Ganztag braucht Personal
Von Gudrun GieseUm 2030 eine lückenlose Ganztagsversorgung in den Grundschulen zu gewährleisten, wären »insgesamt über 110.000 Lehrkräfte sowie mehrere hunderttausend Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe« zusätzlich erforderlich, sagte die Gewerkschaftsvorsitzende Maike Finnern gegenüber den Stuttgarter Nachrichten (Montagausgabe). Alle Fachkräfte sollten in der Ganztagsbetreuung eng in multiprofessionellen Teams zusammenarbeiten. Grundsätzlich sieht die GEW eine große Chance in einem solchen Angebot, aber nur dann, wenn es auf die Bedürfnisse der Kinder und ihrer Familien zugeschnitten sei. Bei optimaler Umsetzung seien im Ganztag gute Lernerfolge möglich, so Finnern, und auch das Miteinander der Kinder könne erfolgreich gefördert werden. Außerdem leiste die Ganztagsbetreuung einen wichtigen Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Bund und Länder haben den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule beschlossen. Ab dem Schuljahr 2026/27 soll die Umsetzung mit der Klassenstufe eins beginnen, 2029/30 für alle Grundschüler bis zur Klasse vier umgesetzt sein. Die Vereinbarung geht auf die Zeit vor der Bundestagswahl von 2021 zurück und wurde möglich, weil der Bund zusagte, sich an den laufenden Kosten zu beteiligen. Die werden sukzessive auf bis zu 1,3 Milliarden Euro jährlich wachsen. Zudem zahlt der Bund für die baulichen Investitionen insgesamt bis zu 3,5 Milliarden Euro. Aus Sicht der Gewerkschaft gebe es zusätzlichen Handlungsbedarf: »Es ist dringend notwendig, die Finanzierung für den Ausbau über den jetzigen Stichtag 2029 hinaus zu verlängern«, so die GEW-Vorsitzende. Es gehe um Mittel für Gruppenräume, Rückzugsorte und gute Verpflegungsmöglichkeiten für die Kinder.
»Damit Schule im Ganztag gelingen kann, müssen wir nicht nur einen Zahn zulegen, sondern das Schulsystem komplett aufpimpen«, erklärte Nicole Gohlke, Sprecherin für Bildung und Wissenschaft der Gruppe Die Linke im Bundestag, zu den von der GEW errechneten Zahlen zum Fachkräftemangel. Ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Bildung müsse jetzt her. »Wenn wir die Attraktivität und Qualität von Schule und Lehrkräfteausbildung nicht endlich steigern, sieht es mau aus.« Konkret müsse dafür die gleiche Bezahlung aller Lehrkräfte bundesweit gelten. Notwendig sei zudem eine Ausbildungsoffensive für mehr Lehrkräfte und mehr Erzieherinnen. »Studien- und Ausbildungsbedingungen müssen insgesamt verbessert und stärker mit der Praxis verzahnt werden«, so Gohlke. Die Lehrkräftebildung dürfe nicht länger »Sparmodell an Hochschulen« sein.
GEW-Chefin Finnern unterstrich, wie groß die Chancen durch eine Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder wären. Der Rechtsanspruch darauf biete eine einzigartige Gelegenheit, die Bildungslandschaft in der Bundesrepublik nachhaltig zu stärken. Deshalb müssten nun die Anforderungen ebenso klar benannt werden wie Lösungen der Personalanforderungen. »Durch qualitative Weiterbildungen und gute Arbeitsbedingungen muss der Ganztag zu einem attraktiven Arbeitsfeld werden«, sagte sie den Stuttgarter Nachrichten. Dennoch dürfte es schwierig werden, 110.000 zusätzliche Lehrkräfte und weiteres pädagogisches sowie psychologisches Fachpersonal in den wenigen verbleibenden Jahren bis zur Umsetzung des Ganztagsanspruchs auf diesem Wege zu gewinnen. Schließlich suchen auch Kindertagesstätten dringend nach Fachkräften.
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