Reichtum schafft Armut
Von Susanne KnütterEs ist im wahrsten Sinne ein Armutszeugnis. 2015 hatten sich die Vereinten Nationen auf eine Reihe von Nachhaltigkeitszielen verständigt. Eines davon: Bis 2030 soll kein Mensch mehr von weniger als 2,15 US-Dollar (1,97 Euro) am Tag leben müssen. Die Bilanz gut neun Jahre später: Etwa 40 Prozent aller Menschen weltweit stehen weniger als genau jene 2,15 Dollar pro Tag zur Verfügung. Sie leben in den 26 ärmsten Volkswirtschaften der Welt. Ihre Verschuldung ist so hoch wie seit 2006 nicht mehr. Das ist das Ergebnis einer Studie der Weltbank, die am Montag veröffentlicht wurde. Für die Entwicklungsbank ist es nach eigenen Angaben die »erste systematische Bewertung der Ursachen der chronischen Haushaltsschwäche in den ärmsten Volkswirtschaften«, also von Ländern mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von weniger als 1.145 US-Dollar.
Diese Volkswirtschaften sind im Schnitt auch ärmer als vor der Coronapandemie, während sich die übrigen Staaten weitgehend erholt hätten, heißt es in der Studie. Die Staatsverschuldung dieser Länder liegt heute im Durchschnitt bei 72 Prozent des BIP und damit auf einem 18-Jahres-Hoch. Fast die Hälfte dieser »Low-income countries« (LIC) – doppelt so viele wie 2015 – befinden sich entweder im Zustand akuter Not oder stehen kurz davor. Denn die Aussichten, auf den internationalen Märkten günstigere Finanzierungen zu bekommen, gibt es für sie nicht mehr. Insgesamt fielen die Nettofinanzströme – einschließlich ausländischer Direktinvestitionen und offizieller Hilfe – im Jahr 2022, dem letzten Jahr, für das Daten vorliegen, auf ein 14-Jahres-Tief. Eine Folge davon: Das Geld, das noch reinkommt, wird nicht mehr für längerfristige Aufgaben wie Gesundheit oder Bildung ausgegeben, sondern nur für unmittelbare Zahlungen wie die »Löhne der Staatsbediensteten, Zinszahlungen für Schulden und Subventionen«.
Ohne ihn zu benennen, macht die Studie der Weltbank auf einen wichtigen Zusammenhang aufmerksam – die ärmsten Länder verfügen über einen beträchtlichen Reichtum: »Ihre natürlichen Ressourcen sind reichlich vorhanden, und ihre Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter wächst rasch.« Das Institut kommt zu dem Schluss, dass nachhaltiges Wachstum und ausgeglichene Staatshaushalte möglich wären, wenn dieses Potential genutzt würde.
Das jedoch ist ausgeschlossen. International wettbewerbsfähig werden die betroffenen Staaten (darunter Afghanistan, Burundi, die Zentralafrikanische Republik, die Demokratische Republik Kongo, Syrien, Jemen, Nordkorea) auf absehbare Zeit nicht. Dafür haben mehr als 150 Jahre Kolonialismus und Imperialismus gesorgt. Fast alle LIC sind rohstoffexportierende Länder und unterliegen »Boom-and-Bust-Zyklen« der Rohstoffmärkte. Hinzu kommt: In zwei Dritteln der Länder herrscht Krieg.
Entscheidend wird sein, dass diese Länder sich aus ihrer Abhängigkeit befreien. Dass dies nicht unbedingt gewollt ist, lassen die Lösungsvorschläge von seiten der Weltbank vermuten. So sagte Ayhan Kose, stellvertretender Chefökonom der Weltbank und Direktor der Prospects Group: »Es gibt vieles, was einkommensschwache Volkswirtschaften für sich selbst tun können – und müssen«. Sie könnten zum Beispiel »ihre Steuerbasis verbreitern, indem sie die Registrierung der Steuerzahler sowie die Steuererhebung und -verwaltung vereinfachen«. Sie hätten auch »viel Spielraum, um die Effizienz der öffentlichen Ausgaben zu verbessern«. Am Ende allerdings komme es doch auch weiterhin wesentlich auf »Unterstützung aus dem Ausland« an. Was die in den vergangenen Jahrzehnten angerichtet hat, steht wiederum im aktuellen Bericht der Weltbank.
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