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Aus: Ausgabe vom 15.10.2024, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Wald

Eine glatte Drei minus

Die Bundeswaldinventur 2024 zeigt ein durchwachsenes Bild
Von Wolfgang Pomrehn
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Abgestorbene Kiefern im Nationalpark Harz (Torfhaus, 29.9.2024)

Es steht schlecht um den deutschen Wald. Sehr schlecht. Vielerorts sind die großen Schäden noch zu sehen, die die Dürrejahre seit 2017 hinterlassen haben. Mancherorts liegen große Flächen von Trockenheit und Borkenkäfer entwaldet. Den Bäumen sieht selbst das Laienauge die schlechte Gesundheit an.

Der Eindruck wird von der neuesten Waldinventur des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft statistisch bestätigt, die seit vergangener Woche vorliegt. Für sie wurden mit Stand 2022 die Bäume nicht nur gezählt, sondern in fast 80.000 Stichproben vermessen und zugleich die Zustände der Waldböden unter die Lupe genommen. Rund 150 Parameter erfasste man dabei. Heraus kam unter anderem, dass die Gesamtmenge an Holz deutlich zurückgegangen ist. Der Wald hat damit seine Funktion als CO2-Senke, als Schwamm für das Treibhausgas Kohlendioxid, verloren und ist sogar zur zusätzlichen Quelle des CO2-Anstiegs geworden.

Mehr Verlust als Zuwachs

Dabei scheint die Lage auf den ersten Blick so schlecht eigentlich nicht. Obgleich Deutschland im internationalen Vergleich ziemlich dicht besiedelt ist, gelten noch immer und mit leicht wachsender Tendenz 32 Prozent der Landesfläche als Wald. Allerdings ist der Wald der Bundesrepublik sehr ungleichmäßig verteilt. Spitzenreiter mit jeweils 43 Prozent sind Hessen und Rheinland-Pfalz, das Schlusslicht unter den Flächenländern ist mit zwölf Prozent Schleswig-Holstein. Selbst der Stadtstaat Berlin hat mehr (20 Prozent).

Beim näheren Hinsehen aber trübt das Bild sich schnell ein. Klimawandel und Dürrejahre haben die Wälder deutlich geschwächt. Bäume sind in großer Zahl vertrocknet, und noch mehr von ihnen wurden – weil geschwächt – zum Opfer von Stürmen und Käferfraß. Die Umweltschutzorganisation Robin Wood macht zudem Stickstoffschäden aus der Landwirtschaft und eine über Jahrzehnte zu intensive Bewirtschaftung der Wälder für die Schäden verantwortlich. Zwei Millionen von insgesamt 11,54 Millionen Hektar sind seit 2017 von Windbruch, Dürre und Borkenkäferbefall betroffen. Insgesamt waren die Verluste größer als der Zuwachs an Biomasse. Darüber hinaus hat auch die Menge des in der Streu auf dem Waldboden gebundenen Kohlenstoffs abgenommen. Damit wurde seit 2017 der hierzulande im Wald gespeicherte Kohlenstoff um 41,5 Millionen Tonnen oder drei Prozent weniger. Das entspricht etwa 150 Millionen Tonnen CO2 oder etwas mehr als einem Fünftel der jährlichen deutschen Emissionen.

Robin Wood macht darauf aufmerksam, dass sich die Zusammensetzung der Wälder in den vergangenen Jahren verschoben hat. Durch das Absterben der Fichten sei nun die Kiefer zur Hauptbaumart geworden. Für die Umweltschützer ist das keine gute Nachricht, denn die Kiefer ist nicht an die Standorte angepasst und trägt daher nicht zu Stabilisierung und Wachstum der Wälder bei. Die Laubbaumarten Buche und Eiche scheinen dagegen die wichtigsten Garanten für stabile Wälder zu sein, wie auch die Waldinventur zeigt.

Insofern ist es ein Lichtblick, dass der Anteil der Laubbäume in den Wäldern steigt und die Durchmischung zunimmt. Das heißt, der Anteil der monokulturellen Baumplantagen geht zugunsten des natürlicheren Mischwaldes zurück. Allerdings fast ausschließlich im jüngeren Bestand. Zu 91 Prozent entsteht dieser inzwischen auf natürlichem Wege, das heißt ohne Pflanzungen oder gezielte Aussaat. Seine Zusammensetzung ist laut Inventur zu 50 Prozent naturnah. Nur 50 Prozent, könnte man einwenden, aber wo ausschließlich Plantagen und keine klimatisch angepassten Bäume stehen, können sich auch nicht so viele standortgerechte Pflanzen aussäen.

Erfreulich ist, dass das durchschnittliche Alter der Bäume sich um fünf Jahre erhöht hat und 30 Prozent der Wälder heute älter als 100 Jahre sind. Alte Bäume speichern besonders viel Kohlenstoff und entwickeln sich zu kleinen, vielfältigen Ökosystemen, die für die Biodiversität und also den Artenreichtum von Bedeutung sind. Positiv ist auch, dass die Totholzmenge gegenüber der letzten Inventur 2012 um ein Drittel zugelegt hat. Davon profitieren nicht nur Pilze, Insekten und andere Kerbtiere. Totholz verbessert als Wasserspeicher auch das Mikroklima des Waldes und dient als zusätzlicher, wenn auch nur temporärer Kohlenstoffspeicher. Unklar bleibt allerdings, ob man hier einen nachhaltigen Trend sieht, denn besonders zugenommen hat die Zahl der stehenden, aber abgestorbenen Bäume, die in den kommenden Jahren noch aus den Wäldern geräumt werden könnten.

Totholz bewahren

Aus Sicht des Klimaschutzes ist das Verbrennen die schlechteste Variante der Holzverwertung, weil dadurch der gebundene Kohlenstoff sofort als CO2 freigesetzt wird. Bleibt das abgestorbene Holz hingegen im Wald liegen, entweicht das Treibhausgas nur nach und nach, weil sich der Zersetzungsprozess über viele Jahre hinzieht. Daher wäre die Verwendung toten Baumholzes als Baumaterial klüger. Nur sind abgestorbene Bäume dafür selten geeignet, und das Ökosystem Wald kann Totholz als Klimaanlage und Lebensraum ohnedies gebrauchen.

Bleibt zu hoffen, dass die jüngste Waldinventur als Weckruf wahrgenommen wird und dem Umbau der meist im Privatbesitz befindlichen Wälder einen kräftigen Schub gibt. »Die vorliegenden Zahlen liefern weitere Argumente dafür, wie sehr wir alte und standortheimische Wälder brauchen – heute mehr denn je«, so Robin Woods Waldreferentin Jana Ballenthien. »Wenn wir unsere Wälder langfristig stabil halten wollen, kann eine Bewirtschaftung in Zukunft nur noch möglich sein, wenn die ökosystemare Leistung der Wälder nicht überschritten wird. Das müssen spätestens jetzt alle Waldbesitzenden verstanden haben und umsetzen, die langfristig Verantwortung übernehmen wollen. Letztendlich retten wir damit nicht nur die Artenvielfalt und unsere Klimaziele, sondern auch uns selbst.«

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  • Leserbrief von Michael Wallaschek aus Halle (Saale) (15. Oktober 2024 um 07:33 Uhr)
    Amtlicher Bericht, eine Umwelt-NGO und der Autor sprechen vom »Wald«. Das ist in Deutschland ein Tarnwort für Forst, also einen durch Menschen gepflanzten und bewirtschafteten Baumacker. Durch glückliche Umstände ähneln manche Forste natürlichen Wäldern und heißen dann »naturnah«. Die Anfälligkeit von Forsten für Witterungsphänomene und Insektenfraß war schon im 18. Jahrhundert bekannt. Der Erlanger Professor Eugen Johann Christoph Esper (1742–1810) kannte 1786 auch das Gegenmittel: »Noch würde … die Verfügung für die Zukunft sehr heilsam seyn, wenn vermengte Holzarten, als Fichten, Tannen und Fohren, oder auch Laubgehölze zugleich angelegt würden. So könnte der Schaden dieser Raupen nie beträchtlich werden, da sie sich selten auf einem unter anderen Gattungen stehenden Baum aufhalten, und wenn es sich auch ereignen sollte, würde doch der Verlust sehr unbedeutend seyn.« Die Forstwirtschaft hat das jahrhundertelang ignoriert, aber heute kann des Jammerns über die Folgen nicht genug sein. Nicht Klimawandel, Dürre und Insekten sind schuld, sondern ein profitgetriebenes Wirtschaftssystem. Auffällig ist des weiteren das Teleologische im Artikel: Jedes Naturding hat seinen Nutzen und Endzweck, zwar nicht im Schöpfungsplan, aber im Klimaschutz. Das bildet die ideologische Unterlage für die profitgetriebene »alternative« Energie- und sonstige Großindustrie: Ein Naturding, das hier nichts nutzt, muss weg, genau wie bei den fossilen Industrien. Nur was Nutzen bringt, hat Existenzrecht, zur Not eben als Totholz, wenn es nicht als Bauholz taugt. So dient Klimaschutz nicht Mensch und Natur, sondern der Erhaltung des nunmehr gewünschten »alternativen« Profitsystems.

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