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Aus: Ausgabe vom 11.10.2024, Seite 11 / Feuilleton
Serie

Ohne Schirm und Monokel

Die Serie »The Penguin« mit Colin Farrell in der Hauptrolle erlaubt Einblicke in die Unterwelt des Batman-Universums
Von Maik Rudolph
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»Mein Vetter Winnie« wie aus dem Gesicht geschnitten: Gothams Joe Pesci zwischen Geliebter und unfreiwilligem Handlanger

Nach Burgess Meredith und Danny DeVito nun Colin Farrell in: Was wäre, wenn Joe Pesci durch Gotham City watschelt, das auch noch aussieht wie New Jersey? Kennt noch jemand Bludhaven, das New Jersey Gothams? Als Alexander Luthor Jr. die synthetische Lebensform Chemo über der Stadt hat detonieren lassen, ist nicht mehr als eine verseuchte Wüste übriggeblieben. Egal, Comicheftchen liest eh keiner mehr. Wurde sowieso rebootet.

Apropos Reboot: Regisseur Matt Reeves hat mit »The Batman« vor zwei Jahren das Filmfranchise um den dunklen Ritter neu gestartet. Ursprünglich mit Ben Affleck vor und hinter der Kamera geplant, anschlussfähig an die gescheiterte Filmwelt des Chris­tologen Zack Snyder. Affleck musste gehen, Snyder arbeitet an seinem »Rebel Moon«-Universum, mit dem er dreist kommenden »Warhammer 40.000«-Verfilmungen vorauseilt. Aus Verlegenheit und dem Unwissen, wie es weitergeht, hat Reeves die ­Chance bekommen, mal wieder Batman vermeintlich realistisch, mehr David Fincher als Christopher Nolan, und noch dunkler als je zuvor mit Robert Pattinson auf die Leinwand zu bringen – so dunkel, dass Kinobetreiber sich beschwert haben. Mehrere Spin-off-Shows waren im Gespräch, doch einen DC-Comics-Reboot wird es mit ­Reeves nicht geben; diese Aufgabe wurde James Gunn zugeteilt.

Was bleibt: »The Penguin«. Produziert von HBO, also Warner Bros. – die sich bereits in den späten 60er Jahren DC Comics einverleibt haben, als Batman noch getanzt hat. Doch endet der lange Schwanz der Monopole noch nicht: Warner Bros. gehört dem einstigen US-Telekom-Monopolisten AT & T. In Deutschland läuft die Serie wöchentlich bei Sky. Herausgekommen ist ein weiteres Batman-Spin-off ohne die Fledermaus, à la »Gotham«, »Joker«, derzeit »Joker: Folie à Deux« oder »Pennyworth«. Der Caped Crusader ist vermutlich anderweitig beschäftigt, da er nun einen Stern auf dem »Walk of Fame« bekommen hat.

Es ist Nacht in Gotham, der Regen strömt; Colin Farrell watschelt mit seinem Klumpfuß durch eine Straßenunterführung – in unfreiwillig komischem Fatsuit mit Penis­nase – zu seinem Nachtklub, der Iceberg Lounge. In den Comics oft ein gediegener Rückzugsort der snobby Upperclass, hier: Berghain. Michael Keaton war wegen seines komplexen Kostüms nicht bereit, für einen dritten Batman-Film zurückzukehren. Farrell hingegen trägt seine Ganzkörpermaske, die anzulegen bis zu vier Stunden dauern kann, konsequent in jeder Szene, auch wenn es Zeiten gab, wo Schauspieler dieser Statur üblich ­waren.

Die Mafiafamilien Falcone und Maroni liegen im Clinch. Falcone hat die Oberhand, soviel Vorwissen aus dem Film ist nötig für die Serie. Der Pinguin war Handlanger des Falcone-Oberhaupts, hatte den Drogenhandel verwaltet. Falcone ist tot. Des Pinguins erster Akt: Er zerdeppert wenig subtil den Safe des alten Chefs mit einem Vorschlaghammer, nimmt sich der schmutzigen Wäsche an, mit der dieser die politischen Eliten der Stadt kontrolliert hat. Des Capo di tutti i capi Sohnemann erwischt Oswald Cobblepot dabei, es kommt zum Gespräch, etwas nostalgisch, darüber, was eigentlich das organisierte Verbrechen bedeutet: Oswald ist von der alten Schule, er erinnert sich an Zeiten, als der Pate durchs Stadtviertel ging und den Menschen noch geholfen hat, gegen kleine Versprechen, versteht sich. Das junge Blut hingegen wallt, ein Antihumanist unter den ­Racket-Führern, neues Kraut müsse her, die ganze Stadt unter Drogen gesetzt werden. Kurze Eskalation, der Pinguin kann sich nicht zurückhalten und knallt seinen neuen Chef ab. Hämische Freude trifft die ihn einholende Realität: Er hat ordentlich Scheiße gebaut. Spuren müssten verwischt werden. Auf dem Weg zu seinem Rennschlitten hält er eine Straßengang in Schach, die seine Felgen stehlen will: neue Zeugen. Einen davon nötigt er zum Fahren; ein Alibi wird gekauft. Dann wird fraternisiert mit dem jungen Felgendieb, denn sie kommen beide von ganz unten: »Sie wissen gar nicht, was sie haben, weil es ihnen nie daran gemangelt hat«, beschreibt Cobblepot die Upperclassgangster, die Bossriege. Die Nacht wurde langsam zum Tag, die Dunkelheit ist gebannt, bei Tageslicht lässt es sich besser Geschäfte machen – ein ästhetischer Bruch zur düsteren Filmwelt des dunklen Ritters.

Es ist aber nicht nur Farrell, der mit seinem Schauspiel heraussticht: Seine Gegenspielerin ist die Schwester des just erschossenen Kingpins, die ihm auf die Schliche kommt. Die psychotische Serienmörderin Sofia Falcone, in der Comicvorlage »Batman – The Long Halloween« eine Hühnin, hier gekonnt gespielt von der zierlichen – Achtung: Spoiler – Mutter aus »How I Met your Mother« (Cristin Milioti).

Als »Sopranos« meets Gotham City ist die Serie auch eine Antwort auf Martin Scorseses Aufreger über die Müllberge an Superheldenfilmen. Potential ist da, dann wiederum ist die Serie auch nicht mehr als ein Brückenkopf zu »The Batman – Part II« (2026): Die Franchisehölle, das sind die anderen. Im Zweifelsfall einfach »Long Halloween« von Tim Sale und Jeph Loeb lesen und sich noch mal an der Show mit James Gandolfini erfreuen.

»The Penguin«, USA 2024, bisher drei von acht Episoden (56 bis 67 Minuten), bei Sky

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