Unzulängliche israelische Luftabwehr
Von Knut MellenthinWährend das gespannte Warten auf den angedrohten israelischen »Gegenschlag« andauert, hat die Jerusalem Post am Montag erstmals Angaben über die materiellen Folgen des iranischen Raketenangriffs vom 1. Oktober veröffentlicht. Der Bericht stützt sich auf amtliche Zahlen der Steuerbehörde, die ausschließlich die Schäden an Privateigentum enthalten. Das Ausmaß der Schäden im militärischen Bereich bleibt nach wie vor unter Verschluss. Die Washington Post hatte am 4. Oktober ohne Nennung nachprüfbarer Quellen behauptet, dass mindestens 24 der rund 200 iranischen Raketen nicht von der Luftverteidigung abgefangen wurden. 20 Raketen hätten das Gebiet der Luftwaffenbasis Nevatim im südlichen Negev getroffen, zwei den Stützpunkt Tel Nof in Zentralisrael, und zwei seien in der Nähe des Mossad-Hauptquartiers in Tel Aviv explodiert.
Dem Bericht der Jerusalem Post vom Montag zufolge wurden am 1. Oktober im privaten Bereich 2.500 Schadensfälle verursacht, mehr als die Hälfte davon an Wohnungen und Geschäften im Norden Tel Avivs. Ein Schwerpunkt sei die Stadt Hod Hascharon, von wo den Versicherungen Schäden an mehr als 1.000 Wohnungen und Häusern gemeldet wurden. Ein weiteres Zentrum sei ein Geschäfts- und Wohngebiet in der Nähe der Küste im Norden Tel Avivs, wo Dutzende Appartements und ein Restaurant beschädigt wurden. Unklar sei, inwieweit die Schäden durch direkte Treffer oder durch herabstürzende Trümmer abgefangener Raketen (und Geschosse der Luftabwehr) verursacht wurden. Die Steuerbehörde schätze den Gesamtwert der Zerstörung oder Beschädigung von Privateigentum durch iranische Raketen am 1. Oktober auf zwischen umgerechnet 40 und 53 Millionen US-Dollar.
Ein ernster Schlag für Israel ist das im Gegensatz zu den teilweise maßlosen Erfolgsmeldungen iranischer Medien nicht. Trotzdem lassen die jetzt bekanntgegebenen Zahlen darauf schließen, dass ein großer Teil der bei der »Operation gehaltenes Versprechen II« eingesetzten Raketen nicht von der Luftabwehr zerstört wurde. Damit besteht offenbar ein erhebliches Risiko, dass es bei künftigen Angriffen auch militärisch schwerwiegende Treffer geben könnte. Ob Israels Atomreaktor in Dimona unter diesen Umständen wirklich als hundertprozentig geschützt gelten kann, ist eine offene Frage, deren Beantwortung hochgefährlich werden könnte.
Die israelische Luftabwehr, die bisher nur zu einem geringen Anteil von US-Kriegsschiffen in der Region unterstützt wurde, hat sich unzulänglich gezeigt. Es ist im Licht dieser Tatsache zu verstehen, dass das Pentagon am Sonntag Gerüchte und Vermutungen über die geplante Stationierung einer Batterie des von Lockheed Martin entwickelten THAAD-Systems auf israelischem Boden bestätigt hat, ohne schon einen exakten Termin zu nennen. Als einzige Aufgabe ist ausdrücklich die Abwehr iranischer Angriffe genannt.
THAAD gilt als Erweiterung des von Raytheon und Lockheed entwickelten »Patriot«-Systems. Es unterscheidet sich von diesem unter anderem durch eine größere Reichweite, die mit 150 bis 200 Kilometern angegeben wird. Eine Batterie besteht aus sechs Abschussgeräten, die auf Lkw montiert sind. Zu deren Bedienung müssten rund 100 US-Soldaten nach Israel verlegt werden.
Die Gefahr oder Chance – je nach politischer Sichtweise –, dass die USA auf diese Weise direkt in einen großen Regionalkrieg hineingezogen werden könnten, liegt auf der Hand. Irans Außenminister Abbas Araghchi warf der US-Regierung in diesem Zusammenhang vor, sie setze das Leben ihrer Soldaten aufs Spiel.
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