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Aus: Ausgabe vom 16.10.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Tiefseebergbau

Es geht um die Knolle

Manganknollen im Visier. Die Cook-Inseln haben jüngst eine Rahmengesetzgebung zum Tiefseebergbau verabschiedet. Umweltschützer reagieren entsetzt
Von Thomas Berger, Sydney
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Weckt Begehrlichkeiten: Die Manganknolle

Ob überhaupt jemand – und wenn ja, wer wann zu welchen Bedingungen – in internationalen Gewässern Tiefseebergbau betreiben darf, ist eine Angelegenheit, über die die Staaten der Welt hartnäckig streiten. Eine finale Beschlussfassung ist kürzlich einmal mehr vertagt worden. Jetzt ist aber ein pazifischer Ministaat vorgeprescht. Die Regierung der Cook-Inseln hat Anfang Oktober unter der Bezeichnung »Seabed Minerals (Minerals Harvesting and Other Mining) Regulations 2024« eine Rahmengesetzgebung verabschiedet. Dieser Schritt wird von vielen Seiten als voreilig eingestuft, Umweltschutzorganisationen reagierten entsetzt. Sie werfen Premier Mark Brown (Cook Islands Party) und der zuständigen Behörde »Seabed Minerals Authority« (SBMA) vor, dass der angebliche »Beteiligungsprozess« im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens eine Farce gewesen sei, da wiederholt vorgebrachte kritische Stellungnahmen gar nicht beraten wurden und an einem Konsens kein Interesse herrschte.

Ziel des Tiefseebergbaus sind unter anderem Manganknollen. Die pferdeapfelgroßen Klumpen sind Ausfällungen von Metalloxiden und enthalten hauptsächlich Eisen und Mangan, gemischt mit beachtlichen Konzentrationen von Nickel, Kupfer und Kobalt. Die größten bislang erforschten Ansammlungen der begehrten Mineralaggregate finden sich in der im Pazifik zwischen Mexiko und Hawaii gelegenen Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) in einer Tiefe von 4.000 bis 6.000 Metern. Aber auch im westlichen Pazifik, rund um die Cook-Inseln, befinden sich wirtschaftlich interessante Vorkommen.

Das Gesetz, das die Cook-Inseln nun am 5. Oktober beschlossen haben, wie der Pazifikservice von Radio New Zealand berichtete, werde einen rechtlichen Rahmen für den Tiefseebergbau vorgeben, hieß es von der SBMA. Allerdings bleiben damit noch immer viele Fragen offen. Bisher nämlich gibt es auch von den Cook-Inseln keine einzige Genehmigung zur Förderung der begehrten Manganknollen. Lediglich Erkundungslizenzen wurden bisher vergeben, aus denen sich jedoch kein weitergehender Rechtsanspruch der jeweiligen Firmen auf eine Ausbeutung ableitet.

Selbst die kleinen Pazifikstaaten, in deren direkter Umgebung sich in erster Linie eine mögliche Förderung abspielen würde, sind bezüglich einer generellen Erlaubnis für Tiefseebergbau gespalten. Besonders deutlich gegen eine Freigabe hatte sich erst Ende September am zweiten Tag der UN-Generalversammlung in New York Hilda Heine, die Regierungschefin der Marshall-Inseln, ausgesprochen. »Die Weltgemeinschaft muss sicherstellen, dass der Boden der Tiefsee nicht einfach seine einzigartige Biodiversität verliert, bevor wir sie überhaupt dokumentiert haben«, verwies sie analog zu vielen Experten und Nichtregierungsorganisationen auf die Gefahren, die sich aus einer solchen Entscheidung zugunsten rohstoffhungriger Staaten und profitorientierter Konzerne ergeben würden. Die Ozeane seien »zu fragil, um sie einem solchen spekulativen Experiment auszusetzen«, warnte Heine.

Politische Repräsentanten anderer Mikrostaaten in dieser Weltregion nehmen einen entgegengesetzten Standpunkt ein. Nicht nur die Cook-Inseln preschen jetzt einen halben Schritt vor. David Adeang, Heines Amtskollege aus Nauru, hatte schon einen Tag vor ihr in New York seine Sicht der Dinge präsentiert: »Wir dürfen uns nicht durch Furcht und Falschinformation zurückhalten lassen.« Es gehe darum, durch das Exploitieren der unter anderem in der Solarbranche oder Batterieerzeugung gefragten Metalle »schnellere Fortschritte« bei der »Energiewende« angesichts des fortschreitenden Klimawandels zu erzielen. Und von dessen Auswirkungen sind gerade die Inselstaaten im Pazifik besonders bedroht – einige könnten in wenigen Jahrzehnten mit steigendem Meeresspiegel weitgehend unbewohnbar und von der Landkarte verschwunden sein.

Die Joint Ventures für Tiefseebergbau CIC Limited, CIIC Seabed Resources Limited und Moana Minerals Limited, allesamt mit Firmensitz auf den Cook-Inseln, hatten von den dortigen Behörden 2022 nach 16 Monaten Prüfung die Erkundungslizenzen erhalten. Von einem »historischen Meilenstein« sprach Premier Brown seinerzeit laut Cook Islands News. Alanna Matamaru Smith, Leiterin der Umwelt-NGO Te Ipukarea Society (TIS), wirft dem Regierungsteam nun vor, dass der »Konsultationsprozess« für das jüngst verabschiedete Gesetz bloße Fassade gewesen sei. Zweifach habe ihre Gruppe ihre Bedenken umfassend schriftlich eingereicht, ohne dass es daraufhin Gespräche gegeben habe, sagte sie Radio New Zealand: »Keiner unserer Vorschläge wurde in die zweite Fassung des Gesetzentwurfs übernommen.« Louisa Castledine vom Kampagnenbündnis Ocean Ancestors monierte: »Die Regierung setzt damit proaktiv die Interessen und die Agenda von Investoren und Bergbaufirmen durch«, die Belange der eigenen Bevölkerung, deren Schutz die Politik garantieren müsse, gerieten hingegen ins Hintertreffen.

Hintergrund: Risiken und Widerstand

Knapp 30 Jahre ist es her, dass auf Basis des UN-Seerechtsübereinkommens (UNCLOS) von 1982 die International Seabed Authority (ISA) mit Sitz in Kingston gegründet wurde. Die Organisation hat derzeit 167 Mitgliedstaaten; hinzu kommt die EU als supranationales Mitglied. Einige große Staaten wie die USA, die Türkei oder Iran gehören nicht dazu. Auf der jüngsten Jahrestagung, die am 3. August endete, konnten sich die Mitglieder wie in den Vorjahren wiederum weder auf eine Freigabe noch auf ein Moratorium einigen. Damit hängt das Thema weiter in der Schwebe. Allerdings werteten es Umweltschützer als Fortschritt, dass die brasilianische Ozeanographin Leticia Reis de Carvalho 2025 als neue Generalsekretärin übernehmen wird, die Leitung damit anstelle des als industriefreundlich geltenden bisherigen Chefs Michael W. Lodge an eine Frau übergeht, von der die Hoffnung besteht, sie sei eine Beschützerin der Ozeane. Überdies nimmt die Zahl jener Länder zu, die sich deutlich gegen eine Freigabe für den Tiefseebergbau wenden. Inzwischen sind es 32.

Die Deep Sea Conservation Coalition (DSCC), vor 20 Jahren gegründet, vereint allein rund 130 Nichtregierungsorganisationen, Initiativgruppen und kritische Institutionen, die sich dem Schutz der einzigartigen Ökosysteme in der Tiefsee verschrieben haben. Aus der Bundesrepublik ist es vor allem die Deutsche Stiftung Meeresschutz (DSM), die sich in Verbindung mit der DSCC und dem Bündnis Seas at Risk (SAR) klar gegen einen Start des Tiefseebergbaus ausspricht. Im Hauptfokus der in den Startlöchern stehenden Firmen befindet sich zweifellos die Clarion-Clipperton-Zone (CCZ). In der zentralpazifischen Bruchzone der Erdkruste, die sich über 7.000 Kilometer Länge mit einer Tiefe bis 6.000 Meter erstreckt, hat die ISA 19 Erkundungslizenzen erteilt. Das Vorkommen der begehrten Manganknollen ist dort besonders hoch.

(tb)

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