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Aus: Ausgabe vom 12.10.2024, Seite 7 / Ausland
Nahostkonflikt

Der gute und der böse Cop

Schlag gegen Iran: Israel beansprucht Handlungsfreiheit, will sich aber mit US-Seite »koordinieren«. Sicherheitskabinett ohne Ergebnisse
Von Knut Mellenthin
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Bei seinen Auftritten vor der UNO liebt es Israels Premier Netanjahu plakativ (New York, 27.9.2024)

Zehn Tage nach dem iranischen Großangriff mit 180 bis 200 Raketen am 1. Oktober stand die angekündigte »tödliche, präzise und besonders überraschende« Reaktion Israels am Freitag immer noch aus. Verteidigungsminister Joaw Gallant wählte diese Worte am Mittwoch vor Soldaten der Aufklärungseinheit 9900. Sie ist zuständig für das Sammeln von Informationen über Gegner und hat wahrscheinlich bei den zahlreichen »gezielten Tötungen« von Führungsmitgliedern der Hamas und der Hisbollah eine zentrale Rolle gespielt. Iran werde dabei »nicht verstehen, was ihm geschehen ist oder wie«, setzte Gallant sarkastisch hinzu.

Eine Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts am Donnerstag abend, von der eine Entscheidung über den »Gegenschlag« erwartet worden war, endete ohne Bekanntgabe von Ergebnissen. Es habe »keine großen Beschlüsse gegeben«, meldete die Onlinetageszeitung Times of Israel unter Berufung auf eine anonyme Quelle. Die israelische Seite habe den Willen, ihren »Gegenschlag« mit den USA zu »koordinieren«. »Strategische Diskussionen« würden fortgesetzt.

Am Mittwoch gab es zum ersten Mal seit dem 21. August ein Telefongespräch zwischen Joseph Biden und Benjamin Netanjahu. Der israelische Premierminister hatte sich den Anruf des US-Präsidenten ertrotzt, indem er den Flug seines Verteidigungsministers, der am Mittwoch in Washington seinen Amtskollegen Lloyd Austin und hochrangige Militärs treffen sollte, kurz vor dem Start untersagte. Israelische Medien behaupteten in diesem Zusammenhang, die US-Regierung sei frustriert und verärgert, weil sie über Israels Pläne im unklaren gelassen werde.

Das Weiße Haus veröffentlichte nach dem Telefonat ein Readout, eine üblicherweise wenig inhaltsreiche Zusammenfassung des Gesprächs, das etwas später als »offen und produktiv« bezeichnet wurde. Der »Gegenschlag« tauchte in der kurzen Mitteilung nicht einmal auf. Was sich indirekt darauf beziehen lässt, klingt nicht gerade verärgert: »Der Präsident beteuerte sein unerschütterliches Bekenntnis zu Israels Sicherheit. Er verurteilte uneingeschränkt Irans Raketenangriff auf Israel vom 1. Oktober.« Beide Seiten hätten vereinbart, »in den kommenden Tagen in engem Kontakt zu bleiben, sowohl direkt als auch über ihre Teams für nationale Sicherheit«.

Leider besteht nicht die manchmal recht aufschlussreiche Möglichkeit, diese Mitteilung mit einer israelischen Version zu vergleichen: Netanjahus Büro veröffentlicht schon seit geraumer Zeit kaum noch Readouts. So auch in diesem Fall nicht. Die Times of Israel behauptete am Freitag, die Meinungsunterschiede zwischen den Regierungen in Washington und Jerusalem seien nach dem Telefonat geringer geworden, und beide stimmten hinsichtlich der »strategischen Herausforderungen« im Nahen Osten überein.

Bis zu dem Telefonat mit Netanjahu hatte Biden der israelischen Regierung in behutsamer Form davon »abgeraten«, die Erdöl- und Erdgasindustrie oder die Atomanlagen der Islamischen Republik anzugreifen. Die in London ansässige internationale Nachrichtenagentur Reuters berichtete am Donnerstag, mehrere Golfstaaten, darunter Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar, hätten Washington gebeten, Israel von Angriffen auf iranische Erdölanlagen abzubringen. Angeblich steht dahinter die Angst, sonst Ziel iranischer Militärschläge zu werden. Aus dem gleichen Grund sollen die Golfstaaten es auch ablehnen, ihren Luftraum vom israelischen Militär durchfliegen zu lassen.

Die Regierung in Jerusalem behält sich Handlungsfreiheit vor. Netanjahu kann sich dabei nicht nur auf seine eigene Partei und seine extrem rechten Koalitionspartner stützen: Auch die meisten relevanten Oppositionspolitiker – der frühere Generalstabschef Benjamin Gantz von der Nationalunion, Avigdor Lieberman von der säkular-nationalistischen Partei Jisrael Beitenu und der ehemalige Ministerpräsident Naftali Bennett – drängen besonders darauf, die iranischen Atomanlagen zu zerstören.

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