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Aus: Ausgabe vom 12.10.2024, Seite 4 (Beilage) / Wochenendbeilage
75 Jahre DDR

Einfach mal hinhören

Die Festveranstaltung »75 Jahre DDR. Was bleibt?« von der der Berliner Kurier nicht recht weiß, ob sie stattgefunden hat oder nicht
Von Hagen Bonn
Das Thema zieht: Am Eingang mussten viele Interessierte abgewiesen werden – ausverkauft (Berlin, 5.10.2024)
Gleich geht’s los: Blick in den gefüllten Saal vor Veranstaltungsbeginn
Auferstanden aus ­Ruinen: Martin Küpper spricht über den Städtebau der DDR
Aus erster Hand: Der ehemalige Staatsratsvorsitzende Egon Krenz würdigt die Leistungen des Sozialismus
Was sagen die Nachgeborenen? Doreen Kähler moderiert das Podium
Ostdeutsche heute: Dörte Grimm, Linda Gundermann und Jennipher Antoni (v. l. n. r.) im Gespräch
Lange Leitung neben Linda: Sonja Goll an der Gitarre
Multiinstrumentalistin: Judith Retzlik von »Linda und die lange Leitung« gerade an der Geige
»Linda und die lange Leitung«

Bitte wundern Sie sich nicht über diese Fotoreportage, denn, und nun aufgepasst, unsere junge Welt-Veranstaltung »75 Jahre DDR. Was bleibt?« vergangenen Sonnabend im Berliner Kino Babylon hat gar nicht stattgefunden. Und wo hat die Redaktion all die Bilder her? Ja, im Berliner Kurier vom Dienstag lesen wir: »Wie gesagt, der 75. DDR-Geburtstag fällt aus. Anders als das 75. Jubiläum der Bundesrepublik im Mai dürfte der Jahrestag der DDR-Gründung 1949 sang- und klanglos übergangen werden.« Sang- und klanglos? Was sagt die Band »Linda und die lange Leitung« dazu? Sind die nicht mit einem musikalischen Programm aufgetreten? Die standen also nicht auf der Bühne?

Nein. Und als Beweis zitiert »Berlins ehrliche Boulevardzeitung« die Direktorin der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (Etat der Stiftung 2023: 9,4 Millionen Euro): »Warum sollte man die staatliche Etablierung einer Diktatur feiern?« Ja, genau. Die 500 Gäste im Saal schlugen sich wahrscheinlich mit ihren zusammengerollten Kurieren gegenseitig so lange auf die Köpfe, bis sie eine Massenhalluzination erlebten, äh … erlitten. So muss es gewesen sein.

Aber halt. Nur einen Tag nach der Veranstaltung, die nicht stattgefunden hat, schreibt derselbe Kurier folgendes: »Egon Krenz war Stargast des Abends ›75 Jahre DDR. Was bleibt?‹.« Und noch schlimmer: »Als er den Zuschauerraum betrat, bekam er viel Applaus …« Also, was jetzt? Wurde nun gefeiert oder nicht? War Genosse Krenz anwesend oder nicht? Hatte also nicht Jennipher Antoni Texte von Peter Hacks gelesen? Ich könnte auch schwören, dass der Philosoph Martin Küpper über industrielles Bauen sprach. Er meinte, dass dafür die vergesellschafteten Eigentumsverhältnisse der DDR eine Grundvoraussetzung bildeten, um dem Post-Bauhaus-Stil Familienleben einzuhauchen. Im Gegensatz dazu das »Kalte Herz« von Berlin, der Potsdamer Platz, der das Flair mehrerer ineinander gesteckter Wäscheklammern versprüht.

Gut, ich gebe auf. Das Podiumsgespräch haben wir uns auch nur eingebildet. Sagte da nicht jemand, ihm fehle heutzutage das menschliche Miteinander, dass man sich zuhört, zusammenhält? Das sei in der DDR gängige Kultur gewesen. Wirklich? Der, Achtung, »wissenschaftliche Leiter des DDR-Museums« in Berlin, den Namen schreibe ich jetzt nicht hin, denn dann müsste ich ihn lesen, der also schreibt im Dienstags-Kurier: »Wir haben sogar viele Beschwerden, dass wir die ›schöne DDR‹ so ironisch darstellen und so ›schlecht machen‹.« Denn die Kultur in der DDR sei gewesen: beim Bäcker anstehen, beim Fleisch anstehen »und Gemüse im Konsum gibt es sowieso nicht mehr«.

Bleiben wir beim Feiern, denn der Kurier vom Dienstag titelte ganzseitig mit DDR-Emblem: »Umfrage unter Ostdeutschen – Zwei Drittel wollen die DDR zurück.« Na, geht doch! Kommt die Wahrheit also doch noch ans Licht: Die DDR-Bürger standen gern für Brötchen an. Also echte, mit Geschmack, fünf Pfennig. 100 Gramm Jagdwurst 68 Pfennig. 500 Leute könnten das bezeugen. Ehrenwort.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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