Edi Rama fest im Sattel
Von Roland ZschächnerAlbaniens Opposition ist im Protestmodus: Die Demokratische Partei (DP) hat in jüngster Zeit immer wieder zu Demonstrationen gegen die Regierung unter Edi Rama von der Sozialistischen Partei aufgerufen. Zu schweren Zusammenstößen zwischen DP-Anhängern und der Polizei kam es vergangenen Montag: Während die einen Molotowcocktails warfen, verschossen die anderen Tränengas. Auslöser der Proteste war die Verurteilung des DP-Abgeordneten Ervin Salianji zu einer einjährigen Haftstrafe, weil dieser den Bruder eines ehemaligen Innenministers der Sozialisten beschuldigt hatte, in den Drogenhandel verwickelt zu sein. Außerdem steht DP-Chef Sali Berisha wegen Korruptionsverdachts unter Hausarrest.
Seit Monaten fordert die 2013 abgewählte DP die Einsetzung einer technischen Regierung, die die Wahlen im nächsten Jahr organisieren soll. Die Opposition traut Rama nicht über den Weg. Die Sozialisten hätten, so der Vorwurf, den Staat samt der Justiz gekapert, profitierten von der Korruption und untergrüben die Demokratie. Die Proteste sind in den Augen der DP eine der letzten Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen.
»Wir sind hier, weil die Regierung dem Volk nicht mehr dient«, sagte DP-Generalsekretär Flamur Noka gegenüber Journalisten. »Der zivile Ungehorsam hat begonnen. Wir werden nicht aufhören, bis unsere Forderungen erfüllt sind.« Wenig begeistert davon zeigte sich die US-Botschaft in Tirana. Man sei »zutiefst besorgt über die Zerstörung und die Gewalt«, heißt es in einer Mitteilung, nachdem DP-Abgeordnete am 1. Oktober in und vor dem albanischen Parlament gewütet hatten. »Solche schädlichen und potentiell verletzenden Handlungen haben im demokratischen Prozess keinen Platz.«
Vermutungen, in Albanien werde die nächste Farbrevolution vorbereitet, erweisen sich als unbegründet. Rama ist ein treuer Diener der USA und der EU. Zwar kursiert ein Video des albanischen Premiers, in dem er, neben US-Außenminister Antony Blinken stehend, die USA als »Teufel« bezeichnet. Doch was wie eine mutige Anklage erscheint, ist in voller Länge eine Anbiederung an die US-Politik im Nahostkonflikt: Rama referierte am 15. Februar auf der Pressekonferenz zum Besuch Blinkens darüber, wie das sozialistische Albanien die Welt sah. Dieses habe, so Rama, drei Teufel in der Welt ausgemacht: die USA, die Sowjetunion und Israel. Zugleich stand Tirana damals an der Seite der PLO und habe früh Palästina als Staat anerkannt. Doch nun gehe es darum, dass »ein möglicher palästinensischer Staat von Israel nicht mehr als Bedrohung empfunden wird«.
Auch in anderen Belangen, wie bei den einseitigen Sanktionen gegen Russland, ist Rama an der Seite der USA. Auf deren Wunsch wurden seit 2016 Mitglieder der Volksmudschaheddin, einer von Washington finanzierten Widerstandsgruppe gegen die Führung des Iran, in Albanien angesiedelt. Seit 2009 ist das Land zudem Mitglied der NATO. Auch die US-Armee hat sich in Albanien breitgemacht, unter anderem mit einem Hauptquartier der Special Operations Command Europe (Soceur).
Wegen seiner künstlerischen Tätigkeit gilt Rama als feingeistig und als kreativer Kopf. Davon will auch die Familie von US-Expräsident Donald Trump profitieren, die eine albanische Insel zum Luxusresort ausbauen will. Weniger luxuriös sind dagegen die Lager, die Italien in Albanien errichtet hat, um dort Geflüchtete einzusperren. Am Freitag wurden zwei der Einrichtungen an die italienischen Behörden übergeben. Verbunden ist dies mit der Abgabe der eigenen Souveränität in den Camps an die ehemaligen Besatzer.
So viel Unterwerfung wird in Rom gern gesehen und von der EU honoriert. Man werde diesen Dienstag mit den EU-Beitrittsverhandlungen mit Albanien beginnen, frohlockte der ungarische Premierminister Viktor Orbán beim Besuch Ramas in Budapest am Freitag. Solche Ankündigungen lassen den Premier zu Hause in einem guten Licht erscheinen. Um selbst Aufmerksamkeit zu bekommen, bleibt der Demokratischen Partei in Albanien nicht viel. Die Lage zu eskalieren hilft und hat den Nebeneffekt, die seit Jahren tief gespaltene Partei zu einen.
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