagerungen. Zumindest eine Zeit lang
Von Wolfgang Pomrehn
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Chinas Kapitalexport war bereits auf hohem Niveau. Seit Anfang 2023 ist er weiter stark gestiegen. Gleichzeitig sind die ins Land fließenden Investitionen seit Beginn 2022 deutlich zurückgegangen, wie die Daten des Internationalen Währungsfonds zeigen. Demnach setzt der Rückgang Ende 2021 ein und ist vor allem auf wachsende internationale Spannungen und daraus resultierende Unsicherheiten zurückzuführen. Auch sinkende Erwartungen in das weitere Wachstum der chinesischen Wirtschaft spielen demnach eine Rolle.

China ist dadurch zum Nettokapitalexporteur geworden, oder genauer zum Nettoinvestor, denn die erheblichen Währungsreserven, die unter anderem in US-Schatzbriefen gehalten werden, sind in diesen Daten nicht mitgemeint. Die betrugen nach Angaben der Staatlichen Verwaltung für Währungsaustausch Mitte 2024 immerhin rund 3,2 Billionen US-Dollar, wobei vermutlich etwa die Hälfte dieser Summe in anderen ausländischen Währungen gehalten wird.

Private wie staatliche Konzerne stecken vermehrt Kapital in Fertigungsanlagen im Ausland. In den ersten acht Monaten des Jahres waren es 789,45 Milliarden Renminbi Yuan (102,06 Milliarden Euro), 12,5 Prozent mehr als in der gleichen Periode ein Jahr zuvor, schreiben Hongkonger Mitarbeiter des Climate-Energy-Finance-Instituts (CEF) in Sydney über die jüngste Entwicklung. Es gebe einen regelrechten »Tsunami« in der Finanzierung von Projekten rund um die erneuerbaren Energieträger. China exportiert nicht nur den Überschuss seiner Solarzellenfertigung und anderer entsprechender Produkte, sondern zunehmend auch Fertigungskapazitäten sowie Know-how und sorgt für die entsprechenden Finanzierungsmechanismen und Lieferketten, meint CEF-Chef Tim Buckley gegenüber der Financial Times Anfang Oktober.

Erst kürzlich hatte die Regierung in Beijing die chinesischen Konzernspitzen der Akku- und E-Autohersteller davor gewarnt, zu viel der eigenen Entwicklungen preiszugeben. Es sei besser, die wichtigsten Komponenten im Inland zu produzieren und in den Zielländern der Investitionen nur Fabriken zu errichten, die die Autos zusammenbauen. Werke wurden unter anderem bereits in Äthiopien errichtet.

Gründe für den verstärkten Drang ins Ausland sind unter anderem die von der US-Regierung auferlegten Handelsbeschränkungen im Hochtechnologiebereich sowie die zunehmenden Einfuhrzölle für Elektroautos und Solaranlagen in die USA und die EU. Erst vergangene Woche hatten die Regierungen der Mitgliedsländer beschlossen, dass ab nächstem Monat eine Abgabe von bis zu 35,3 Prozent auf chinesische E-Autos erhoben werden kann. Chinesische Hersteller versuchen, diese Hürden zu umgehen, indem sie Nordamerika und Westeuropa aus anderen Ländern beliefern oder ihre Fahrzeuge und Solaranlagen gleich vor Ort produzieren.

Die USA begegnen dieser Entwicklung inzwischen damit, dass sie demnächst auch Solarmodule und -zellen aus Kambodscha, Malaysia, Thailand und Vietnam mit einem Einfuhrzoll belegen. Von dort stammen bisher 80 Prozent der US-amerikanischen Importe, oft von chinesischen Herstellern. Es scheint fast, als ob Beijing mit Washington und Brüssel in einem neuartigen Katz-und-Maus-Spiel gefangen ist. Nebenbei tragen chinesische Unternehmen zur Industrialisierung mancher Länder im globalen Süden bei, und zwar auf Grundlage neuester Technologien.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (11. Oktober 2024 um 11:41 Uhr)
    Der enorme Handelsüberschuss der chinesischen Wirtschaft zwingt Investoren zunehmend dazu, verstärkt im Ausland zu investieren. Häufig wird dies von westlichen Medien neidisch als »Kapitalflucht« bezeichnet. Die Weltwirtschaft, insbesondere die USA, ist in fragwürdigen Narrativen gefangen. Dies betrifft vor allem die aktuelle Einschätzung der Vor- und Nachteile der Globalisierung und damit auch die Beziehung zu China, das oft als Ursache für diverse US-Probleme angesehen wird, wie das Handelsbilanzdefizit oder den Rückgang der industriellen Produktion. Gleichzeitig zeigt sich ein hohes Maß an Eigennutz und Egoismus in Bezug auf die Globalisierung und den Freihandel. Anstelle kooperativen Handelns bestimmen zunehmend Aktion und Reaktion die globale Gesellschaft. Zudem rücken wirtschaftliche Unabhängigkeit und nationale Sicherheit als vorrangige Ziele immer stärker in den Fokus, die scheinbar über wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand gestellt werden. Gerade in einer Phase, in der die Auswirkungen der Globalisierung ohnehin an Dynamik verlieren, besteht die Gefahr, dass ein durch fragwürdige Narrative getriebener Rückzug verstärkt zu Spannungen führt. Die zunehmend angespannten Beziehungen zu wichtigen Handelspartnern sowie die Sorge vor zukünftigen Zöllen und Sanktionen im Zusammenhang mit der Ukraine- oder Taiwan-Problematik tragen ebenfalls dazu bei, dass China strategisch seine Kontrolle über Bodenschätze, Handelsrouten und Produktionsstandorte sowie seine Vormachtstellung in den globalen Lieferketten ausbaut. Diese strategische Unabhängigkeit verschafft China eine entscheidende Stärke gegenüber den westlichen Dienstleistungs- und Finanzgesellschaften, indem es sich von fremden Produktions- und Lieferketten unabhängig macht und so nicht erpressbar ist.

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