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Aus: Ausgabe vom 15.10.2024, Seite 10 / Feuilleton
Pop

Ich mag dich so, wie du nie bist

Was Pop einmal konnte: »Hits in the Dark«, das zweite Album der Joachim Franz Büchner Band ist draußen
Von Alexander Kasbohm
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Allein unter Gräsern: Joachim Franz Büchner

»Rage against the dying of the light« spricht Richard Burton als Einleitung zu »Hits in the Dark«. Eine Zeile aus dem Gedicht »Do not go gentle into that good night« des walisischen Poeten Dylan Thomas. Eine Aufforderung, gegen den Tod aufzubegehren, sich gegen das Ersterben des Lichtes zu erwehren. In der mir vorliegenden deutschen Übersetzung wird das zu »Im Sterbelicht sei zweifach zornentfacht«, was ein gutes Argument für die Unübersetzbarkeit von Poesie ist. Auf jeden Fall kommt dieser Prolog nicht von ungefähr: Zwischen dem Debütalbum »Ich bin nicht Joachim Franz Büchner« und »Hits in the Dark« verbrachte JFB ein halbes Jahr im Krankenhaus, um sich einen Abszess zwischen Speiseröhre und Herz entfernen zu lassen. Was einen unweigerlich mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert. Und damit, dass Hein Schnitter jeden Augenblick um die Ecke kommen kann und nicht immer wartet, bis man ein gesetztes Alter erreicht hat. Zudem stieg Büchner als Gitarrist bei Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs ein, also einer Band, die ein bis zwei Generationen vorher die ersten Zeichen dessen setzte, was man später »Hamburger Schule« nannte. Auch das geht vermutlich nicht ganz spurlos an einem vorbei.

Wie dem auch sei, das Dylan-Thomas-Zitat leitet den lebensbejahenden Funk des weitgehend instrumentalen Titelsongs ein. Lediglich die Zeile »Hits in the Dark« wird wiederholt. Schlägt etwas Bedrohliches im Dunkeln zu? Oder bewegen wir uns in der Tiefe der Nacht zu populärer Tanzmusik? Oder widerfährt uns unerwartet etwas Wunderbares? Vielleicht sogar während wir tanzen? Alles kann sein. Diese Uneindeutigkeit zieht sich durch das Album, stärker als durch den Vorgänger. Nichts ist für immer, wenig ist klar. Selbst die Dinge, die eindeutig scheinen, sind es selten.

Die Produktion von Tobias Levin ist gewohnt perfekt und penibel. Alles sitzt genau da, wo es sitzen soll und wie es sitzen soll. Perfektion kann auch gerne mal der Tod der spontanen Kreativität sein. Aber Levin schafft es, dem Album seinen deutlichen Stempel aufzudrücken, ohne das Wesen und die Eigenheiten des Künstlers an die Wand zu drücken. Levin hat eine genaue Vorstellung davon, wie etwas zu klingen hat, und lässt nicht locker, bevor er genau das bekommt. Und in diesem Fall ist das Pop, der noch weiß, was Pop einmal konnte und wie er funktioniert. Der liebevoll detailreiche und entschieden antirockistische Zauber des Klangkonzepts offenbart sich mit jedem Mal hören mehr.

Ein Höhepunkt des Albums ist »Unvollendetes Duett«. Direkt nach »Suggestion, Spekulation, Verderben«, einem fast ostzonensuppenwürfeligen, relativen Punkstück, kommt diese bezaubernde Hymne an eine platonische Romanze völlig unerwartet, schlägt sozusagen im Dunkeln zu. Und was könnte romantischer sein als das Unvollendete? »Ein Fragment, eine Idee, die niemals ausformuliert worden ist«. Etwas, das man vor den Fallen des »wirklichen Lebens«, durch Nichtverwirklichung schützt, »ich mag dich so, wie du nie bist«.

»Nervöse Energie« ist das Discostück des Albums, ohne dabei wirklich ein Dancefloorfiller zu sein. Es ist eher die Idee von Disco, die durch den Bass transportiert wird, die Vorstellung, das Konzept im Mid-Tempo-Bereich. »Königin der Nacht« ist dann musikalisch die Synthese der beiden vorangegangenen Stücke, textlich eine gleichzeitig nüchterne und magische Geschichte eines Kennenlernens: »Wir sehen uns nur noch in Schemen, zwischen Azaleen und Chrysanthemen.«

Surrealistische Metaphorik und hell-dunkel-verwirrender Groove in »Die Glastür im Wald«, gefolgt von dem ungebrochen direkten und berührenden »Ich verliere meinen Weg« mit ewig langer psychedelischer Coda. Die ganz nebenbei einen guten Schritt zur Rehabilitierung des Saxofons macht, das sich von seinem Missbrauch in den 80ern noch nicht so richtig erholt hat. Hier eben Saxophonsolo statt Gitarrensolo, was ein gelungenes Statement ist.

»Hits in the Dark« ist vermutlich zu eigen und einfach auch zu schlau, um in der »Welt da draußen«, also dem Mainstream, anschlussfähig zu sein, auch wenn die Hooks das durchaus hergäben. Für die anderen, für uns Spinner, Träumer, Over-Thinker und Under-Doer, für die von der Welt immer aufs Neue verwirrten, ist das Album eine Bereicherung dieses sonderbaren Lebens.

Joachim Franz Büchner Band: »Hits in the Dark« (Misitunes)

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