Weshalb er gehen musste
Von Gisela SonnenburgDa müsste er hängen: bei Antonio Gramsci, Rosa Luxemburg und Nelson Mandela. Und bei Picasso, natürlich. Denn Joseph Beuys ist stilistisch mit den zuvor Genannten verwandt, zumindest in der Welt des Bleistiftmalers Ali Zülfikar. Dessen Ausstellung »Reflexion« ist derzeit in der Maigalerie der jungen Welt in Berlin-Mitte zu bestaunen. Zülfikars Technik, mit Bleistift auf Leinwand, Holz oder – eher selten – auch auf Büttenpapier zu zeichnen, und zwar in so eng gesetzten Linien, dass das Werk wie realistische Malerei wirkt, ist das eine Mirakel, das man bewundert. Etwas anderes ist seine Macht, bekannte Gesichter so prägnant und doch so neu in einen Blickwinkel zu rücken, dass man glaubt, in ihnen prinzipiell Neues zu erkennen.
Joseph Beuys, der Erfinder der sozialen Plastik, sollte eigentlich ein Highlight der Ausstellung darstellen, obwohl sein auf Leinwand prangendes Antlitz insgesamt ziemlich streng wirkt. Aber dann wurde es nichts mit Beuys. Picasso ist nämlich mit über drei Quadratmetern zu groß, um direkte Konkurrenz neben sich zu dulden. Und die Politikerreihe Gramsci (der hier übrigens so rührend wie ein Sturm-und-Drang-Jüngling wirkt), Luxemburg und Mandela füllt eine andere Teilwand. Da ist nirgends eine passende Nische für den guten alten Joseph.
Komischerweise vermisst ihn aber niemand. Möglicherweise ist er nicht mehr so aktuell. Dafür steht Che Guevara, auf einen Holzblock gezeichnet, mit leuchtenden Augen in einer Reihe höchst illustrer Wesen. Ein human anmutendes Wildschweinpaar ist auch dabei. Beuys hat also richtig was verpasst.
Ali Zülfikar: »Reflexion«, Maigalerie der jungen Welt, Torstr. 6, 10119 Berlin, bis zum 14. November 2024
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