Israels Wirtschaft im freien Fall
Von Shir HeverNachdem die Ratingagenturen Moody’s und Standard and Poor die Kreditwürdigkeit Israels herabgesetzt haben und Fitch auch die der israelischen Banken, geht es mit der Wirtschaft in jeder Hinsicht weiter bergab.
Israels Finanzminister Bezalel Smotrich wurde beschuldigt, nicht auf seine eigenen Mitarbeiter im Ministerium zu hören. Als zutiefst fanatischer religiöser Mann setzte sich Smotrich über die Ratschläge seiner Berater hinweg. Am 16. September versicherte er der Öffentlichkeit, dass das erwartete Defizit bei den Staatsausgaben, das bereits zweimal die Erwartungen übertroffen hat, nicht noch ein drittes Mal überschritten wird: »Ich bin bereit, eine Flasche Whiskey zu verwetten«, sagte er. Am Mittwoch gab die israelische Zentralbank bekannt, dass die Regierung die Erwartung für Mehrausgaben um zwölf Milliarden Schekel (circa drei Milliarden Euro) übertroffen hat, so dass Smotrich eine Flasche Whiskey verloren hat.
Die Inflation ist derweil im Steigen begriffen – seit Anfang der Woche allein um fünf Prozent –, und die Indikatoren deuten darauf hin, dass sie in naher Zukunft noch viel höher sein wird. Die Preise steigen in allen Bereichen: für importierte Waren, für Energie, Wohnraum und Lebensmittel. Die Frage ist jedoch, was die Teuerung verursacht. Ist es die wachsende Nachfrage der Bevölkerung nach Produkten und Dienstleistungen (wie Notvorräte, eilig gebaute Bunker oder Flugtickets aus Israel)? Oder ist es die Kaufwut der Menschen, die den Glauben an die Zukunft verloren haben und keinen Sinn darin sehen, ihr Geld zu sparen?
Der Chefstratege der israelischen Discount Bank, Shmuel Katzavian, vertrat am Mittwoch die Ansicht, dass eine Anhebung des Zinssatzes der Zentralbank nicht dazu beitragen werde, die Inflation zu stoppen. Wie viele Israelis ist er der Meinung, dass die Preise anziehen, weil sich die Wirtschaft verlangsamt, die Produktionslinien unterbrochen sind und der Südhafen in Eilat durch Untätigkeit in Konkurs gegangen ist – der Warentransport ist also teurer geworden, und die Preise steigen unabhängig davon, ob der Verbrauch zunimmt. Die Zentralbank scheint diese Analyse zu teilen, denn am selben Tag beschloss sie, den Zinssatz konstant zu halten.
Der private Verbrauch der Haushalte nimmt zu, das heißt die Menschen geben immer mehr Geld und einen größeren Teil ihres Einkommens aus (sie verschulden sich sogar). Die Bereinigung um die Inflation zeigt jedoch, dass der Anstieg des Verbrauchs nicht mit der Inflation Schritt hält, was bedeutet, dass die Menschen mehr ausgeben, aber weniger kaufen. Die Kategorie, in der der private Konsum im vergangenen Jahr am stärksten zugenommen hat (plus 33,3 Prozent), sind die Ausgaben außerhalb des Landes – von Israelis, die ihre israelischen Kreditkarten zum Kauf von Waren und Dienstleistungen verwenden, aber nicht mehr im Land leben.
Die Staatsverschuldung nimmt rapide zu. Die Differenz der effektiven Zinssätze zwischen US-Staatsanleihen und israelischen Anleihen hat sich seit Januar 2023 um 250 Prozent vergrößert. Dieser Unterschied wird als »Risikoprämie« für die Kreditvergabe an einen Staat betrachtet. Infolgedessen steuert Israel auf eine Schuldenfalle zu. Von einer Schuldenfalle spricht man, wenn der Staat keine andere Wahl hat, als neue Kredite aufzunehmen, um die Zinszahlungen für bestehende Schulden zu decken.
Warum bricht Israels Wirtschaft zusammen? Die Staatsausgaben konzentrieren sich auf den Kauf von Waffen und Munition für Israels Kriegsmaschinerie, um den laufenden Völkermord im Gazastreifen und jetzt die Invasion im Libanon zu finanzieren. Israels Regime hält sich nur aufgrund seiner Waffenstärke. Wenn der Krieg endet, und das muss er schließlich, wird es unvermeidlich eine neue Regierung geben. Dabei ist keineswegs ausgeschlossen, dass es sich um eine palästinensische handeln wird. Aber die Palästinenser werden kaum bereit sein, die Schulden zu begleichen, die durch die Einfuhr von Waffen entstanden sind, die ihre Familien getötet haben.
Shir Hever ist ein israelischer Wirtschaftswissenschaftler, Mitglied der »Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost« und Koordinator für Rüstungsembargo-Kampagnen der Boykottbewegung BDS.
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