Letzte Ölung
Von Arnold SchölzelStatt Ramstein nun London, Paris, Rom und Berlin. Nach Absage der Ukraine-Konferenz am Sonnabend auf der US-Basis in Rheinland-Pfalz wurde der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij am Donnerstag und Freitag in vier westeuropäischen Hauptstädten wegen weiterer milliardenschwerer Waffenhilfe vorstellig. In Rom traf er zudem Papst Franziskus. Zusagen für Schießgerät und Munition gab es reichlich – vor allem in Berlin –, allerdings bei leicht veränderter Rhetorik: In allen Auftritten vor den Kameras war die Rede auch von »dauerhaftem und gerechtem Frieden für die Ukraine« und davon, Russland zu einer zweiten Friedenskonferenz einzuladen. In Rom kündigte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am Donnerstag abend nach dem Gespräch mit Selenskij an, in Italien werde am 10. und 11. Juli 2025 eine Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine stattfinden. Ob das ein Kriegsende voraussetzt, blieb unklar.
An beiden Reisetagen Selenskijs kamen jedoch die russischen Truppen in der Ostukraine »mit großer Wucht« (dpa) weiter voran. Im Laufe des Donnerstags habe es 114 Sturmangriffe gegeben, teilte der ukrainische Generalstab in seinem abendlichen Lagebericht mit. Allein 30 Angriffe wurden demnach am Frontabschnitt bei Liman gezählt. Der Eisenbahnknotenpunkt liegt im Gebiet Donezk. Zu dem Frontabschnitt gehören aber auch die letzten Dörfer des Gebietes Lugansk, die Russland noch nicht kontrollierte. Weitere Schwerpunkte der Angriffe waren demnach die Abschnitte Pokrowsk und Kurachowe. Der militärnahe, aber nicht offizielle ukrainische Blog Deepstate berichtete, dass vier kleine Ortschaften an der Ostfront von der russischen Armee erobert worden seien.
Am Freitag teilte das russische Verteidigungsministerium in Moskau mit, zwei Ortschaften in der russischen Oblast Kursk seien wieder unter die Kontrolle seiner Truppen gebracht worden: Nowaja Sorotschina und Pokrowski. Nach Angaben des Ministeriums haben die ukrainischen Streitkräfte bei den Kämpfen in Kursk innerhalb von 24 Stunden rund 300 Soldaten verloren, insgesamt seit dem Einmarsch in das Gebiet rund 22.000. Außerdem seien 70 Prozent der Militärtechnik zerstört worden. Bei einem russischen Raketenangriff in der südukrainischen Region Odessa sind nach Angaben der dortigen Behörden in der Nacht zum Freitag vier Menschen getötet worden, zehn weitere seien verletzt worden.
Bei einem kurzen Presseauftritt vor dem Gespräch mit Selenskij im Berliner Kanzleramt wurde die militärische Lage nicht erwähnt, dafür lobte Scholz sich selbst: Waffen im Wert von 600 Millionen Euro seien gerade geliefert worden. Bis zum Jahresende soll militärisches Gerät für weitere 1,4 Milliarden Euro folgen. Vier Milliarden Euro seien schon im Haushalt 2025 für Waffenlieferungen bereitgestellt. Scholz forderte das EU-Parlament auf, den Weg für den EU-Anteil am 50-Milliarden-Dollar-Kredit der G7 freizumachen. Er soll aus gestohlenem russischen Vermögen finanziert werden.
Papst Franziskus, der nach deutschen »Zeitenwende«-Maßstäben ein Putin-Versteher ist, hatte am Freitag vormittag seinem Gast Selenskij den Bronzeabguss einer aufblühenden Rose mit der Inschrift »Frieden ist eine zerbrechliche Blume« sowie, neben anderen Texten, seine diesjährige Friedensbotschaft überreicht. Selenskij schenkte ein Ölgemälde mit der Darstellung »Das Massaker von Butscha. Die Geschichte von Maritschka«. Jeder nach seinen Fähigkeiten.
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Leserbrief von E. Rasmus (14. Oktober 2024 um 10:12 Uhr)Die »Letzte Ölung« wird seit 60 Jahren auch Krankensalbung genannt. Der Papst sollte es übrigens gleichsam mit den Brüsseler Gestalten tun. Hemdsärmelig - im Hemdpullover Staatspräsidenten beziehungsweise dem katholischen Kirchenoberhaupt gegenüberzutreten - als Präsident und Millionär, zeugt an sich schon von einer Beleidigung im Blick auf die Staatsetikette. Das sich Präsident nennende Subjekt Wolodimir Selenskij in Rom beim Papst, der allerdings auf subtile Art ein für sich stehendes Geschenk überreichte - in der von mir geäußerten vagen Hoffnung, daß keine Waffen etc. vom Vatikan zu erhalten sind - wurde auch von Steinmeier wie Scholz im gleichen Aufzug empfangen. Hier allerdings hat sich der sogenannte Bundespräsident, wie sein Kanzler, obgleich mit einem Anzug bekleidet , diesen dabei sinnbildhaft ausgezogen, was mit dem Empfang des schlacksig erscheinenden Möchtegern-Abiturienten einer Amtsunwürdigkeit und wider die Friedensvernunft gleichkommt. Nackt, lumpenhaft armselig in Geist und Moral haben sich hier, wie den brüsseler Figuretten ebenbürtig, Kriegshasardeure gefunden. Sprichwörtlich bedeutet das: "gleich und gleich gesellt sich gern" und in Verkehrung der schalkhaften Novelle Gottfried Kellers "Kleider machen Leute" - gilt’s für Lumpen nimmer.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (11. Oktober 2024 um 20:30 Uhr)Manch ein Kommentator ist ja der Meinung, der Westen hätte eine Strategie, die darauf ausgerichtet sei, Frieden zu stiften und eine Eskalation zum 3. Weltkrieg zu verhindern. Wer den Artikel über den Kiewer Bettelmönch liest, der von Haustür zu Haustür tingelt, um Almosen nachsucht und insbesondere in Berlin offene Türen einrennt, weiß, dass das Gegenteil der Fall ist. Im Westen hat derzeit niemand die Absicht, das Töten in der Ostukraine zu beenden. Der Herr Ex-Präsident schämt sich daher auch nicht, den Papst vor seinen schmutzigen Karren zu spannen und den Pontifex mit einem Produkt aus der Propaganda-Schmiede seines Geheimdienstes zu beschämen.