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Aus: Ausgabe vom 12.10.2024, Seite 5 / Inland
Rohstoffabbau

Lithium fürs Kapital

Konzerne sichern sich Zugriff auf Rohstoffvorkommen in Serbien, Gefahr von katastrophalen Umweltschäden besteht
Von Roland Zschächner
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Neokolonialismus in Serbien: Ein von Rio Tinto im Jadartal gekauftes Grundstück mit Verbotsschildern

Zufälle gibt’s: Am vergangenen Donnerstag sprach sich die Mehrheit des serbischen Parlaments in Belgrad gegen ein Gesetz aus, das den geplanten Abbau von Lithium im Westen des Landes verboten hätte. Für denselben Abend hatte die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin zu einer Veranstaltung geladen, um über dieses Thema zu diskutieren. Dabei ging es um die zu erwartende Umweltzerstörung, die neokoloniale Abhängigkeit Serbiens, den zerstörerischen Weg der im Interesse des Kapitals betriebenen »grünen Transformation« und den Widerstand, den es dagegen gibt.

Schon seit dem 19. Jahrhundert ist Serbien für westliche Länder als Rohstofflieferant interessant. Minen wurden unter anderem von französischem Kapital erschlossen. Später wollten sich die Nazis Metall und Kohle unter den Nagel reißen. Auf deutscher Seite bestehen die Begehrlichkeiten noch immer. Denn damit soll die Wirtschaft umgebaut, der Verkehr elektrifiziert, die dafür nötige Energie ohne CO2-Ausstoß erzeugt werden. Dafür ist auch das Leichtmetall Lithium nötig, das unter anderem im Tal des Flusses Jadar in Westserbien vorkommt.

Rio Tinto heißt einer der weltweit berüchtigtsten Bergbaukonzerne. Das britisch-australische Unternehmen hat bereits in den frühen 2000er Jahren im Jadartal Lithium gefunden, nun will es sich an die Ausbeutung machen. Die deutsche Autoindustrie freut sich. Sie kam nicht nur selbst in Person des Mercedes-Vorstands Ola Källenius am 19. Juli nach Serbien, um ein Abkommen darüber zu unterzeichnen, sondern schickte auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vorbei. Welch Zufall, dass das Verfassungsgericht in Belgrad nur wenige Tage zuvor das Verbot des Lithiumabbaus gekippt hatte.

Zoran Stevanović ist Geologe und ehemaliger Professor an der Universität Belgrad. Er gehört zu den serbischen Fachleuten, die sich vehement gegen die Ausbeutung der heimischen Vorkommen aussprechen. Die Gefahren sind vielfältig. Zum einen soll die Mine in einem Wasserschutzgebiet errichtet werden. Käme es zu einem Unfall, könnte das Grundwasser verschmutzt werden, mit dem nicht nur die angrenzenden Gemeinden versorgt werden, sondern auch die Hauptstadt Belgrad. Der Bergbau in Serbien werde kaum überwacht, erläuterte Stevanović. Außerdem seien Vorschriften in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter im Interesse von Konzernen ausgehöhlt worden. Beispielhaft dafür stehe, so Stevanović, dass selbst staatliche Institutionen wie das Geologische Institut bei der Erschließung von Bergbauprojekten ausgeschlossen wurden.

Daraus folge ein Bergbaukolonialismus, erklärte Iskra Krstić. Die Journalistin arbeitet für das linke Onlinemedium Mašina. Die Zerstörung der Umwelt werde in die Abbauregionen auslagert. Das können Chile oder Serbien sein. Dieser Extraktivismus – Rohstoffe werden aus dem Boden geholt, exportiert und im Ausland weiterverarbeitet – führe nicht zu der versprochenen wirtschaftlichen Entwicklung, worauf jüngst auch serbische Ökonomen hinwiesen. Auch der Bevölkerung sei dies klar, unterstrich Krstić. Wichtig sei vor allem die Frage des Trinkwassers.

Gegen Rio Tinto entwickelte sich eine Massenbewegung. Diese habe 2022 einen Erfolg verbucht, als das Projekt gestoppt wurde, berichtete Krstić. Nun seien die Menschen wieder auf der Straße, nachdem der Abbau erneut erlaubt worden ist. Die deutsche Klimaschutzaktivistin Cindy Peter verwies darauf, dass die Proteste in Serbien Teil einer globalen Bewegung sind. Rio Tinto stehe für den Irrsinn der Elektromobilität, die es Autokonzernen ermögliche, weiterhin auf Wachstum zu setzen – auf Kosten der Umwelt. Für die Menschen in Serbien ist der Kampf gegen den Lithiumabbau noch lange nicht vorbei. Auch wenn das Parlament auf seiten des Kapitals steht, sind die im Juli unterzeichneten Abkommen noch nicht ratifiziert. Solidarität soll zudem am kommenden Dienstag in Berlin gezeigt werden. Umweltschützer rufen zum Protest vor dem »Klimakongress« des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) auf.

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