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Aus: Ausgabe vom 12.10.2024, Seite 1 / Titel
Waffenlieferungen

Letzte Ölung

Selenskij zur Audienz beim Papst. Zuvor hatte er in Westeuropa Milliarden Euro für Waffen eingesammelt. Russische Truppen rücken vor
Von Arnold Schölzel
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Friedenspapst und Kriegsfürst nach dem Austausch passender Geschenke (Vatikan, 11. Oktober)

Statt Ramstein nun London, Paris, Rom und Berlin. Nach Absage der Ukraine-Konferenz am Sonnabend auf der US-Basis in Rheinland-Pfalz wurde der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij am Donnerstag und Freitag in vier westeuropäische Hauptstädte wegen weiterer milliardenschwerer Waffenhilfe vorstellig. In Rom traf er zudem Papst Franziskus. Zusagen für Schießgerät und Munition gab es reichlich – vor allem in Berlin –, allerdings bei leicht veränderter Rhetorik: In allen Auftritten vor den Kameras war die Rede auch von »dauerhaftem und gerechtem Frieden für die Ukraine« und davon, Russland zu einer zweiten Friedenskonferenz einzuladen. In Rom kündigte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am Donnerstag abend nach dem Gespräch mit Selenskij an, in Italien werde am 10. und 11. Juli 2025 eine Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine stattfinden. Ob das ein Kriegsende voraussetzt, blieb unklar.

An beiden Reisetagen Selenskijs kamen jedoch die russischen Truppen in der Ostukraine »mit großer Wucht« (dpa) weiter voran. Im Laufe des Donnerstags habe es 114 Sturmangriffe gegeben, teilte der ukrainische Generalstab in seinem abendlichen Lagebericht mit. Allein 30 Angriffe wurden demnach am Frontabschnitt bei Liman gezählt. Der Eisenbahnknotenpunkt liegt im Gebiet Donezk. Zu dem Frontabschnitt gehören aber auch die letzten Dörfer des Gebietes Lugansk, die Russland noch nicht kontrollierte. Weitere Schwerpunkte der Angriffe waren demnach die Abschnitte Pokrowsk und Kurachowe. Der militärnahe, aber nicht offizielle ukrainische Blog Deepstate berichtete, dass vier kleine Ortschaften an der Ostfront von der russischen Armee erobert worden seien.

Am Freitag teilte das russische Verteidigungsministerium in Moskau mit, zwei Ortschaften in der russischen Oblast Kursk seien wieder unter die Kontrolle seiner Truppen gebracht worden: Nowaja Sorotschina und Pokrowski. Nach Angaben des Ministeriums haben die ukrainischen Streitkräfte bei den Kämpfen in Kursk innerhalb von 24 Stunden rund 300 Soldaten verloren, insgesamt seit dem Einmarsch in das Gebiet rund 22.000. Außerdem seien 70 Prozent der Militärtechnik zerstört worden. Bei einem russischen Raketenangriff in der südukrainischen Region Odessa sind nach Angaben der dortigen Behörden in der Nacht zum Freitag vier Menschen getötet worden, zehn weitere seien verletzt worden.

Bei einem kurzen Presseauftritt vor dem Gespräch mit Selenskij im Berliner Kanzleramt wurde die militärische Lage nicht erwähnt, dafür lobte Scholz sich selöbst: Waffen im Wert von 600 Millionen Euro seien gerade geliefert worden. Bis zum Jahresende soll militärisches Gerät für weitere 1,4 Milliarden Euro folgen. Vier Milliarden Euro seien schon im Haushalt 2025 für Waffenlieferungen bereitgestellt. Scholz forderte das EU-Parlament auf, den Weg für den EU-Anteil am 50-Milliarden-Dollar-Kredit der G7 freizumachen. Er soll aus gestohlenem russischen Vermögen finanziert werden.

Papst Franziskus, der nach deutschen »Zeitenwende«-Maßstäben ein Putin-Versteher ist, hatte am Freitag vormittag seinem Gast Selenskij den Bronzeabguss einer aufblühenden Rose mit der Inschrift »Frieden ist eine zerbrechliche Blume« sowie, neben anderen Texten, seine diesjährige Friedensbotschaft überreicht. Selenskij schenkte ein Ölgemälde mit der Darstellung »Das Massaker von Butscha. Die Geschichte von Maritschka«. Jeder nach seinen Fähigkeiten.

Siehe Seite 3

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